Auf der Verdener Domweih gibt es Fahrzeuge, die die Menschen durch die Luft schleudern. Ein Riesenrad, das höher ist als Häuser. Raumschiffe, die auf der Straße landen, Kindermünder mit Zuckerwatte und Eiskrem verklebt. Ein Pöttjer-Markt, auf dem man findet, was man nie vermisste. Und Verdener, die sechs Tage lang ihr Bett nicht finden. Nicht umsonst wird die Domweih am letzten Tag unter großer Anteilnahme mit einem Sarg zu Grabe getragen. Da es sich um das älteste Volksfest in Norddeutschland handelt, haben wir einmal etwas im Stadtarchiv „gegraben“ und den Archivar befragt: Die Geschichte der Verdener Domweih.
Ursprünglich ein freier Markt
Die Anfänge der Domweih reichen bis ins Mittelalter zurück. Im Jahre 985 wurde dem Bischof neben anderen Privilegien auch das Marktrecht zugesprochen. Was heute ein großes Fest ist, war ursprünglich ein freier Markt, das heißt auch auswärtige Anbieter durften ihre Waren anpreisen. Daran erinnert noch heute der „Pöttcher-Markt“, ein bestimmter Abschnitt der Domweih, auf dem Haushaltswaren und Kleinartikel ihre Käufer suchen. Die „Fünfte Verdener Jahreszeit“ war und ist den Hiesigen so wichtig, dass selbst in Kriegszeiten höchst selten darauf verzichtet wurde. Naja, und durch Corona waren die Auflagen so strikt, dass sie unter großem Protest ausfallen musste.
Streit um die Domweih
Bis in das 17. Jahrhundert hinein lebte Verden in zwei voneinander unabhängigen Stadthälften. Und man war sich nicht grün! Was die Domherren in „ihrer“ Süderstadt erfreute, ärgerte die Kaufleute und Handwerker rund ums Rathaus (Norderstadt). Davon blieb auch die Domweih nicht verschont, die ursprünglich rund um den Dom stattfand. Als sie sich immer mehr in Richtung Norderstadt ausweitete, zog der Stadtrat einfach die Budenpacht für sich ein. Da diese Einnahmen jedoch fest in die Budgets süderstädtischer Bediensteter verplant waren, stritt man sich darum. Auf der Straße und vor Gericht, und das Jahrhunderte lang. Erst 1905 legte Bürgermeister Schorcht die „Festmeile“ rund um das Rathaus und den Wall fest.
Das älteste Volksfest?
Kirmesfeiern und Volksfeste haben ihren Ursprung in den Festen zur Erinnerung an die Kirchweihe. Seit dem 9. Jahrhundert wurde der Jahrestag der Kirchweihe auch als weltliches Fest mit Markt und volkstümlichem Vergnügen begangen. Das trifft auf fast alle alten Volksfeste zu. Beispiele für andere Anlässe sind das Münchener Oktoberfest (Hochzeit des Kronprinzen, 1810) und der Oldenburger Kramermarkt durch Verordnung des regierenden Grafen (1609).
Für Verden weiss man, dass der erste Dom um 850 abgebrannt ist. Also muss die Domweihe davor stattgefunden haben und man kann annehmen, dass sie als Fest zur Erinnerung an die Weihe der Kirche bereits davor begangen wurde. Für die Verdener Domweih als Markt und Volksfest wird allerdings das Jahr 985 als viel entscheidender angesehen, denn in diesem Jahr erhielt Bischof Erpo von Kaiserin Theophanu (Mutter des späteren Kaisers Otto III.) die Markt-, Münz-, Bann- und Zollrechte für die Stadt verliehen. Die Geschichte der Verdener Domweih zählt also viele, viele Jahre.
Ergo: Man kann solange behaupten, dass man das älteste Volksfest in seiner Stadt hat, bis jemand einem das Gegenteil beweist.
Was unbedingt zu einer Verdener Domweih dazugehört- Traditionen und Rituale
- Sich am Dienstag vor der Domweih darüber aufregen, dass mittags die Straßen der Innenstadt gesperrt werden und sich darüber wundern, dass schon wieder die Domweih vor der Tür steht (wie Weihnachten – kommt auch immer so plötzlich).
- Der Eröffnungsumzug startet am Sonnabend um 13.30 Uhr mit fast 1.500 Teilnehmern aus Vereinen, Firmen, Clubs und mehr.
- Drei Böllerschüsse nach dem Umzug zur Eröffnung am Sonnabend um 15:00 Uhr.
- 15:00 Uhr ist erst, wenn die Böllerschüsse ertönen (egal wie lange der Umzug dauert).
- Vor den Eröffnungsböllerschüssen gibt es keine Karussellfahrt, kein Getränk und keine Bratwurst auf dem Festplatz.
- Die „Beerdigung“ in der Aller am Donnerstag um 24:00 Uhr auf der Südbrücke.
- Ein Bummel über den Pöttjermarkt auf dem Rathausplatz
Der Festumzug
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