Hann. Münden an einem nicht allzu kühlen Dezemberabend. Es ist dunkel und ruhig hinter dem Rathaus in der Altstadt. Plötzlich ein Geräusch: ein Horn. Aus dem Schatten der Dunkelheit tritt eine dunkle Gestalt hervor: der Mündener Nachtwächter. Er schreit durch die Gassen: „Liebe Leute lasst euch sagen die Uhr hat gerade 9 geschlagen …“. Es ist eigentlich erst 18 Uhr und die teilnehmenden Gäste schauen verwundert auf ihre Uhr. Ich dagegen freue mich, dass es endlich soweit ist. Schon immer wollte ich mal einen Nachtwächterrundgang mitmachen. Heute habe ich nun Gelegenheit dazu und der Rundgang beginnt spannend und vielversprechend.
Der Nachtwächter stellt sich und seine Utensilien kurz vor. Immer dabei hat er das Horn, die Hellebarde und natürlich eine Lampe. Außerdem hat er zwei Ratten dabei. Und auch etwas „neuzeitliches“ darf nicht fehlen: Das Ding oder Technik wo Licht raus kommt (denn Taschenlampen gab es ja früher noch nicht). Einer der Gäste bekommt die ehrenvolle Aufgabe dieses Ding, was heutzutage Taschenlampe genannt wird, zu tragen. An den verschiedenen Sehenswürdigkeiten wird es dann angeschaltet, so dass trotz Dunkelheit viele Details sichtbar werden. Die Hellebarde muss abwechselnd von den Gästen getragen werden, denn der Nachtwächter braucht freie Hände für die interessanten Erklärungen und Gesten. Nachdem der Nachtwächter die Teilnehmer in ihre nächtlichen Aufgaben eingewiesen hat, wird eins schnell klar: Dies wird kein gemütlicher Stadtbummel und auch kein Kaffeekränzchen. Schließlich sind wir im Dienst, sagt der Nachtwächter.
Zunächst zeigt uns der Nachtwächter das Rathaus und die untere Rathaushalle. Dabei betont er, dass das Rathaus eine der repräsentativsten Bauten der Weserrenaissance in Niedersachsen ist. Vor dem Rathaus haben sich immer die Wanderarzte – wie z.B. der berühmte Doktor Eisenbart – getroffen. Und wenn die Wanderärzte zu nächtlicher Stunde nicht aufhörten zu erzählen, dann verlangte der Nachtwächter Schweigegeld und Münzen. Der Nachtwächter fragt in die Runde wer wohl früher zuerst gerettet wurde: das Schwein oder das Kind? Richtige Antwort ist das Schwein, denn es konnte geschlachtet werden. Eine solche Szene sieht man in der unteren Rathaushalle, wo die Stadtgeschichte in Bildern dargestellt ist. Auch das Verließ an der Seite des Rathauses darf beim Nachtwächterrundgang natürlich nicht fehlen.
In schnellen Schritten eilen wir weiter durch die dunklen und weihnachtlich geschmückten Gassen der mittelalterlichen Altstadt in Hann. Münden. Wir stoßen auf eine sogenannte Nische, ein Zwischenraum zwischen zwei Fachwerkhäusern. Der Nachtwächter öffnet sie sogar extra für uns und berichtet, dass hier früher der Unrat abgeladen wurde und dies auch ein Grund für die Pest im Mittelalter war.
Wieder ertönt das Horn des Nachtwächters und es geht in strammem Marsch weiter. Immer nach diesem Signal sagen wir zusammen mit dem Nachtwächter den Spruch „Liebe Leute lasst euch sagen die Uhr hat gerade 9 geschlagen …“. Die Uhren gehen laut Nachtwächter anders in Münden. Der Nachtwächter betont, dass wir zu bestimmten Zeiten an bestimmen Orten sein müssen. Unterwegs begegnen wir einer Jugendgruppe und einer sagt: „Alter, sieht der cool aus“. Der Nachtwächter schimpft über die vielen Fuhrwerke (heute auch Autos genannt) auf den Straßen, betont aber auch, dass einige Autos mit bestimmten Kennzeichen nie hupen und nichts gegen Besucher haben, andere vielleicht schon.
In schnellen Schritten eilen wir weiter zum Welfenschloss. Hier erläutert und zeigt der Nachtwächter mit seinem Licht einige architektonische Besonderheiten. Plötzlich hören wir ein anderes Horn und Lärm. Offensichtlich ein weiterer Nachtwächterrundgang. Die Nachtwächter grüßen sich freundlich und tauschen sich mit Ratten aus. Ratten waren früher sehr wertvoll. So gab es sogar Rattenschwanzfanggeld. Wir erfahren aber auch noch von anderen Einnahmequellen wie Stapelrecht, Pflastergeld und Brückengeld. Und passenderweise erreichen wir die Werrabrücke, eine der ältesten Steinbrücken Norddeutschlands.
Weiter geht es durch dunkle Gassen und vorbei an interessanten und prunkvollen Fachwerkbauten. Unser Nachtwächter gibt hierzu umfassende und gute Erklärungen. Vorbei an der St. Blasius Kirche und den Wasserpuren des Expo2000-Projektes erreichen wir den Mündener Weihnachtsmarkt. Der Nachtwächter rät uns noch zu einem anschließenden Glühwein zum Aufwärmen. Der Weihnachtsmarkt ist immer bis 19 Uhr (bzw. 21 Uhr Ausschank) bis zum 23.12. geöffnet. Wieder ertönt das Horn des Nachtwächters. Die Gäste werden gefragt wie spät es wohl jetzt sei. Na immer noch 9? Natürlich nicht – wie lange soll der Rundgang denn noch gehen? Jetzt hat es 12 geschlagen – das Dienstende des Nachtwächters und offensichtliche Ende des Rundgangs. Die Gäste sind nicht nur vom Nachtächter begeistert, sondern auch von der mittelalterlichen Fachwerkstadt. Und alle wollen noch ein Foto oder Selfie mit dem Nachtwächter, der dann übrigens auch einige Münzen erhält. Am Ende verabschiedet sich der Nachtwächter mit einem Gute-Nacht-Spruch und ich muss zugeben: ich bin auch etwas müde, aber begeistert von den vielen interessanten Anekdoten und Geschichten:
„Liebe Leute lasst euch sagen, die Uhr hat 12 geschlagen. Bewahrt das Feuer und das Licht. Macht alle Türen und Fenster dicht. Her mit deiner Güte und Macht. Schenk uns eine gute Nacht“
Wer jetzt auch Interesse an einem Nachtwächterrundgang hat, findet weitere Infos hier: www.hann.muenden-erlebnisregion.de Am 30.11.2016 um 17 Uhr sowie am 7., 14., und 21. Dezember 2016 um 18 Uhr finden die Nachtwächterrundgänge in Hann. Münden statt. Für Gruppen jederzeit auf Bestellung.
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