Frisch aus meinem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein zum Studium in Göttingen eingetroffen, wurde mir schnell klar, dass in dieser Stadt einiges anders ist. Neben den zahlreichen Instituten und Forschungseinrichtungen, an denen am Tage gelernt und gearbeitet wird, gibt es auch eine große Vielfalt an Cafés, Bars und Studentenkneipen für die abendlichen und nächtlichen Aktivitäten. Von meiner Orientierungs-Phase Anfang der 90er Jahre bis heute hat sich daran nichts verändert. In meinem Blog möchte ich Euch heute drei von ihnen vorstellen.
Zwei beliebte Treffpunkte für den Start in den Abend
Die meisten der Göttinger Studentenkneipen befinden sich innerhalb des Stadtwalls. Das macht die Wege kurz und ihr könnt bei entsprechender Ausdauer am Abend mehrere Kneipen und Bars miteinander verbinden. Beliebte Treffpunkte sind der Gänselieselbrunnen und der Nabel, an denen sich Abend für Abend kleinere und größere Grüppchen bilden und losmarschieren. So auch ich. Vom Nabel gehe ich nur die Theaterstraße in Richtung Theater hoch, dann stoße ich nach drei Minuten rechter Hand auf die Nauti-Bar.
Die Nauti-Bar
Beim Eintreten in die Kneipe stelle ich rasch fest, warum dieser Name gewählt wurde. Der Eingangsbereich und der Tresen sind kreativ maritim gestaltet, in einer Wand sind zwei kleine Aquarien eingelassen in denen Miniatur-Taucher stecken. Und Hamburger Bier gibt es natürlich auch. Gleich links vor der Theke abgebogen, kann ich mich in Sessel und Sofas fallen lassen, die einen, genauso wie die Lampenschirme, eher an Omas gute alte Stube in den 1950ern erinnern. Wenn ich früh genug mit meinen Freunden auftauche, erwischen wir meistens noch einen Tisch. Nach 22 Uhr, vor allem an den Wochenenden, kann es manchmal allerdings schwierig werden.
Das besondere an der Nauti-Bar ist nicht nur die Gestaltung, sondern auch die Getränkekarte. Zahlreiche Craftbier-Sorten werden angeboten und als Krönung wird selbst vor Ort gebraut. Passend zur Universitätsstadt nennt sich die kleine Brauerei Scholar und produziert Sorten wie das Matematik Yerbe Pale Ale oder das Alter Prof-Altbier. Langweilig wird es hier definitiv nie, denn die Jungs von der Scholar Brauerei lassen sich ständig was Neues einfallen.
Das Trou
Gleich um die Ecke, in der Burgstraße, befindet sich das Trou, in Göttingen eine echte Institution unter den Studentenkneipen. Bereits Anfang der 1960er Jahre wurden die Räumlichkeiten von 10 engagierten Göttingern unter dem Namen Studentenkreis e.V. bezogen. Von der Straße aus ist die Existenz der Kneipe nur an einem Schild zu erkennen, denn das Trou ist eine Kellerkneipe. Durch einen kleinen Gang komme ich schnell an den Treppenabsatz der steil nach unten führt. Hier erahne ich am ehesten warum das französische Wort Loch für die Namensgebung gewählt wurde. Wenn ich am unteren Ende der Treppe angekommen bin und die Schwingtür aufdrücke, bin ich allerdings jedes Mal wieder überrascht, das ich plötzlich mitten in einem urigen Kellergewölbe stehe. Niedrige Bänke stehen an den Wänden und alte Weinfässer stehen mit brennenden Kerzen bestückt als Tische davor.
Während meiner Studienzeit bin ich mit meinen Freunden Miguel und Andrea fast an jeden Donnerstagabend nach dem Uni-Squashkurs hier gelandet. Nach zwei Stunden Squashspielen und Sauna zeigte das gut gekühlte Weizenbier schnell seine entspannende Wirkung. Bekannt ist das Trou auch für seine Altbierbowle. Es gibt sogar eine Pauschale namens „Einmal wieder Student sein“. Sie enthält neben dem Besuch der Uni-Mensa u. a. auch einen Gutschein für eine Altbierbowle im Trou. Ein Tipp noch zum Schluss für die etwas älteren Semester. Rückenprobleme solltet ihr nicht allzu ausgeprägt haben, denn wenn Ihr Euch im Trou verplaudert, und das kann bei der urigen Atmosphäre schnell passieren, kann sich aufgrund der niedrigen Sitzhöhe beim Aufstehen schon mal ein kleines Ziepen bemerkbar machen.
Die Villa Cuba
Vom Trou bis zur Villa Cuba in der Zindelstraße sind es zu Fuß vielleicht zehn Minuten – wenn ich gemütlich schlendere und mich mit meinen Freunden unterhalte. Wie der Name vermuten lässt, herrscht hier südamerikanisches Flair. Das ist wohl auch ein Grund dafür, dass man viele Erasmusstudenten aus Spanien und Italien und lateinamerikanische Doktoranten trifft. Vielleicht liegt es aber auch an der großen Cocktailkarte und dem leckeren Essen mit creolischem Einfluss. Im Sommer erweitert ein Innenhof die Anzahl der Sitzplätze und ich kann meine Caipirinha unterm Sternenhimmel genießen.
Überrascht war ich das erste Mal als ich kurz zur Toilette in der oberen Etage gehen musste. Innen erwartete mich über Lautsprecher nicht die klassische Easy-Listening-Musik, die man dort sonst gerne zu hören bekommt, sondern flammende Reden auf Spanisch. Leider ist mein Spanisch zu sehr eingerostet, so dass ich nicht gleich Gewahr wurde, dass man hier in Endlosschleife den Revolutionsreden Fidel Castros zuhören kann.
Die Villa Cuba bietet übrigens nicht nur Nachtschwärmern tolle Angebote, sondern auch Frühaufstehern. Freunde von mir schwärmen immer wieder vom Frühstück und sind mindestens einmal im Monat dort.
Apropos Morgen: Göttingen bietet natürlich noch viel mehr an schönen und besonderen Kneipen. Da gibt es noch den Queens Pub, das Café Esprit, das Café Kabale, das Monstercafé, den 1 Million-Dollar-Club, das Salamanca, den Altdeutschen, den kleinen Ratskeller, das ZAK, die Diva Lounge, den JT-Keller, das Deja Vu, die Sonderbar und und und. Aber davon berichte ich Euch dann ein anderes Mal.
Hans Rühl meint
Sehr informativ und interessant!
Was ist eigentlich aus dem Studentenkeller geworden – in der Weender Straße?
Gruß
Hans Rühl
Christoph Mischke meint
Ich glaube, Herr Rühl, Sie meinen vermutlich den Keller/die Disco, die später einmal „W38“ und „Electroosho“ hieß.
Nein, das Etablissement gibt es seit 2007 nicht mehr