Pelikan oder Lamy? Scout oder Amigo? Lego oder… Playmobil! Wer erinnert sich nicht an die entscheidenden Fragen unserer Kindheit? Und da ich letztere natürlich mit „Playmobil“ beantworten kann (mit „Lego“ allerdings auch), war ich umso gespannter, als ich hörte, dass die große Playmobil-Jubiläumsausstellung in die Löwenstadt kommt. Erst kürzlich stieß ich auf dem elterlichen Dachboden in einem Umzugskarton auf die Überreste der Palisaden des „Fort Bravo“, vor dessen Tor meine amerikanischen Soldaten einen Waffenstillstand mit den Indianern meines damaligen besten Freundes ausgehandelt hatten. Ein exakt solches Fort nun fast dreißig Jahre später von Profis erbaut in einem mehrere Quadratmeter großen Schaukasten wieder lebendig werden zu sehen… Aber eins nach dem anderen!
Wie die Zeit vergeht! Vor über 40 Jahren traten die 7,5 cm kleinen Playmobil-Figuren ihren Siegeszug durch die internationale Spielzeugwelt an. Als der Ölpreis während der Ölkrise massiv anstieg, vervielfachte sich auch der Kunststoffpreis um das Zehnfache. Das Unternehmen „Geobra Brandstätter“ machte aus dieser Not eine Tugend und entwickelte ein Spielsystem mit sehr niedrigem Kunststoffbedarf. 1974 wurden ein Ritter, ein Bauarbeiter und ein Indianer als erste Spielfiguren im bayerischen Zirndorf produziert. Dies war die Geburtsstunde der Marke „Playmobil“. Mittlerweile bevölkern knapp drei Milliarden der lächelnden Spielfiguren in mehr als 4600 Varianten Kinderzimmer auf der ganzen Welt.
Das Braunschweigische Landesmuseum feiert dieses Jubiläum mit der Sonderausstellung „40 Jahre Playmobil – Eine Abenteuerreise durch die Zeit“ vom 21. November 2015 bis zum 21. Februar 2016 und lädt die ganze Familie auf eine fantasievolle Reise von der Steinzeit bis in die Gegenwart ein. Insgesamt werden im Haupthaus am Burgplatz 11.000 Spielfiguren auf rund 1000 m² in detailreichen Installationen präsentiert. Begehbare, interaktive Spielstationen stehen für kleine Fans bereit, um in den unterschiedlichen Themenwelten mitzuspielen. Ergänzt werden sie durch originale Museumsexponate – ein Novum in der Wanderausstellung, die in den vergangenen Monaten in Koblenz residierte. „Vor eineinhalb Wochen sind fünf LKW aus Koblenz zur Fahrt nach Braunschweig aufgebrochen. Noch am selben Abend haben wir dann hier begonnen, die 11.000 Figuren aufzubauen. Das war ein riesengroßer Spaß“, schwärmt Robert Hintz, Projektleiter der Sonderausstellung, mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht.
„Die Ausstellung soll vor allem junge Menschen und Familien begeistern. Der Philosoph Peter Bieri hat einmal gesagt ‚Bildung beginnt mit Neugierde‘. Mit unseren Wimmelbildern aus Playmobil, die Weltgeschichte erzählen, schaffen wir eine einzigartige Möglichkeit, Neugierde zu wecken und sich für Geschichte zu interessieren“, beschreibt mir Museumsdirektorin Dr. Heike Pöppelmann den einzigartigen pädagogischen Mehrwert der Ausstellung. Und nicht nur die Besucher werden ihren Spaß haben: „Wenn sich 11.000 lächelnde kleine Figuren in einem Museum tummeln, dann verändert dies dort auch das Leben. Die haben uns hier ganz schön um den kleinen Finger gewickelt“, scherzt sie.
Und auch mich hatten sie äußerst schnell als großen Fan wiedergewonnen. Bereits beim Betreten des Museumsfoyers fühle ich mich in eine andere aber irgendwie doch altbekannte Welt versetzt. Lebensgroße Playmobil-Figuren strecken mir ihre (zweifingerigen) Hände entgegen und eine riesige Bahnhofs-Anzeige in Originalgröße kündet von den kommenden Stationen meiner anstehenden Reise in die Vergangenheit.
Der erste Ausstellungsraum führt mich zu den Anfängen der Marke Playmobil. In waschechtem 70er-Jahre-Ambiente mit Röhrenfernseher und Wählscheibentelefon stehen Originale der allerersten Playmobil-Figuren von 1974: Bauarbeiter, Ritter und Indianer. Gegenüber ein Schaukasten mit einer hunderte Stücke umfassenden Auswahl der Sonderfiguren der vergangenen vier Jahrzehnte, darunter Lady Gaga, Darth Vader und der Papst. Das Kind in mir möchte den Rest des Tages schon jetzt am liebsten auf dem Boden sitzen und spielen!
