In Wolfenbüttel verlässt man gerne einmal neue Wege und wandelt auf den Spuren alter Wege. In diesem Fall entführen uns diese in eine Zeit als die Stadt ganz im Zeichen von Gärtnereien und landwirtschaftlichen Betrieben stand. Die Straße „Alter Weg“ führt mich heute auf eine Entdeckungstour der besonderen Art. Abseits des Trubels der Hauptstraße hält der allseits beliebte Fuß- und Radfahrweg Richtung Braunschweig einige tolle Sehenswürdigkeiten bereit, mit denen ich inmitten der Wolfenbütteler Geschäftigkeit nicht gerechnet hatte. Los geht es an einem sonnigen Donnerstagnachmittag: Als ich vom „Grünen Platz“ ein Stück auf der Straße „Neuer Weg“ unterwegs bin, nehme ich die erste Abzweigung nach links und bin direkt am Anfang des kleinen Abenteuers inmitten der City.
Flanieren und entspannen im Zeichen der einstigen Gärtnerstadt
Wolfenbüttel ist als Residenzstadt und Lessingstadt bekannt. Doch was viele nicht wissen: Wolfenbüttel ist auch die Stadt der Gärtner. Bereits 1532 fanden erste Gärten vor den Festungsanlagen der Stadt Erwähnung. Bis 1645 stieg die Zahl auf rund 111 Gärten. 1733 wurden Schloss und Garten von Antoinettenruhe für die Herzogin Antoinette Amalie errichtet. Das einstige Lustschloss befand sich am südwestlichen Rand des Lechlumer Holzes, also unweit des „Alten Weges“. Der Garten war dabei dem Wolfenbütteler Schloss zugewandt und umfasste Teile des Waldes.
Im Laufe der Jahre nahm der Gärtnerei- und landwirtschaftliche Betrieb deutlich zu und zog damit weitere Industriezweige an. 1873 wurde die Konservenfabrik Busch, Barnewitz & Co. eröffnet, die bis 1980 ihre Pforten geöffnet hatte. Erst vor einigen Jahren fand man eine 134 Jahre alte Konservendose aus der ehemaligen Konservenfabrik und öffnete sie in einem Braunschweiger Lebensmittellabor. Genießbar war der Eintopf allerdings nicht mehr, was Schimmel und muffiger Geruch belegten.
Der Erwerbsgartenbau entwickelte sich in dieser Zeit zu einem starken Wirtschaftsfaktor der Stadt Wolfenbüttel und die Streckhöfe prägten das Stadtbild. Das angebaute Obst und Gemüse verkauften die Bauern auf dem Wochenmarkt oder ließen es in der Konservenfabrik verarbeiten. Nach 1945 sank die Zahl der Gärtner durch neue Berufsstände und Wohnbauarten. Im Laufe der Jahre bis heute mussten viele gärtnerische Anbauflächen dem Bauland weichen. In einigen Ecken, so wie auf dem „Alten Weg“ wird die Tradition noch aufrechterhalten, wie ich noch feststellen werde. Einen ersten Hinweis erhalte ich beim Landhaus Dürkop, welches ich nun erreiche.
Landhaus Dürkop
Das Landhaus Dürkop ist ein familiengeführtes Hotel im Landhausstil und liegt hier auf dem „Alten Weg“ ruhig und dennoch in 10 Gehminuten zum Zentrum zentral und stadtnahe. Die gemütlichen Zimmer sind mit allem ausgestattet, was ihr für eine erholsame Übernachtung braucht und eine Sauna sowie ein Solarium laden zum Entspannen ein. Der Name des drei Sterne Hotels erinnert dabei an eine ehemalige Obst- und Gemüsegärtnerei, die sich von 1754 bis 1978 auf dem Grundstück befand.
Das Landhaus Dürkop ist der ideale Ausgangspunkt, um die Highlights der Lessingstadt, wie das einmalige Schloss Wolfenbüttel, die Herzog August Bibliothek oder das Lessinghaus zu entdecken. Oder ihr könnt euch von hier in Richtung Braunschweig aufmachen, um das Residenzschloss, den Altstadtmarkt und das Magniviertel zu erkunden.
