Etwas was ich an meiner Stadt besonders mag, ist die unglaubliche Vielfalt an Restaurants. Wenn mich Freunde besuchen und ich mal keine Lust habe selber zu kochen, dann werde ich innerhalb des Stadtwalles immer fündig, um (fast) jeden Essenswunsch erfüllt zu bekommen. Neben gutbürgerlicher deutscher Küche gibt es natürlich Italiener, Griechen, Türken und Chinesen, wie sie in fast jeder Stadt zu finden sind. Auch japanische Sushi-Restaurants, spanische Tapas-Bars, Indisches aus dem Tandoori-Ofen und Tex-Mex-Food kann ich hier meinen Gästen bieten. Etwas exotischer wird es dann schon mit kubanischem, vietnamesischem, afrikanischem oder ganz speziell äthiopischem Essen. Sobald es etwas Neues gibt, und das ist bei uns nicht selten, probiere ich es gerne aus.
Veganismus
Seit geraumer Zeit stolpere ich in Zeitungen, Zeitschriften und den sozialen Netzwerken über das Thema Veganismus. Ich bin ein Mensch, der versucht sehr bewusst auf seinen Fleischkonsum zu achten, aber trotzdem freue ich mich, wenn ich mal ein Steak oder ein Lammfilet auf dem Teller liegen habe. Als Alternative zum Fleisch hat sich vegetarisches Essen inzwischen soweit durchgesetzt, dass fast jedes Restaurant Gerichte anbietet, die auch über den klassischen Salat hinausgehen. Aber veganes Essen? Da muss ich ja nicht nur darauf achten, dass kein Fleisch oder Fisch auf dem Teller liegt, sondern auch Käse, Milch, Eier, Honig und andere Zutaten meiden. Ich bin neugierig, ob Göttingen auch kulinarische vegane Wünsche erfüllen kann und begebe mich auf Entdeckungsreise.
Überrascht bin ich als ich auf Wikipedia lese, dass der Begriff Veganismus bereits 1944 geprägt wurde. Er muss danach einen langen Dornröschen-Schlaf eingelegt haben bis das Thema in den 2010er Jahren stark an Popularität gewann. Dieses steigende Interesse hängt sicherlich mit dem wachsenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein vieler Menschen zusammen. Und ein bisschen vielleicht auch damit, dass es auf einmal medienwirksame Köche und Buchautoren wie Attila Hildmann oder Björn Moschinski gibt, der momentan in aller Munde ist.
Bistro Löwenstein in Göttingen © Keno
Bistro Löwenstein
Erstes Ziel ist das Bistro Löwenstein. Es bietet auf seiner Karte neben vegetarischem und koscherem Essen auch vegane Speisen an. Das Restaurant befindet sich in der Nähe des Alten Rathauses und so ist mein Weg nur kurz. Das Bistro Löwenstein gibt es seit dem Jahr 2014 wie ich von Eva Tichauer Moritz erfahre, die mit dafür gesorgt hat, dass es dieses Angebot in unserer Stadt gibt. Die Speisekarte ist klein aber fein. Mich lächelt sofort Marak Geser an, eine Karottensuppe mit Kokosmilch. Auch das Chili con Tofu sieht gut aus. Und zum Nachtisch vielleicht Panna Cotta? Kann ich genauso gefahrlos essen, da auch dieses Dessert mit Kokosmilch zubereitet wird. Es ist draußen heiß und so bestelle ich mir erst einmal eine Karaffe mit Mineralwasser, das mit Fruchtsirup und Minze angereichert wird. An einem Tag wie heute besonders erfrischend.
Während ich auf mein Essen warte, berichtet mir Tichauer Moritz, dass das Bistro zeitgleich Treffpunkt der Jüdischen Kultusgemeinde von Göttingen und Südniedersachsen ist. Das Haus in dem wir uns hier befinden hat eine lange jüdische Geschichte und wird heute auch als Synagoge genutzt. Es gab lange Diskussionen inwieweit sich das Haus und die Gemeinde öffnen. Und wie ich finde, hat man sich glücklicherweise dafür entschieden ein sehr offenes Haus zu etablieren, mit vielen kulturellen Angeboten und Möglichkeiten sich zu begegnen.