Doch der anschließende Raum lässt meine nostalgische Schwärmerei in noch ungeahntere Höhen steigen. In einem schätzungsweise sechs Quadratmeter großen Schaukasten ist der römische Aufmarsch zur Varusschlacht mit hunderten Soldaten in liebevoller Detailtreue nachgebildet. Daneben in einer Vitrine unter anderem eine echte römische Lanzenspitze aus dem Jahr 235 n. Ch. aus der bekannten Harzhorn-Sammlung mit erklärendem Text. So sieht gelungene moderne Museumspädagogik aus! Ähnlich verhält es sich bei den anderen Epochen der Ausstellung: Die Steinzeit-Spielwelt mit Höhlenmenschen und Säbelzahntigern aus Plastik schmückt beispielsweise ein 50.000 Jahre alter Faustkeil. Und – mein Liebling, man ahnt es schon – die Welt der Cowboys und Indianer mit dem legendären „Fort Bravo“ im Zentrum wird ergänzt durch einen echten indianischen Tomahawk und eine mit Glasperlen besetzte Umhängetasche. Sie brachte ein Braunschweiger mit, der vor über 200 Jahre als Söldner im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hat.
Zwischendurch viel Wissenswertes wie die Veranschaulichung des Entstehungsprozesses einer Playmobil-Figur; von der ersten Konzeptzeichnung über die Rohmaterialen in der Fabrik bis hin zur Verpackung. Oder ein riesiges Wimmelbild aus Playmobil in der Märchenwelt, in dem sich 21 bekannte Märchen versteckt haben. Dazu jede Menge zum Anfassen und Spielen, so zum Beispiel die „Männchen-Mach-Maschine“, an der sich jeder Besucher seine ganz individuelle Figur zusammenklicken kann (daher heißen sie im Fachjargon übrigens auch „Klickies“). Dann noch die Ritterburg, das lebensgroße Wikingerschiff, die Pirateninsel, die Puppenhaus-Welt um 1900 oder die Mondbasis… Aber ich möchte ja nicht alles verraten.
Doch, eines noch: Etwas ganz besonderes und Braunschweig-exklusiv ist ein Nachbau des mittelalterlichen Burgplatzes. Ein begeisterter Sammler hat jede Menge Recherche und dutzende Stunden handwerklicher Arbeit damit verbracht, den Platz historisch korrekt aus den beliebten Spielzeugteilen nachzubauen. Der Clou: Wenn man zum Fenster des Ausstellungsraumes hinausschaut, hat man das Original direkt vor Augen.
Ich gerate schon wieder ins Schwärmen. Daher schließe ich nun kurzerhand mit einer uneingeschränkten Empfehlung der neuen Ausstellung im Braunschweiger Landesmuseum. „40 Jahre Playmobil – Eine Abenteuerreise durch die Zeit“ ist eine einzigartige Kombination aus Spielspaß und moderner Wissensvermittlung. Hier kann man als jung(geblieben)er Mensch wirklich Stunden – oder gar Tage – verbringen!
Artikelfoto: Stephen Dietl
Informationen:
Braunschweigisches Landesmuseum
Burgplatz 1, 38100 Braunschweig
Öffnungszeiten: Di bis So 10:00 – 17:00 Uhr, jeden 1. Dienstag im Monat 10:00 – 20:00 Uhr, Mo geschlossen
Eintrittspreise dieser Ausstellung: Erwachsene: 8 Euro, ermäßigt 7 Euro
Kinder von 4 bis 14 Jahre: 5 Euro
Laufzeit der Ausstellung: 21.11.2015 bis 21.02.2016
www.3landesmuseen.de/Braunschweigisches-Landesmuseum
Björn meint
Zitat: „Als der Ölpreis während der Ölkrise massiv anstieg, verdoppelte sich auch der Kunststoffpreis um das Zehnfache.“ Frage: Wie kann sich etwas um das Zehnfache verdoppeln? Wo habe ich da in Mathe nicht aufgepasst? 😉
Ansonsten danke für die interessante Einblicke in die Ausstellung, ein Besuch ist jetzt bei mir fest eingeplant!
Maria meint
Da hat uns der gestiegene Ölpreis wohl etwas aus der Fassung gebracht. Die zehnfache Verdopplung ist behoben 🙂
Viel Spaß beim Besuch der Ausstellung!