In Wilhelmshaven findet sich Kunst an jeder „Hausecke“
Wie schon einst Pablo Picasso sagte: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“ und dieser Aussage kann ich nur zustimmen.
Umso größer ist die Freude, dass es in Wilhelmshaven viel Kunst unter freiem Himmel zu bestaunen gibt. Schon auf meinem Weg zur Arbeit fahre ich an einem großen Wandgemälde, einem sogenannten „Mural“ vorbei. Darauf zu sehen ist unter anderem die Kaiser-Wilhelm-Brücke. Es wurde vom ortsansässigen Künstler Burkhart „Buko“ Königshoff gemalt und befindet sich an der Seite eines Mehrfamilienhauses am Banter Weg 112, direkt neben einer Tankstelle.
Er hat auch viele weitere Fassaden und Mauern mit Gemälden verschönert, darüber haben wir hier 2016 schon einmal berichtet. Für mich ist das eine besondere Note der Stadt.
Obwohl es eher unüblich ist, einem mehrere Meter großen Bild mitten in der Stadt gegenüberzustehen, gehören sie zum besonderen Stadtbild Wilhelmshavens.
Pflastersteine und Hauswände als Leinwand
Das StreetArt Festival wird seit 2011 in Wilhelmshaven ausgerichtet, in der Fußgängerzone kreieren Künstler aus aller Welt bunte, verrückte und beeindruckende Malereien auf den Pflastersteinen. Ein Wochenende lang haben sie Zeit ihre vergänglichen Kunstwerke zu vollenden. Am Ende werden die Besten in einer Siegerehrung geehrt. 2019 sind während der Veranstaltung auch zusätzlich Murals an Hauswänden entstanden. Ihr rechnet vermutlich nicht mit einem solchen Bild, doch dann werdet ihr angenehm überrascht von außergewöhnlichen Motiven und farbenfroher Gestaltung. Eins davon ist im Stadtnorden direkt neben der Autobahn, das kann ich aus meinem Auto schon von weitem erkennen. Auf einem Firmengelände in Voslapp hat die Künstlerin „JDL Street Art“ ihr Motiv auf ein 14 Meter hohes Silo gebracht. Die Idee ist ihr gekommen, als sie eine Kollegin eines Morgens unter einem Stapel Zeitungen auf dem Boden fand.
Sie ist Niederländerin, ebenso wie der Künstler des zweiten Bildes „The Girl with the Violin“. Martin Plag alias „FISH“ hatte das Motiv schon länger im Kopf und hat sich gefreut, es 2019 endlich an eine Wand bringen zu können. Sein Mural ist in der Stadtmitte zu finden, wenn ich dorthin eine Fahrradtour mache und beim schönen Kurpark angekommen bin, kann ich einen kleinen Abstecher nach Norden machen und sehe in der Ulmenstraße das Mädchen mit der Violine in der Hand. Für die nächsten Murals schwinge ich mich wieder auf den Sattel und fahre circa sieben Minuten die Bismarckstraße entlang Richtung Westen.
Neue Murals in Wilhelmshaven
Ich biege in die Werftstraße ab und bin nun bei den neusten Wandgemälden in Wilhelmshaven angekommen. Normalerweise hätten wir 2020 auf solche Bilder verzichten müssen, aber zwei in der Szene sehr bekannte Künstler zauberten trotz allem kreative Motive an Hauswände.
Die mexikanische Künstlerin Adry del Rocío ist seit 2012 immer beim Festival dabei und überzeugt jedes Jahr wieder mit ihrer Kreativität und ihrem außergewöhnlichen Talent. Trotz des pandemiebedingten Ausfalles des Festivals in 2020, malten sie und der Niederländer Ruben Poncia 2020 je ein Mural in Wilhelmshaven.
Statt der sonst oft maritimen Themen sind es außergewöhnliche Motive. Sie haben beide eine besondere Intention, so möchte Ruben Poncia an den amerikanischen Musiker Leadbelly erinnern und benennt sein 10x15m großes Gemälde passenderweise nach seinem Song „The Midnight Special“.
„The Midnight Special“ von Ruben Poncia © Katharina „Renaissance“ von Adry del Rocío © Adry del Rocío
Wenn ich mein Fahrrad nur ein Haus weiter schiebe, finde ich in der Werftstraße 156/158 das 11×11,50m große Gemälde von Adry del Rocío, welches sie „Renaissance“ genannt hat. Ihre Botschaft bezieht sich auf unsere aktuelle Situation. Sie appelliert, dass wir uns alle Gedanken machen, wie es mit uns weitergehen soll und welchen Weg wir als Menschen einschlagen wollen. Verantwortungsbewusstsein und Wertschätzung für die Natur und andere Lebewesen spielen für sie eine große Rolle, wie auch auf dem Gemälde deutlich wird.
Vom 06.- 08. August 2021 ist das Internationale Street Art Festival hier bei uns geplant, wir hoffen alle, dass es dieses Jahr möglich sein wird, die vielen Künstler zu begrüßen und deren Werke bewundern zu können.
