Der »halbe« Engländer
Dieser Gedanke könnte Sam Harvey gefallen. Denn Klischees mag er nicht. Er steht in Wolfenbüttel für den Burger und für eine unkonventionelle Küche. Mit Sam treffe ich mich in der »Augusta«. Eine echte Bierkneipe in Wolfenbüttel, zu der ich schon als Abiturient gepilgert bin. Zur Stärkung gibt es eine Kleinigkeit zu essen. Gute, ehrliche Küche. Sauerfleisch mit Bratkartoffeln oder Currywurst. Sam und ich sitzen noch draußen. Und während ich mein Sauerfleisch genieße, erzählt mir der ruhig wirkende Koch seine Geschichte. Zufall? Gibt es den überhaupt? Die Ereignisse: Sams Mutter ist anglophil. Sie zieht es deshalb als junge Frau auf die Insel. Dort lernt sie Sams Vater kennen.
Der wird als Soldat nach Deutschland versetzt. Und zwar genau dahin, wo sie herstammt: nach Wolfenbüttel. Hier wächst Sam auf. Ein echter Wolfenbütteler also, der es sich gar nicht so recht vorstellen kann, jemals aus dem kleinen Städtchen wegzuziehen. Wenn man mit ihm durch die Stadt schlendert, geht es nur zäh fließend weiter: Denn alle zehn Sekunden, gefühlt, trifft er einen guten Bekannten. Er ist einer, der zum kommunalen Inventar gehört.
Eigene Wege
Sam ist ein Selfmademan. Einen Zinnteller zum vierzigsten Firmenjubiläum wird er nicht bekommen. Sam ist ein spontaner Mensch, der Bauch und Herz die Wahl treffen lässt. Auch, was den Lebensweg angeht. In der Lessingstadt, in der er in die Schule gegangen ist, lernte er Einzelhandelskaufmann, verkaufte Versicherungen. Aber damit wurde Sam wenig glücklich. »Es war eine nicht geplante Entscheidung zu kochen«, berichtet er. Essen war sowieso eine Leidenschaft. Und Ausprobieren, Gestalten und für Menschen da zu sein, das war ein Traum. Ein verrückter, wie er rückblickend einräumt. So eröffnete Sam in einem Wolfenbütteler Irish Pub seine erste Küche. Ohne jede Erfahrung.
»Da habe ich mich total übernommen«, erzählt er verschmitzt lächelnd bei einem Glas Bier. Das Experiment endete mit einem halben Burn-out. Sam setzte aus und fing wieder an. Bei einem Wolfenbütteler Küchenchef lernte er die Essentials des Berufes und macht die besten Burger der Stadt. Schnell ist auch ein Name für das Projekt klar: Börgerbüro. Dabei lernt er so gut, dass er inzwischen Restaurantangebote bekommt. Aber stattdessen zieht es ihn zurück in den Irish Pub. In einer Shop-in-Shop-Lösung macht er sich in Kürze in dem Bierlokal mit seiner Küche selbstständig. Demnächst, Anfang November, geht es los. Der Name »Börgerbüro« bleibt.
Neue Ideen
Ein paar Wochen später. Wir treffen uns zum Frühstück. Inzwischen ist es kalt geworden. Was will man Ende Oktober erwarten? Sam ist mit dem Umzug in den Irish-Pub fast fertig. Einige Küchengeräte fehlen. Aber sein Herd, an dem steht er schon. »Hier kommt noch meine Ordnung rein. Mein Kontaktgrill fehlt. Und es kann bald losgehen«, freut er sich, während er Bratwürste in der Pfanne wendet. Natürlich hat er nicht irgendwelche, die Bestandteil seines »Full English Breakfasts« werden. So wie die Bohnen und der Speck kommen sie direkt von der Insel. Nun wird englisch gefrühstückt. Denn Sam will neben den legendären Burgern noch andere Spezialitäten aus der Heimat seines Vaters im Irish Pub anbieten. Und Wolfenbüttel? Wolfenbüttel darf gespannt sein.
Links zu den genannten Betrieben: Das Börgerbüro findet Ihr bei Facebook und hier geht es zur »Augusta«.
Björn meint
Das Börgerbüro hat jetzt auf und deswegen könnt Ihr einen ersten Genussbesuch hier miterleben: http://www.wolfenbuettel-lokal.de/2016/11/26/camembert-burger-vom-boergerbuero/