Denkt man an beliebte Reiseziele für die LGBTQ+ in Deutschland, kommen einem vermutlich eher Berlin oder Köln in den Sinn. Aber auch in Hannover gibt es eine kleine, jedoch sehr aktive Szene, die es sich lohnt, einmal zu besuchen, ob man sich nun selber als LGBTQ+ versteht oder nicht. LGBTQ+ steht übrigens für Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual und Queer; das + steht für alle weiteren Gruppen, die die Gemeinsamkeit haben, nicht der Heteronormativität zu entsprechen. Die Abkürzung beinhaltet also nicht nur die sexuelle Orientierung, sondern auch die eigene Geschlechtsidentität. Nachdem am Pfingstwochenende der mittlerweile zehnte CSD Hannover wieder zwei Tage für bunten Trubel und Ausnahmenzustand in der Innenstadt gesorgt hat, nehme ich euch nun als Gastblogger mit an die Orte, die auch den Rest des Jahres ein tolles Programm für die LGBTQ+ Szene bieten.
Also los, ich zeige euch Hannover als LGBTQ+ Reiseziel.
Brunch im Café Konrad
Das Café Konrad, das ihr in Hannovers schöner Altstadt findet, kann problemlos als Urgestein bezeichnet werden. Seit über 20 Jahren gibt es hier, nicht nur für die schwul-lesbischen Besucher, Frühstück bis 16 Uhr, was gerade nach bunten Partynächten natürlich sehr praktisch ist. Benannt nach den großen Diven des Showgeschäfts, kommt hier jeder auf seine Kosten. Die wechselnde Wochenkarte bietet aber auch für spätere Stunden einiges an kulinarischen Freuden und die wirklich fabelhaften Kuchen und Torten machen das Café zu einer Hochburg queerer Kaffeehauskultur. Von Jung bis Alt gibt sich hier jeder die Klinke in die Hand und man fühlt sich immer ein bisschen wie Zuhause.
Auf ein Ständchen in die Bar Romantis
Die Bar Romantis in der Lavesstraße erschlägt einen fast auf den ersten Blick mit einem Interieur, das seinesgleichen sucht. Geschmückt mit Engeln, Säulen und Verzierungen, die an Korallen erinnern, fühlt man sich fast wie in einem überdimensionalen Aquarium. Die damals laut eigener Aussage jüngsten Bar-Betreiber Hannovers überzeugen aber nicht nur mit einer ausgefallenen Atmosphäre (ich kann nur noch einmal betonen…alleine dafür lohnt sich der Besuch), sondern auch mit leckeren Cocktails und einem abwechslungsreichem Programm, von dem insbesondere der Karaoke-Abend ein illustres Publikum anzieht. Hier muss sich wirklich keiner schämen und ich werde keine weiteren Aussagen dazu tätigen, ob ich hier unter Umständen auch schon das ein oder andere Lied von Bonnie Tyler zum Besten gegeben habe. Gehört auf die Empfehlungsliste „Hannover als LGBTQ+ Reiseziel“ auf jeden Fall drauf.
Barkarole – Lindens Kult-Schlager-Bar
Mitten im beliebten Stadtteil Linden liegt, unweit der abends immer gut besuchten Limmerstraße, in einer eher unscheinbaren Ecke, die Barkarole. Aber der Schein trügt, schon beim Aufmachen der schweren Eisentür (mit Sichtfenster) erwarten uns eine Masse an Menschen und lautem Schlager. Ähnlich wie in der Bar Romantis finden wir auch hier eine ganz besondere Atmosphäre vor. Die in den 70er Jahren eröffnete „Männerbar“ ist zwar 2010 von neuen Betreibern übernommen und neu eröffnet worden, allerdings ist die Einrichtung noch original und versprüht „Trash“-Glamour.
Rote Lampen, Wände voller Bilder und viel Schnickschnack erinnern an die Zeit, in der die Barkarole noch von „Carola“ geführt wurde, einem Travestie-Künstler, der hier über 30 Jahre lang hinter der Theke stand. Früher ein Anlaufpunkt nur für die schwule beziehungsweise queere Szene, ist die Barkarole heute eher eine Schlagerkneipe für Jung und Alt, in der man aber immer noch vorurteilsfrei feiern kann. Die proppenvolle Tanzfläche, die günstigen Getränkepreise und die (für einige vielleicht etwas gewöhnungsbedürftige) Schlagermusik garantieren auf jeden Fall durchfeierte Nächte, die auch bei mir nicht selten mit einem Heimweg im Sonnenschein enden.
