
Es ist still, fast schon andächtig, als ich gedankenverloren meinen Kaffee umrühre und aus dem Fenster des Restaurants schaue. Die Frühstückszeit ist gerade vorbei und wenige andere Gäste klimpern im Hintergrund noch mit ihrem Geschirr und unterhalten sich. Vor dem Fenster liegt eine kleine Terrasse – direkt über der Kleinen Aller, die darunter entlang plätschert -, dahinter eine Wiese mit Klettergerüsten und Hochbeeten. Links kümmern sich einige Schafe darum, dass das Gras auf ihrer Weide nicht zu hoch wird.
In den Hochbeeten wachsen in den wärmeren Jahreszeiten Kräuter zur Verwendung in der Küche, erklärt Christiane Schuster, die mir gegenübersitzt. Sie ist die Inhaberin des Hotels und Restaurants Brackstedter Mühle und hier aufgewachsen. Sie erklärt mir, was Nachhaltigkeit für sie bedeutet und wie sie dieses Verständnis im Restaurant der Brackstedter Mühle umsetzt.
Lange ist es her
Die Brackstedter Mühle, naturnah und ruhig ein wenig außerhalb vom Wolfsburger Zentrum gelegen, kann auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken. Die Mühle, angetrieben durch ein Wasserrad im Fluss, das noch heute die Fassade des Gebäudes ziert, wurde erstmals 1434 urkundlich erwähnt.

Rund 500 Jahre später, 1911, kam dann zum Mühlbetrieb die Gastwirtschaft hinzu sowie die ersten Gästezimmer in den 1950er Jahren bis der Betrieb der Mühle 1965 schließlich eingestellt wurde.
1997 übernahm Schuster Hotel und Restaurant in vierter Generation von ihren Eltern.
Ein grüner Faden
Im alltäglichen Leben sowie in der Gastronomie sind die Gründe für eine nachhaltige Ernährung vielfältig und alle sind sie gut. Jemand achtet auf seine Gesundheit, ist konsequenter Tierschützer, ihm liegt die Umwelt besonders am Herzen oder jemand möchte, kleine, regionale Produzenten unterstützen. Egal, was einen dazu bewegt, Schuster unterstützt all diese Beweggründe und daher ist es in der Brackstedter Mühle seit Jahren eine Selbstverständlichkeit, den Gästen eine regionale und nachhaltige Gastronomie zu bieten. Seit den 2010er Jahren befasst sich Schuster ganz gezielt intensiv mit dem Thema.
Damit waren wir ungefähr eine Sekunde vor dem Trend.
Was klein begann, ist heute ein sich durch das ganze Restaurant ziehender roter – oder sollte ich sagen grüner? – Faden.
Einwegplastik findet sich kaum. Die Marmeladen zum Frühstück werden beispielsweise lieber in kleinen Mehrweggläsern angerichtet. Die Konfitüren sind übrigens alle selbst gemacht. Gekaufte Marmelade kommt in der Brackstedter Mühle nicht aufs Brot, merkt Schuster an. Produkte mit Palmöl hat sie auch schon längst verbannt.

Nachhaltigkeit aus der Vergangenheit
Ein bewusster Umgang mit den Ressourcen, die man zur Verfügung hatte, war in Brackstedter Mühle als Mühlbetrieb, Bauernhof und Gastwirtschaft schon immer Gang und Gebe, lange bevor das Wort Nachhaltigkeit zur Handlungs-Maxime wurde: das Aufarbeiten von Möbeln, Upcycling von Alltagsgegenständen, das Verfüttern von frischen Gemüseabschnitten an die Tiere, … Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass in vielen Bereichen nachhaltig gehandelt wurde, ohne dass dies das primäre Ziel war, erklärt Schuster.

