Zugegeben, das Wetter hätte für einen Mittwoch im Oktober wesentlich angenehmer, ja spätsommerlicher, sein können, als ich mich mit meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen auf den Weg von Papenburg in das gut 10 Kilometer entfernte Dörfchen Lehe begebe. Die Temperaturen liegen unter dem zweistelligen Plusgraden, aber der Leher Püntenverein hat uns zum unterhaltsamen Püntenpatent eingeladen. Der Name ist ja nicht gerade aussagekräftig und wir waren alle sehr gespannt, was uns erwartet. Soviel sei an dieser Stelle verraten – für die Landratten unter Euch: unter einer Pünte versteht man im Norddeutschen eine kleine, meist handbetriebene Fähre, zum Überqueren eines Flusses.
Zur Geschichte der Pünte
Vor Ort begrüßen uns Rudi und Wilhelm. Rudi, ein pensionierter Standesbeamter, erläutert uns die Geschichte zur Leher Pünte. „Bis in die 1960er Jahre diente sie den örtlichen Bauern als Verkehrsmittel zum Übersetzen an das andere Ufer der Ems, um dort die Äcker mit ihren Pferden und Geräten zu bewirtschaften. Mit der zunehmenden Einführung der Traktoren, die die Brücken über die Ems nutzen konnten, wurde der Betrieb eingestellt.“
Erst Anfang der 2000er Jahre gründete sich der Verein, und ließ eine neue Pünte zum Erhalt der alten Tradition bauen. Die Leher Pünte ist die einzige seilgebundene Fähre auf der schiffbaren Ems!
Wer dachte, dass es nur um Technik ginge wurde eines Besseren belehrt. Nun tauchten wir ins Reich der sagenumwobenen Geschichten der Aulken, die in Lehe gelebt haben sollen! Das Wetter und die Stimmung waren perfekte Begleiter für die mystische Geschichte!
„Sie konnten sich unsichtbar machen“
„Bei Nacht kamen sie hervor. Kleine Wesen mit schwarzer Kleidung und roten Zipfelmützen“, beginnt Rudi geheimnisvoll. „Sie holten von den Äckern Gemüse und Korn, und aus dem Stall die Milch. Sie konnten sich unsichtbar machen und waren geheimer Zauberkünste kundig und deshalb bei groß und klein gefürchtet“, erläutert Rudi weiter. Gebannt lauschen wir weiter seinen Erzählungen. „Die Zwerge haben ihre emsländischen Wohnplätze vor langer Zeit verlassen.
Es heißt, das Christentum habe sie verdrängt. In einer Nacht zogen die „Aulken“ zur Ems: „Haol aower“ (Hol über), hörte der Fährmann. Als er das kleine Boot losmachen wollte, rief eine Stimme: „Pünte mitbringen“. Der Fährmann hatte nur eine einzelne, kleine Gestalt am anderen Ufer gesehen. Sein Schrecken war groß, als er merkte, dass lediglich ein „Aulk“ drüben auf ihn wartete. Der kleine Mann stieg in die Pünte, sonst war niemand zu erblicken. Aber der Fährmann hörte ein fortwährendes Trippeln von kleinen Füßen, und das große Boot sank immer tiefer ins Wasser.
„Stell Deinen Hut auf!“, befahl der Aulk. Und dann füllte sich der Hut mit Münzen, die unsichtbare Hände hineinwarfen. Er musste ihn dreimal leeren. Am anderen Ufer verließen die unheimlichen Fährgäste die Pünte. Sie sollen nach Norden gezogen sein. Man hat nie wieder etwas von ihnen gesehen und gehört“, beendet Rudi die Erzählung mit einem zwinkernden Auge.
Das Püntenpatent
Wir beginnen mit dem fünf Disziplinen umfassenden Püntenpatent: Knotenkunde, Ratten schlagen, Rettungsring werfen, Kompass einnorden und Fische fangen. Das als unterhaltsames Spaßprogramm ausgelegte Patent, erfordert nicht nur Geschicklichkeit, Körperberrschung und Sportlichkeit sondern auch ein wenig Glück. Und macht wirklich Spaß!
„Leinen los!“
Das Highlight des Besuches ist zum Abschluß die Emsüberquerung mit der Pünte. Uns ist zuerst etwas mulmig zumute, als wir die doch recht kleine Pünte betreten und die Leinen losgemacht werden. Doch die beiden „Kapitäne“ legen souverän Hand an, denn es ist noch richtige Handarbeit gefragt: Rudi und Wilhelm ziehen jeweils mit zwei Handanschlägen an dem durch die Ems und über die Pünte führenden Seilzug durch Muskelkraft die Pünte an das andere Ufer. Es ist schon faszinierend, dass diese ursprüngliche Technik, auch noch heute so perfekt funktioniert. Ein tolles und greifbares Stück Nostalgie – Wir sind begeistert!
Dort angekommen haben wir die Möglichkeit von einem hölzernen Aussichtsturm die Landschaft aus der Vogelperspektive zu erkunden. Hier führen auch mehrere überregionale Radwanderwege wie der EmsRadweg oder die Emslandroute entlang.
Nach einer kurzen Weile setzen wir sicher an das andere Ufer der Ems über. Hier werden uns feierlich in einer kleinen Zeremonie die Urkunden für das Püntenpatent übergeben. Bevor wir wieder Richtung Heimat nach Papenburg aufbrechen bedanken wir uns für den wirklich unterhaltsamen Vormittag! Die Leher Pünte ist ein tolles Ausflugsziel für Radtouren entlang der Ems und eigentlich nur ein Handschlag von Papenburg entfernt!
Die Leher Pünte fährt von Mai bis Oktober immer sonn- & feiertags von 10:00 bis 18:00 Uhr. An Feriensamstagen zusätzlich von 14:00 bis 18:00 Uhr. Für eine einfache Überfahrt zahlen Erwachsene 1,00 Euro und Kinder (6-15 Jahre) 0,50 Euro p.P., für eine Hin- und Rückfahrt zahlen Erwachsene 1,50 Euro und Kinder (6-15 Jahre) 1,00 Euro p.P..
Frank meint
Wunderbar, Patrick. Ein schönes Ausflugsziel. Wie lange benötigt man etwa mit dem Fahrrad von Papenburg zur Pünte? Bei uns gibt es übrigens etwas ähnliches. Die (teilweise) handbetriebenen Fähren heißen hier Prahmfähren und führen in der Nähe von Stade über den Fluss Oste. http://www.urlaubsregion-altesland.de/erlebnisse/fuehrungen-touren-und-ausfluege/schiffsausfluege-faehren.html
Patrick meint
Hallo Frank! Freut mich, dass Dir mein Beitrag gefällt. Wenn ich bei Euch in der Gegend bin, werde ich mir Eure Prahmfähren gerne einmal anschauen. Güße aus Papenburg
Angelika Revermann meint
Mit solchen Zielen lassen sich auch Kinder zu einer Radtour motivieren. Danke für den Tipp.
Nicht „handgemachtes“ Übersetzen sondern mit moderner Solartechnik geht´s für Radfahrer und Fußgänger in der Nähe von Verden über die Aller :http://www.otersen.de/allerfaehre/
Patrick meint
Hallo Angelika! Für Kinder ist das sicherlich ein ganzh besonderes Highlight! Solarbetrieben klingt auch sehr interessant, vielen Dank für den Tipp! Grüße aus Papenburg