Wenn ich in einer fremden Stadt bin, besuche ich gern Aussichtspunkte, um mir aus luftiger Höhe einen Überblick zu verschaffen. Lohnenswert ist das in jedem Fall auch in der eigenen Stadt: Die Blickrichtung wechseln, Altvertrautes und Neues entdecken – immer wieder faszinierend. Mit meinen Tipps für Aussichten aus der Vogelperspektive könnt Ihr das auch erleben…
Über den Dächern der Altstadt: Aussichtsgalerie auf dem Johanniskirchturm
Die unterschiedlichen Türme der gotischen Johanniskirche prägen das Göttinger Altstadt-Panorama. Der höhere ist der Nordturm, er kann jeden Samstag um 12.00 Uhr bei einer Turmführung bestiegen werden (Eintritt 2,00 €). Diesmal bin ich dabei, um mit einigen Gleichgesinnten die fast 240 Stufen zu erklimmen.
Der Aufstieg beginnt mit einer engen, steinernen Wendeltreppe. Kurz bevor ich einen Drehwurm erleide, erreichen wir den ersten Treppenabsatz. Hier fällt der Blick zunächst auf einige verkohlte Holzbalken in einer Ecke. Die Turmführerin erklärt uns, dass dies die Reste der Kirchturmspitze sind. Sie erinnern an den verheerenden Brand, der Anfang 2005 den Kirchturm fast komplett zerstörte. Gleich daneben beschwört die Wandinschrift eines Scherzboldes auf Französisch „L‘ ESPIRIT D‘ ESCALIER‘“ – den Geist der Treppe. Grund genug für unsere Führerin, einige Räucherkerzen anzuzünden, um ihn mit dem würzigen Duft gnädig zu stimmen – unser Aufstieg soll schließlich unfallfrei bleiben.
Weiter geht es über gut begehbare Holzstiegen nach oben. Wir passieren die Glockenstube mit der größten Kirchenglocke Göttingens und erreichen ein wenig außer Atem die Turmkapelle. Sie wurde nach dem Wiederaufbau des Kirchturms Ende 2005 eingerichtet. Diese Turmstube kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Wir hören, dass hier fast 530 Jahre lang die städtischen Turmwächter über Göttingen wachten und bis 2001 auf dem Kirchturm die höchste Studentenbude Deutschlands zu finden war. Hier könnt ihr mehr über die Geschichte der Johanniskirchtürme erfahren.
Von der Turmkapelle geht es schließlich hinaus auf die Aussichtsgalerie. Nach dem schweißtreibenden Aufstieg wird man hier mit einem herrlichen 360°-Ausblick über die ganze Stadt belohnt. Mich überrascht immer wieder, wie viele versteckte grüne Oasen die Göttinger Altstadt inmitten des Häusermeers zu bieten hat. Nach einem ausgiebigen Rundblick geht es schließlich wieder hinunter auf den Johanniskirchhof. Und tatsächlich: Das Räucheropfer hat auch diesmal geholfen, alle haben den Turmauf- und –abstieg ohne Stolpern bewältigt…
Hoch über der Stadt: Blick ins Leinetal vom Bismarckturm
Über Göttingen lugt im Osten weithin sichtbar der Bismarckturm aus dem Stadtwald. Vom höchsten Punkt des Stadtgebiets (323 m über NN) bietet sich vom Hainberg ein grandioser Blick über das Leinetal und die Göttinger Stadtteile, an klaren Tagen sogar bis in den Harz und das nordhessische Bergland.
Ich mache mich an einem Sonntagvormittag auf den Weg. Vom Parkplatz am Ende der Bismarckstraße folge ich zu Fuß dem Schild Richtung Bismarckturm. Vorbei am Hainberg-Observatorium, erreiche ich den Turm nach knapp 10 Minuten. Nachdem ich meine Eintrittskarte gekauft habe, beginnt der Aufstieg. Die Wendeltreppe (am Schluss zähle ich 171 Stufen) führt zunächst bis zum Bismarck-Gedächtniszimmer im 1. Stock. Blickfang ist hier eine Bronzebüste des Reichskanzlers Otto von Bismarck, der Namensgeber des Turms.
Weiter geht es auf die erste Aussichtsplattform. Von hier ist die Innenstadt aufgrund der hohen Bäume nicht sichtbar, nach Süden eröffnet sich aber schon ein vielversprechender Weitblick. Also steige ich hinauf bis zur oberen Turmplattform. Hier empfangen mich ein kräftiger Wind sowie ein atemberaubender Ausblick über die ganze Stadt und das Leinetal. Infotafeln erläutern, worauf der Blick in jeder Himmelsrichtung fällt. Ganz am Ende dieses Beitrags gebe ich Euch noch einige nützliche Informationen zum Bismarckturm.
