Mein Freund Thanh kommt aus Ho Chi Minh City und arbeitet gerade an seine Doktorarbeit an der Göttinger Universität. In den letzten Jahren sind wir ein gutes Reiseteam geworden und haben zusammen u. a. Rothenburg ob der Tauber, Dresden, Kopenhagen und Paris erobert. Nun stellen wir uns der Aufgabe an einem Wochenende Braunschweig zu erobern, allerdings unter der Prämisse nicht mehr als 200,- € für uns beide auszugeben. An einem schönen Augusttag steigen wir in den Regionalzug und starten das Abenteuer, ich mit meinem Deutschlandticket in der Tasche, Thanh mit seinem Studentenausweis, mit dem er in ganz Niedersachsen alle Züge außer ICs und ICEs nutzen kann.
Ein Hotel mit ganz viel Atmosphäre
Auf unserer Reise zieht Südniedersachsen und das Harzvorland an unseren Zugfenstern vorbei. Unser erstes Ziel in der Löwenstadt ist das Magni Boutique Hotel. Die Fotos, die wir bei unserer Suche im Internet gesehen haben, versprachen nicht zu viel. Das Hotel befindet sich in einem über 500 Jahre altem Fachwerkhaus in einem besonders schönen Teil der Braunschweiger Innenstadt, dem namensgebenden Magni Viertel. Wir werden sehr freundlich begrüßt und können unser Zimmer sogar schon früher beziehen als zugesagt.
Im Hotel merke ich mit wie viel Liebe das alte Gebäude restauriert wurde. Die Zimmer sind sehr modern, aber zurückhaltend gestaltet worden, so dass sich der Charme des alten Hauses voll entfalten kann. Wir stellen unsere Taschen ab und wissen bereits jetzt, dass wir uns hier sehr wohl fühlen werden – ein echter Volltreffer.
Wir verlassen das Hotel und stehen unmittelbar im belebten Magni Viertel. Kleine, individuelle Shops für Kleidung und Handwerk wechseln sich mit Cafés und Restaurants ab. Jetzt, Anfang August, stehen natürlich überall Tische und Stühle vor den Lokalen und laden zum Verweilen und zum Klönschnack mit Freunden ein.
Da ich bisher immer nur beruflich in Braunschweig unterwegs war, zieht es uns als nächstes in die Tourist-Information (TI). Dort angekommen, entdecken wir ein gemütliches, an die TI angegliedertes Café mit Braunschweiger Kaffee im Ausschank, noch mehr regionale Produkte im Shop sowie einen großen Counter mit einer freundlichen Dame dahinter. Wenige Minuten später sind wir mit einem Stadtplan ausgestattet, zahlreichen Informationen zu den Sehenswürdigkeiten und einem Geheim-Tipp für eine ganz besondere Spezialität.
Geheim-Tipp: Die Braunschweiger Mumme-Torte
Da gerade ein paar graue Wolken am Horizont aufziehen, folgen wir der Empfehlung der sympathischen Mitarbeiterin der TI und suchen das nahe gelegene Café Süßes Leben auf. Hier soll die Mumme-Torte hergestellt und zum Verzehr im Café angeboten werden. Die Mumme war im ausgehenden Mittelalter ein Braunschweiger Bier, das ein großer Exportschlager war. Heutzutage ist die Mumme ein alkoholfreier Malzextrakt, der zum Würzen von Speisen und Getränken dient. Und überraschenderweise stell ich im Café Süßes Leben fest, dass das auch mit Torte gut funktioniert. Mit der Schokolade kommt ein leicht süßlich erdiger Geschmack einher und passt bestens zur großen Tasse mit grünem Tee.
„Alltagsmenschen“ als Kunst in der Stadt
Wir schlendern nun kreuz und quer durch die Straßen, passieren den Burg- und den Domplatz, kommen in den Bereich der Shopping-Meile in der Innenstadt und landen am Kohlmarkt. Uns fallen immer wieder große Figuren auf, die an zahlreichen Plätzen stehen. Es sind Kunstobjekte, die Menschen in Alltagssituationen zeigen. Mal warten sie auf einen Bus und fügen sich perfekt ins Stadtbild ein, mal sind sie bereit in Badehose und Bikini den Gang zum Strand anzutreten und irritieren damit etwas mitten in der Braunschweiger Innenstadt. Für uns wird es an beiden Tagen, die wir in Braunschweig unterwegs sind, von nun an ein großer Spaß, möglichst viele von den „Alltagsmenschen“ dieser Kunstausstellung im öffentlichen Raum zu finden (die Ausstellung ist bis Ende Oktober zu sehen). Bevor wir ans Abendessen denken, geht es dann aber erst einmal zurück ins Magni Boutique Hotel, um uns dort etwas Auszuruhen und den Abend zu planen.
Risotto und veganer Burger in der Vielharmonie
Bezüglich unseres Abendessens habe ich mich im Vorfeld von einer Freundin beraten lassen, die seit Jahren in Braunschweig lebt und mir das Restaurant Vielharmonie am Bankplatz empfohlen hat. Noch im Hotel beschließen Thanh und ich, uns kurzfristig noch einen Tisch zu reservieren. Ein weiser Entschluss, stellen wir eine halbe Stunde fest, denn das Restaurant mit Bar ist bereits sehr gut besucht. Das Restaurant selbst beschreibt seine Essen wie folgt: Neue deutsche Küche mit Klassikern, Eigenkreationen, saisonalen und regionalen Produkten. Und bei unserem ersten Blick in die Karte erscheint uns die Beschreibung sehr passend zu sein. Nach reiflicher Überlegung entscheiden wir uns für einen veganen Burger mit Kidneybohnenpatty, Paprika-Tomaten-Sugo und Süßkartoffel-Pommes sowie Ziegenfrischkäse-Risotto mit Pfifferlingen, Mangold und Erbsen. Ein Pils der Wolters Brauerei darf dazu hier natürlich nicht fehlen, denn die größte niedersächsische Privatbrauerei hat ihren Sitz in Braunschweig.
