Die alte Handwerkerstraße in Lüneburg
Stell dir vor, du schlenderst gemütlich durch die verwinkelten Gassen der westlichen Altstadt Lüneburgs. Die malerischen Gebäude, teils schief und krumm durch Senkungsschäden, erzählen ihre eigenen Geschichten. Während du die liebevoll restaurierten Häuser bewunderst, versperren dir alle zwei Jahre am ersten September-Wochenende, historisch gekleidete Stadtwachen den Weg. Gegen eine freiwillige Spende tauchst du ein ins Lüneburg des 16. Jahrhunderts ein. Die Geräusche der modernen Welt verblassen, und du hörst das lebhafte Markttreiben. Händler bieten lautstark ihre Waren an, Handwerker arbeiten mit geschickten Händen, und Kinder toben fröhlich durch die Menge. Willkommen auf der „Alten Handwerkerstraße“ – hier wird Geschichte lebendig.
Allerdings ist die Alte Handwerkerstraße kein klassischer Mittelaltermarkt. Hier wird das 16. Jahrhundert, also die Renaissance, möglichst authentisch dargestellt. Rund um die St. Michaeliskirche, im alten Handwerkerviertel, erstreckt sich das bunte Treiben in den Straßen „Auf dem Meere“, „Untere Ohlingerstraße“, „Neue Straße“, „Auf der Altstadt“ und auf dem „Johann-Sebastian-Bach-Platz“. Über 100 Ehrenamtliche, darunter engagierte Mitglieder des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt (ALA), Vereine und diverse Aussteller, alle in historischen Gewändern, sorgen für eine einmalige Atmosphäre.
Geschichte & Handwerkskunst zum Greifen nah
Bei der Alten Handwerkerstraße geht es nicht um Konsum, sondern um das Erleben und Bewahren alter Handwerkstechniken und Künste. Besonders Bewohner historischer Gebäude, die auf originalgetreue Restaurierungen setzen, finden hier wertvolle Expertise. Du kannst den Handwerkern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen – sei es beim Töpfern, Weben, Korbflechten oder Filzen. Du siehst, wie mit Lehm gebaut und Mehl gemahlen wird, wie Schiffstaue und Schwerter entstehen, und erlebst Kunstschmiede, Riemer und Holzspielzeugmacher in Aktion. Außerdem lassen Kalligraphen und Buchbinder alte Techniken wiederaufleben. Moderne Hilfsmittel wie Strom, Gas und Technik? Fehlanzeige! Alles wird so authentisch wie möglich durchgeführt.
Das Programm wird durch Straßentheater, Vorführungen von historischen Gesängen, Tänzen und alten Instrumenten abgerundet. Hier wird die Renaissance nicht nur gezeigt, sondern gelebt und mit allen Sinnen erlebbar gemacht
So schmeckt die Renaissance
Verhungern wird man hier auch nicht so schnell: Lass dir Spezialitäten wie die legendäre Renaissance-Bratwurst und herzhafte Schmalzbrote schmecken. Probiere alte Obst- und Gemüsesorten, sowie ofenfrische Backwaren, frisch gepresste Säfte und traditionell gebrautes Bier. Die kulinarischen Köstlichkeiten sollte man sich nicht entgehen lassen.
Kinderprogramm – Kleine Handwerker ganz groß
Auch für die kleinen Besucher gibt es jede Menge zu erleben. Kinder können ihr eigenes Baumrindenschiffchen bauen, mit handgedrehten Kreiseln spielen und auf selbstgebauten Steckenpferden reiten. Historische Kinderspiele wie Murmelbahn, Seilspringen und Himmel und Hölle dürfen dabei natürlich nicht fehlen. An vielen Stationen dürfen die Kinder selbst handwerklich tätig werden und alte Techniken ausprobieren. Spannende Vorführungen aus der Lateinschule geben zudem Einblicke in das Schulwesen der damaligen Zeit.
Die Altstadtretter
All dies wäre jedoch beinahe gar nicht möglich gewesen. In den 60er und 70er Jahren wurden viele Gebäude der Altstadt durch Senkungsschäden stark in Mitleidenschaft gezogen. Etwa 160 Bauwerke fielen dem Abriss zum Opfer, und auch die verbliebenen Teile der Altstadt sollten einer modernen Innenstadt weichen. Doch 1974 gründete sich der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt (ALA), der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die historische Altstadt zu erhalten. Dank des Einsatzes des Vereins konnten viele weitere Abrisse verhindert, Restaurierungen unterstützt und einiges an historischem Baumaterial gerettet werden. Der ALA konnte unter anderem den Kapitelsaal bei St. Michaelis, der Gipsofen am Kalkberg und den Alte Kran restaurieren, außerdem wurden die historischen Nachbauten eines Ilmenau-Ewers und eines Stecknitz-Prahms finanzieren.
Durch Veranstaltungen wie die „Alte Handwerkerstraße“ und den „Historischen Christmarkt“ wird die bedeutende Arbeit des Vereins der Öffentlichkeit nähergebracht. Alle Erlöse fließen direkt in die Restaurierung und den Wiederaufbau von Bau- und Kulturdenkmälern.
In diesem Jahr feiert der Verein sein 50-jähriges Bestehen. Teile der Sonderausstellung zur Historie des Vereins, die im Juni und Juli im Heinrich-Heine-Haus stattfand, werden auch bei der Handwerkerstraße zu sehen sein.
Am 7. und 8. September 2024 hast du die Gelegenheit die „Alte Handwerkerstraße“ zu erleben. Komm vorbei, es lohnt sich!
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