Die Schwule Sau – Hannovers queerer Raum für alle
Etwas versteckt in einer Einfahrt in der Nordstadt liegt Hannovers mittlerweile einziger queerer Club, der allerdings viel mehr ist, als nur ein Ort, um die Tanzfläche zum Glühen zu bringen. In dem ehemals besetzten Gebäude, wurde 1991 die Sau gegründet, um einen Raum zu schaffen, in dem queere Menschen sich selbst verwirklichen und für die Community Partys, Barabende, Theaterstücke, Vorträge oder Konzerte organisieren können. Ehrenamtlich und kollektiv organisiert bietet die Sau einen Mitmachort für jeden, der Lust hat sich zu engagieren.
Das merkt man schon, wenn man den Eingangsbereich betritt und eine Großzahl der Gäste schon am Eingang mit Küsschen vom Personal (oder der für einen queeren Club quasi obligatorischen Drag-Queen) begrüßt wird. Hier kennt man sich und fühlt sich auf den gemütlichen Vintage-Sofas im oberen Bar Bereich fast wie in seinem eigenen, sehr gut gefüllten Wohnzimmer. Von Women bzw. Men Only Partys über „hedonistische Tanzpartys“ mit Burlesque- und Drag-Shows bis hin zu experimentellem Theater und Vorträgen, hier findet wirklich jeder etwas!
Unaufgeregt und leise – von wegen
Man merkt sofort, Hannovers queere Szene hat durchaus einiges für Hannoveraner aber auch Reisende zu bieten, auch wenn das vielleicht nicht ganz so offensichtlich und laut nach außen getragen wird, wie in anderen Städten. Das muss aber auch gar nicht sein! Wer weiß, wo er suchen muss, findet einige echte Diamanten. Hannover als LGBTQ+ Reiseziel? Eine Reise in die Stadt lohnt sich auf jeden Fall! Und um die Entscheidung noch etwas einfacher zu machen, habe ich hier noch einige Veranstaltungstipps für die nächste Zeit:
Hannover als LGBTQ+ Reiseziel -Events
Unescon – die erste internationale Song Contest Convention (28.-30.06.)
Wie wahrscheinlich kaum ein anderes internationales Event steht der Eurovision Song Contest schon immer in Verbindung mit der LGBTQ+ Szene. Nicht nur Sängerinnen wie Dana International oder Conchita Wurst, die unmissverständlich ihre Zugehörigkeit zum LGBTQ+ Spektrum demonstrieren, sorgen für eine große Liebe in der Szene für das jährliche Großspektakel. Dass Hannover nicht nur UNESCO City of Music ist, sondern gleichzeitig seit dem Sieg von Lena als Eurovision Stadt gesehen werden kann, macht die Wahl, die erste Eurovision Convention hier abzuhalten, durchaus plausibel. ESC Künstler aus sechs Jahrzehnten und sechs Ländern werden ihre Beiträge nach Jahren noch einmal aufführen, dieses Mal begleitet von dem hannöverschem „Orchester im Treppenhaus“. Außerdem werden Sightseeing-Touren, Autogrammstunden und Workshops angeboten, das volle ESC-Programm also.
Schützenfest Hannover (28.06.-07.07.2019)
Das größte Schützenfest der Welt startet am 28.06. in seine beeindruckende 490. Runde und verspricht wieder 10 Tage aufregende Fahrgeschäfte, Lüttje Lage und viel Feier-Vergnügen! Die Verbindung zur LGBTQ+ Szene scheint auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz klar, allerdings hat das „Gaypeople“-Zelt dort mittlerweile Tradition. Über 1200 Menschen passen in das Zelt und können 10 Tage lang ausgiebig feiern. Neben Drag-Shows und Auftritten von Schlagerstars, sorgen die DJs für durchtanzte Nächte, nicht nur für Schwule und Lesben, sondern allen, die Spaß an ausgelassenem Feiern haben!
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