Nach dem sehr leckeren Essen wollen wir noch nicht gleich ins Hotel zurück, sondern die abendliche Löwenstadt kennenlernen. Gleich gegenüber der Vielharmonie befindet sich das Soldekk, Braunschweigs größte Dachterrasse auf einem Parkhaus in der Steinstraße. In unterschiedlich gestalteten Sitzbereichen kann man den Blick auf die Skyline und mit Freunden ein Glas Wein oder Cocktails genießen. Auf unserem Weg in Richtung Hotel stellen wir dann erfreut auf dem Schlossplatz fest, dass der Abend noch nicht vorbei ist, denn das Sommerlochfestival ist dort gerade im vollen Gange. Dieser inzwischen traditionsreiche Abschluss des Braunschweiger CSDs beschert uns noch zwei Konzerte live on Stage und die ein oder andere eigene Tanzeinlage. Müde und froh fallen wir kurz vor Mitternacht ins Bett.
Mediterranes Frühstück
Obwohl unser Hotel von Cafés und Restaurants umringt und das Magni Viertel abends zum Ausgehen sehr beliebt ist, war es in unserem Zimmer absolut ruhig und wir konnten uns bestens für die Aktionen des zweiten Tages erholen. An einem Sonntagmorgen steht natürlich erst einmal ein ausführliches und leckeres Frühstück an. Wir entscheiden uns auf einen Tipp hin für das Frühstückslokal ein[heimisch] im Steinweg, unweit des Staatstheaters und der Oker, die später noch eine Rolle spielen soll. Wir sind ca. 10 Minuten vor Öffnung des Cafés da, müssen uns aber schon in eine kleine Schlange einreihen, die dann schnell länger wird. Aber auch ohne Reservierung bekommen wir kurze Zeit später einen schönen Tisch im [ein]heimisch zugewiesen. Das Café wurde übrigens von Ayşenur und Muhammed Demir, zwei verheirateten Studierenden aus Braunschweig, erst in diesem Jahr eröffnet. Die Frühstücksklassiker und die belegten Stullen sind stark mediterran geprägt und bieten mal etwas anderes, um in den Tag zu starten. Wir ordern einen Wohlfühlteller mit veganen Brotscheiben, hausgemachten Aufstrichen, mediterranem Gemüse und einer Tomaten-Knoblauch-Soße sowie einen Löwenteller mit Bio-Brotscheiben, Avocado, Frischkäse, Hummus und Sucukomelett und sind rundum zufrieden.
Eine kostenlose Aktion: der Botanische Garten
Da Thanh und ich uns oft im Alten Botanischen Garten in Göttingen treffen, kam uns schnell die Idee auch einmal in einer anderen Stadt eine solche Anlage zu besuchen. Praktischerweise liegt der Botanische Garten in Braunschweig kaum 10 Minuten Fußweg vom [ein]heimisch entfernt. Einmal quer durch den Theaterpark und über eine Brücke ans andere Ufer der Oker und schon stehen wir vor dem Eingang. Die Anlage wurde 1828 gegründet und wird von der Technischen Universität geführt. An seinem heutigen Standort jenseits der Oker befindet sich der Garten seit 1840. Großflächige Rabatten wechseln sich mit Flächen für Stauden und Büschen ab und mittendrin die großen Gewächshäuser mit den Exoten. Auf einer Rasenfläche mitten im Park wird gerade die Aufführung eines Kindertheaterstück vorbereitet. Die ersten Familien mit kleinen Kindern sind bereits da und warten ungeduldig auf den Start. Wir konzentrieren uns auf die schönen Gewächshäuser bevor wir unseren letzten Programmpunkt auf der Oker in Angriff nehmen.
Eine kostenpflichtige Aktion: Tretbootfahren auf der Oker
Dass der Fluss, der durch Braunschweig fließt, noch einer Rolle spielt, habe ich ja bereits verraten. Direkt neben dem Botanischen Garten gibt es einen Bootsverleih für Ruder- und Tretboote. Nach dem leckeren Abendessen gestern und dem üppigen Frühstück heute, kann etwas mehr Bewegung nicht schaden und so leihen wir uns für eine Stunde ein Tretboot aus und erfahren die Stadt vom Fluss aus. Wir sind überrascht wie viele schwimmende Objekte aller Art zu dieser Zeit bereits unterwegs sind. Neben den Tret- und Ruderbooten auch SUPs und große Flöße auf denen in größeren und kleineren Gruppen gegrillt und gefeiert wird. Vom Boot aus bietet sich ein ganz anderer Blick auf die Stadt. Immer von Grün umgeben, entdecken wir herrschaftliche Villen, Gartenoasen, Restaurants mit Bootsanleger und entspannte Spaziergänger in den anliegenden Parks. Erholung pur, bevor wir uns wieder ins Stadtleben stürzen.
Zwei Tage liegen hinter uns voller überraschender Entdeckungen, gutem Essen und freundlichen Menschen. Und unser Ziel nicht mehr als 200,- € auszugeben, haben wir trotzdem erreicht. Braunschweig, wir kommen wieder!
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