Genau an diesem Punkt setzt ihr Verständnis von Nachhaltigkeit an. So wie man die lange Geschichte des Gebäudes noch heute spürt, so orientiert sich auch Schuster mit einem kritischen Blick an der Vergangenheit und fragt, was wir von der früheren Lebensweise für unser heutiges, nachhaltiges Leben lernen können. Schusters Ziel ist wie in den Generationen vor ihr, die die Brackstedter Mühle betrieben, ein vernünftiger und maßvoller Umgang mit dem, was man zur Verfügung hat – der Natur, den Menschen, den Tieren und dem Leben im Allgemeinen. Sie sieht darin ein allgemeines, gesellschaftliches Bewusst sein, dass es zu schaffen gilt.
Wir sollten alle über unseren Konsum nachdenken und uns fragen, wie wir konsumieren. Dabei schließt Nachhaltigkeit keineswegs Zukunftsgewandtheit aus.
Könnte man es also altmodisch-zukunftsorientierte Nachhaltigkeit nennen?
Das Essen wächst vor der Tür
In diesem Sinne wird die Speisekarte mit fleischhaltigen, vegetarischen und veganen Gerichten alle paar Wochen, passend zu den saisonalen Produkten angepasst. Die Lebensmittel, die fast ausschließlich von regionalen Anbietern kommen, werden in kleinen Mengen eingekauft, um Lebensmittelverschwendung zu verhindern. In kleinem Umfang wird das von den Nahrungsmitteln ergänzt, die in der Natur rund um die Brackstedter Mühle zu finden sind – immer anhängig davon, was Mutter Natur gerade bereithält.
Viele wissen gar nicht, was man alles an Pflanzen und Früchten aus der Natur essen kann, die man oft direkt vor der Tür hat. Auf vielen Wiesen wachsen beispielsweise Dill, Kamille oder Brennnesseln.

So stehen gelegentlich zum Beispiel Brennnessel-Soufflé oder Felsenbirnen-Ragù auf dem Plan. Beide Pflanzen direkt von der Wiese und dem Baum vor dem Gebäude. Wer hat gewusst, dass man beides essen kann?



Die 150 Jahre alten Obstbäume liefern Früchte. Die eigens herangezogenen Kräuter sorgen für das perfekte Aroma. Und Honig von den Bienen, die auf einer der Wiesen um ihre Bienenstöcke herum wuseln, verfeinert nicht nur das Frühstücksbrötchen, sondern auch die leckeren Nachspeisen. Als Deko dann noch eine essbare Blüte von der eigenen Wildblumenwiese.




Für all diese Leistungen ist die Brackstedter Mühle seit 2022 im Bereich Gastronomie mit dem Qualitätssiegel „greentabel“ ausgezeichnet, einem Zusammenschluss von Gastronomen, der sich für nachhaltige Gastronomie einsetzt.


Schafe, Hühner, Laufenten
Wenn Schuster groß denkt, verrät sie, hätte sie eines Tages gerne Hühner oder Laufenten auf dem Gelände der Brackstedter Mühle. Bereits jetzt sind die Heidschnucken für die vielen Kinder, die hier im familiären Ambiente des Hotels mit ihren Eltern Urlaub machen, ein besonderes Highlight. Wie die anderen Gäste haben auch die Schafe heute schon gefrühstückt, sonst hätte ich mich nicht nur nachhaltig bewirten lassen können, sondern hätte den Schafen gemeinsam mit Schuster selbst ihr nachhaltiges Frühstück bringen können. Aber wer weiß, vielleicht darf ich ja bei meinem nächsten Besuch beim Eiersammeln helfen. Bis dahin gibt es in der Brackstedter Mühle noch einiges zu entdecken.

Nachhaltig in allen Bereichen
Auch im Hotelbetrieb ist das Thema Nachhaltigkeit stets präsent – sei es klimaneutrale Mietwäsche oder Solarzellen auf dem Dach. Doch bevor das hier zu lang wird: Schaut doch einfach mal selbst vorbei – online unter https://www.brackstedter-muehle.de/de/nachhaltigkeit/ oder direkt vor Ort, beispielsweise zum alljährlichen Brackstedter Mühlenmarkt, der bereits seit 2008 immer am letzten Samstag im April stattfindet. Mit einer bunten Mischung aus Kunst- und Hobbyhandwerk, Musik und Kulinarik gibt es hier Unterhaltung für die ganze Familie.

Bilder © Brackstedter Mühle
Schreibe einen Kommentar