Pöligs Gemüsescheune
Weiter geht es auf dem „Alten Weg“ und nach wenigen Metern erreiche ich schon den nächsten sehenswerten Halt auf meiner Flanierrunde. Pöligs Gemüsescheune ist eine der letzten von einst 150 Erwerbsgärtnereien im Stadtgebiet. Auf rund 7 Hektar baut Hans-Martin Pölig alles an, was das Herz begehrt: frisches Gemüse, leckeres Obst und wunderschöne Blumen.
Die QS-zertifizierte Gärtnerei ist dabei weit mehr als ein reiner Anbaubetrieb – bei Pöligs trifft sich halb Wolfenbüttel gerne bei Wein, Bier und Bratwurst zu einem Plausch und kann sich beim Hofverkauf mit allerlei frischen Köstlichkeiten vom Felde eindecken. Ein Weinhändler, ein Fischfeinkost-Anbieter und ein kulinarischer Grillstand runden dazu das Angebot ab. Für echte Fans der Gemüsescheune warten sogar T-Shirts mit Logo darauf getragen zu werden.
Gärtnermuseum Wolfenbüttel
Für mein nächstes Ziel verlasse ich zeitweise den „Alten Weg“ und biege direkt rechts nach Pöligs Gemüsescheune in den Mittelweg ein, um dann nach ein paar Metern den „Neuen Weg“ zu beschreiten. Auf der rechten Seite findet sich das einzigartige Gärtnermuseum Wolfenbüttel. Der lebendige Ort erzählt die Geschichte der mehr als 300-jährigen Tradition der für Wolfenbüttel typischen Streckhöfe. Für das Museum wurde einer der wenigen, verblieben Streckhöfe der Lessingstadt saniert.
Die besondere Bauform ist bekannt für die hintereinander gebauten Wohn-, Stall- und Scheunengebäude. Der Streckhof des Gärtnermuseums am „Neuen Weg“ existiert laut einer Inschrifttafel bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts und zeigt sich als Fachwerkkonstruktion, die so ursprünglich wie möglich erhalten werden soll.
Steckhöfe werden heute kaum noch errichtet und damit ist das Gärtnermuseum eine echte Rarität. In den liebevoll eingerichteten Räumlichkeiten präsentieren sich zahlreiche Dokumente, Bilder und Arbeitsgerät und entführen neugierige Besucher in längst vergangene Zeiten. Weiterhin findet ihr hier Ausstellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, spannenden Aktionen und Projekten, in denen ihr live das Leben auf einem Streckhof erfahren könnt. Ob Schulklassen, Kindergartengruppen, Gartenliebhaber oder Besucher aus fernen Ländern – das Gärtnermuseum ist ein Ort der Begegnung mit einer Tradition in Wolfenbüttel, die es zu bewahren gilt. Geöffnet ist das Museum immer nur an ausgewählten Tagen.
Gärtnertradition abseits des „Alten Weges“
Auch in anderen Teilen der Stadt lassen sich Spuren der Gärtnertradition finden, wie vor der St. Trinitatiskirche am Holzmarkt. Hier findet ihr das beliebte Gärtnerehepaar, ein Gärtnerdenkmal, das von dem verstorbenen Künstler Frijo Müller-Belecke aus Hemmoor geschaffen wurde. Während die Dame einen Korb mit Feldfrüchten trägt, hält der Gärtner ein sogenanntes Schüffeleisen in den Händen. Dieses diente einst dazu, Wildkräuter aus den Gemüsepflanzen zu entfernen. Bewundern könnt ihr diese Gerätschaft im Gärtnermuseum. Selbst der Standort der glücklichen Gärtner ist kein Zufall – gilt die Trinitatiskirche gemeinhin als Gärtnerkirche.
Und so geht mein Weg für heute zu Ende und ich bin um einiges an Wissen reicher. Wolfenbüttel ist wie eine Überraschungstüte und so bin ich gespannt, welche spannenden Geschichten mich noch erwarten.
thiyer meint
Meine lieblings Stadt- WOLFENBUETTEL