Ein Trend, der mir zum ersten Mal im Italienurlaub begegnet ist, ist die Slow Food Bewegung. Zurück in Braunschweig stieß ich dann immer wieder auf den Begriff: Slow Food war schon längst in der Löwenstadt angekommen. Slow Foodies, so die Selbstbezeichnung, bekennen sich zum bewussten, genussvollen Essen. Wichtig ist ihnen, darauf zu achten, woher das Essen kommt und wie es verarbeitet ist. Denn je stärker verarbeitet, desto mehr chemische, manchmal auch gesundheitsschädliche Stoffe wandern in den Körper. Aber es geht ihnen auch um große gesellschaftliche Themen wie Massentierhaltung, Überfischung, Überdüngung. Entwicklungen, die wider der Natur sind und in letzter Konsequenz dem Klima schaden.
Der beste Ort, um mich über Slow Food zu informieren, ist einer der vielen Wochenmärkte in Braunschweig. Der älteste und traditionsreichste Wochenmarkt der Löwenstadt findet jeden Mittwoch und Samstag von 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr auf dem Alstadtmarkt statt. Bereits vor 800 Jahren wurden die Marktbuden auf dem Kopfsteinpflaster, umrundet von der Kulisse des Altstadtrathauses und der St. Martini-Kirche erstmals erwähnt. Heute kann ich hier aus einer riesigen Warenvielfalt von rund 50 Verkaufsständen wählen. Und beste Gesprächspartnerin für meine Recherche ist Regina Oestmann. Sie ist Convivienleiterin der Slow Food Gruppe Braunschweiger Land und hat außerdem lange Zeit als Köchin im La Vignia Braunschweiger:innen und Gäste köstlich mit regionalen Lebensmitteln bekocht.
Die Mischung macht´s
Was mir gleich auffällt: Regina Oestmann will niemanden bekehren. Ich hatte mir für unser Gespräch provokante Fragen überlegt, aber die wischt sie mit einem Lachen weg. „Die Mischung macht´s“, sagt sie dann. Ob Fleisch oder Fisch, ob bio oder konventionell, ob Apfel oder Avocado, alles ist erlaubt. Wenn die Mischung stimmt.
Ich möchte von Regina Oestmann wissen, was denn im Sinne des Slow Food die richtige Mischung sei. „Das liegt ganz an Ihren Vorlieben. Wichtig ist, dass Sie bewusst essen und einkaufen. Weniger ist mehr, nicht so viel Fleisch, nicht so viel Fisch, besser das Brötchen vom Bäcker, das vielleicht etwas kleiner ist, dafür aber nicht mit Emulgatoren künstlich aufgebläht wird. Was hat gerade Saison, was wird hier regional angebaut. Hier werden oft weniger Pestizide eingesetzt als in anderen Teilen der Welt. Am besten fragen Sie sich: Was und wie hat Oma gegessen?“
Dabei muss ich nicht verzichten. „Erlaubt ist, was schmeckt“, sagt Regina Oestmann, und dass ich natürlich auch Ausnahmen machen könne. „Fragen Sie sich, wo bin ich konsequent, wo und wie oft mache ich eine Ausnahme. Natürlich wandert auch mal eine Avocado in meine Einkaufstasche, aber nicht täglich, sondern als Genussmittel.“ Das Tolle an saisonalem Essen, erzählt sie weiter, sei ja, dass man sich auf die einzelnen Produkte freuen könne. Erdbeeren, Spargel, Grünkohl – alles hat seine Zeit und dann sei auch die Freude groß.
Bewusst essen – Slow Food leben
Im Slow Food geht es um die Werte regional, saisonal, fair, gut, sauber und kurze Wege. Das kann einem schon mal überfordern. Aber im Zweifel, sagt Regina Oestmann, fragt man einfach nach. Auf einem Markt ist das viel einfacher als im Supermarkt. „Sie merken schon, wie die Bauern reagieren. Wenn die wissen, woher das Fleisch kommt oder auf welchem Feld das Gemüse stand, dann wissen Sie, dass es regional angebaut wurde. Ob bio oder konventionell steht dabei erstmal nicht im Vordergrund. Auch konventionell angebautes Gemüse kann besser sein als Bioware aus Spanien.“ Und wer im Supermarkt einkauft, kann auf die Zutatenliste schauen: „Da vergeht mir manchmal der Appetit, wenn ich sehe, was da alles drinsteckt“, grauselt es der Köchin.
Sie selbst hat erlebt, dass nach Slow Food-Standards hergestellte Lebensmittel gesünder sind. Die Milchprodukte eines regionalen Milchproduzenten, der seinen Stand auch auf dem Markt am Franzschen Feld in Braunschweig hat, können sogar Milch-Allergiker vertragen – wie ihr Sohn. Und so geht es mit vielen Lebensmitteln. Deshalb geht sie selbst häufig auf dem Markt einkaufen. Sie kenne aber auch das Vorurteil, man müsse sich den Marktbesuch erstmal leisten können. Das lässt sie nicht gelten: Auf dem Markt kauft man nur die Menge, die man wirklich braucht – und vermeidet so Essensreste. Statt der glänzenden Äpfel ohne Makel könne man auch die 2. Wahl-Äpfel kaufen, die deutlich günstiger sind. Auch hier gilt wieder: Die Mischung macht´s.
Wenn ihr mehr über die Slow Food Bewegung und deren Werte erfahren wollen, stöbet einfach auf der sehr umfassenden Internetseite. Dort findet ihr auch einen regionalen Einkaufsführer für Slow Food im Braunschweiger Land. Und bei eurem nächsten Braunschweigbesuch solltet ihr unbedingt auch einen der herrlichen Märkte besuchen.
Artikelbild: Braunschweig Stadtmarketing GmbH
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