Nichts für schwache Nerven: Aufstieg auf den Jacobikirchturm
Auch Göttingens höchster Kirchturm (72 m), der Turm der Jacobikirche an der Weender Straße, kann während der Öffnungszeiten der Kirche (in der Regel täglich von 11.00 – 15.00 Uhr) bestiegen werden. Zunächst meldet man sich bei der Kirchenaufsicht an und entrichtet den Eintritt (2,00 €/ Kinder 1,00 €). Rucksäcke und Taschen sollten abgegeben werden, denn beim Aufstieg muss man beide Hände zum Festhalten freihaben, so lautet die Einweisung, bevor man auf den Turm gehen darf.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass dies nichts für schwache Nerven ist, man muss trittsicher und schwindelfrei sein. Aber wenn man sich Zeit lässt und stets nur nach oben schaut, klappt es – zumindest bei mir. Zunächst geht es über eine steinerne Wendeltreppe bis auf die Höhe des Dachstuhls. Danach führen mehrere schmale, steile Holzstiegen hinauf in die Turmstube. Vorbei geht es an der Turmuhr, dem Glockenspiel und den Glocken. In der Turmstube erlauben Fensterluken den Blick in alle vier Himmelsrichtungen. Außerdem erläutern einige Infotafeln die Baugeschichte des Turms.
Geheimtipp: Aussichtspunkt Rathauskantine
Der Johanniskirchturm und der Bismarckturm sind nur am Wochenende geöffnet, der Aufstieg auf den Jacobikirchturm ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Deshalb gibt es von mir noch einen Geheimtipp für einen Super-Ausblick auf Göttingen: Die Kantine im 16. Stock des Neues Rathauses (Hiroshimaplatz 1-4).
Zu den Öffnungszeiten der Kantine (Mo-Do 7.30-14.00, Fr 7.30-13.30 Uhr) kann man mit dem Aufzug ganz bequem nach oben fahren und von der großen Fensterfront den Blick über die Altstadt schweifen lassen. Übrigens: hier sind nicht nur die Mitarbeiter der Stadtverwaltung, sondern auch Gäste zum Essen willkommen.
Bismarkturm Info und Anfahrt:
Geöffnet: April – September, Samstag, Sonntag und feiertags 11.30 – 18.00 Uhr. Eintritt 2,00 € / 1,00 € für Kinder
Mit dem Auto: an den Schillerwiesen vorbei über die Bismarckstraße bis zum Parkplatz am Kehr.
Mit dem Stadtbus: Linien 71 + 72 ab „Kornmarkt“ bis „Hannah-Vogt-Straße“, ca. 20 Minuten Fußweg. Linie 73 ab Haltestelle „Markt“ an den Wochenenden von April bis Oktober einmal stündlich direkt bis zum „Kehr“, ca. 10 Minuten Fußweg.
Weitere Ausflugsziele am Kehr: Biergarten, Wildgehege mit Wildschweinen und Damwild, Startpunkt zahlreicher Wanderwege
Weitere Informationen über den Bismarckturm gibt es auf der Seite der Stadt Göttingen und unter www.bismarcktuerme.de
Regina meint
ein toller Bericht über meine Heimatstadt. Danke für die schönen Fotos!
JJ meint
Mir geht es ähnlich, wenn ich in eine Stadt komme und einen Aussichtsturm sehe, dann kann ich gar nicht anders als die zwei, drei Euro zu investieren – ich muss erstmal ab nach oben. Auf diese Weise bin ich unter anderem schon auf dem Schiefen Turm von Pisa oder den Bolt Tower in Ostrava (Tschechien) gelandet. Gut zu wissen, dass ich damit nicht der einzige mit dieser Eigenschaft bin. : )
Auf dem Jacobikirchturm und dem Bismarckturm war ich auch schon. Die Johanniskirche nehme ich mir demnächst auch mal vor. Danke für diesen schönen Bericht.
Michaela meint
Schön, dass ich Dich inspirieren konnte. Auch der Aufstieg auf den Johanniskirchturm lohnt sich. Viel Spaß dabei.
LG aus Göttingen, Michaela
H.W. meint
Ist der Aufstieg für Schulklassen empfehlenswert und sicher?