Oben seht ihr ein Wandgemälde, welches Wilhelmshaven perfekt wiederspiegelt. Die Vorlage hierfür ist bei einem Wettbewerb entstanden, die Schüler des Freien Gymnasiums Wilhelmshaven gewannen mit einer Collage aus Wilhelmshavens Wahrzeichen und wichtigen Orten. Ihr seht darauf die Kaiser-Wilhelm-Brücke, das Rathaus, das Stadttheater, das Aquarium am Südstrand und mehr. Es wurde von drei Künstlern in 2019 gemalt, Gregor Wosik, Aziz Elgart und Anna Mrzyglod.
Eine Zeitreise auf Verkehrsschildern
Nun findet ihr aber nicht nur „offizielle“ Kunst in Wilhelmshaven. Bei genauerem Hinsehen und wenn man weiß, wonach man suchen muss, fallen euch plötzlich viele kleine Details auf.
So sind auf manchen Verkehrsschildern bei uns die Rückseiten nicht einfach grau, sondern aufgepeppt mit PixelArt in Form von Comicfiguren und Videospielcharakteren. Nicht, dass ich Vandalismus befürworte, aber unter uns gesagt, ich finde diese Art von Kunst echt genial und die Macher schaffen es immer wieder, mich zum Schmunzeln zu bringen 🙂
Eine raffinierte Stelle, finde ich. Wo unsereins beim Autofahren eigentlich nur auf uns zugewandte Straßenschilder achtet, versteckt sich direkt dahinter etwas Außergewöhnliches. Verantwortlich dafür ist eine Gruppe aus unserer Stadt, als „saylove.whv“ auf Instagram zu finden. Sie ist auch in anderen Städten aktiv, beispielsweise in Oldenburg und Leer. Bereits seit acht Jahren beklebt sie die Schilder mit ihren eigens erstellten Motiven. Wie oben erwähnt, beschränken sie sich dabei auf Figuren aus älteren Videospielen und Comics, zum Beispiel aus Scooby Doo oder Mario. Die Intention dahinter ist, den Menschen, die die kleinen Kunstwerke entdecken, ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Die außergewöhnliche Gestaltungsweise ist eine Hommage an die späten 80er und 90er. Gerade Kinder, die in dieser Zeit großgeworden sind, erkennen viele der Designs wieder. Bei Gelegenheit mache ich mich auf eine kleine Entdeckungstour und schaue hinter jedem Verkehrsschild nach. Damit kann ich gleich hier anfangen, denn direkt neben unserem Firmengebäude steht eines, auf dessen Rückseite Dagobert Duck klebt.
…und noch mehr Kunst in der Stadt
Unabhängig von Straßenschildern könnt ihr auch in der Stadt an Mauern und Hauswänden kleine (oder große) Kunstwerke betrachten.
Sie stammen aus der „Feder“ vom Wilhelmshavener Künstler Yety.
Yety‘s Leinwand ist die ganze Stadt, bei der Heppenser Kirche findet man seine Spuren, auf dem Parkplatz eines Restaurants und an vielen weiteren Stellen.
Bei einem Einkaufsbummel zum Drogeriemarkt ist dieses kleine Kunstwerk zu entdecken. Ein auf den ersten Blick relativ unscheinbares Tierchen, doch die pinke Schrift erregt sofort Aufmerksamkeit. Der Slogan und das Bild bringen die Wilhelmshavener zum Schmunzeln, denn es versteckt sich ein Wortspiel dahinter. Heppens ist ein Stadtteil von Wilhelmshaven.
Kunst, die zum Nachdenken anregt
Wo die oben gezeigten Bilder eher lustig anmuten und mit Humor überzeugt haben, ist dieses sehr ernst.
Eine Besonderheit mit versteckter Bedeutung. Poseidon sitzt auf einem Thron aus Abfällen aller Art. Ein sehr kritisches kleines Kunstwerk, was es aber umso besser macht. Es ist direkt an der Nordsee zu finden, eine passende Location, um subtil auf einen solchen Missstand hinzuweisen.
Der Künstler Yety sagt von sich, dass ihm die Kunst am wichtigsten ist und es dabei nur in zweiter Linie um den Künstler geht. Um die Menschen zu sensibilisieren und auf Probleme hinzuweisen, wie in dem oben gezeigten Motiv mit Poseidon.
Eine unscheinbare Gegend, aber eigentlich genau richtig. Seine Designs an zufälligen und manchmal nicht direkt einsehbaren Orten zu hinterlassen, lädt zum aktiven Hinschauen ein und erregt auf jeden Fall Aufmerksamkeit.
Ich habe gelernt, dass ein wenig mehr Aufmerksamkeit im Alltag schöne Dinge hervorbringen kann. Wir sehen über vieles einfach hinweg, im wahrsten Sinne des Wortes.
Also trotzt eventuellem Schietwetter, wie es bei uns heißt, und geht raus und erkundet eure Stadt. Vielleicht entdeckt ihr ja auch die ein oder andere künstlerische Subkultur.
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