Aber ich bin ja heute hauptsächlich wegen des Essens hier und deshalb möchte ich noch einen Tipp weitergeben, der in unserem Gespräch so ganz nebenbei fällt. Alle Gerichte werden nach der Bestellung frisch zubereitet und es gibt keine vorproduzierten Komponenten. Deshalb ist es auch möglich danach zu fragen, ob die nicht-veganen Angebote auf der Speisekarte in vegane Gerichte umgewandelt werden können. Sollte dies möglich sein, setzt die Küche vom Bistro Löwenstein diesen Wunsch gerne um. Fragen lohnt sich also. Mein fruchtig-scharfes Chili con Tofu ist jedenfalls empfehlenswert.
Abessina – vegan nach Afrika
Karottensuppe, Chili con Tofu. Ich habe jetzt eigentlich auch nichts dagegen, wenn es essenstechnisch noch etwas exotischer wird. Und so verschlägt es mich am nächsten Tag mit einem Freund zum Abendessen nach Afrika. Dazu muss ich keine weite Reise antreten, sondern nur ins Abessina gehen. Das Restaurant befindet sich direkt gegenüber des Städtischen Museums, in einer ruhigen Seitenstraße der Fußgängerzone. Hier werden hauptsächlich äthiopische und eritreische Spezialitäten serviert. Und wie ich feststelle, sind viele davon vegan. Wie wäre es zum Beispiel mit Timtumo, roten Linsen in Zwiebel-Tomatensauce, oder Hamli, Grünkohl mit Spinat und eritreischen Gewürzen. Nach langem Abwegen merke ich, dass ich mich nicht wirklich entscheiden kann und so bestellen wir den veganen Mix-Teller für zwei Personen.
Mit etwas Glück kann man, während man auf sein Essen wartet, der traditionellen Bun-Zeremonie beiwohnen. Über offenem Feuer werden im Restaurant grüne junge Kaffeebohnen geröstet. Der Zeremonienmeister geht anschließend mit dem Röstgefäß von Tisch zu Tisch und so verbreitet sich der Geruch von frisch geröstetem Kaffee schnell im gesamten Restaurant. Wer möchte, kann den kurz danach aufgebrühten Kaffee auch gleich einem Geschmackstest unterziehen.
Meine Aufmerksamkeit wird abgelenkt als unser Essen kommt. Vor mir stehen fünf kleine Schüsseln mit unterschiedlichen veganen Gerichten. Dazu gibt es Reis und Injera, ein Sauerteigfladen mit Teff-Getreide. Ich bin begeistert was für eine Geschmacksvielfalt sich in den nächsten Minuten auf meiner Zunge ausbreitet – von mild bis würzig und dann ab und an eine leicht säuerliche Note durch den Teigfladen. Und am Ende des Essens freue ich mich darüber, dass der Besitzer des Abessinas uns fragt, ob wir von einem der fünf Gerichte noch einen gratis Nachschlag haben wollen. Denn das wollen wir definitiv.
Café Shirin – persische Küche und ein perfekter Gastgeber
Mein nächster Weg führt mich ins Café Shirin in der Jüdenstraße. Nach dem Sport bin ich hier schon einige Male eingekehrt, wenn ich am frühen Abend zu faul zum Kochen war. Bisher bestellte ich aber immer nur vegetarische Kost. Das Shirin ist ein eher kleineres Café und Restaurant, das sich seit seiner Eröffnung im Jahr 2014 ausschließlich auf vegetarische und teilweise vegane Speisen fokussiert hat. Der Inhaber ist ausgesprochen freundlich und zaubert eine sehr persönliche Stimmung in seinen Gastraum. Das merkt man auch daran, dass es einen hohen Anteil an regelmäßigen Besuchern gibt, die immer wieder gerne kommen. Und so kann es schon mal sein, dass einer der Stammkunden einen Smiley auf seinem Lunch-Teller vorfindet (siehe Titelfoto). Aber auch neue Gäste von außerhalb sind willkommen, denn außer leckerem orientalischen Essen gibt es vom Gastgeber zusätzlich oft noch ausführliche Tipps zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und schönsten Plätzen Göttingens.
Ich bestelle mir einen frischen Minze-Orangen-Ingwer-Tee und den veganen Bahaar Teller mit Falafel, gefüllten Weinblättern und Safranreis mit Gemüse. Vom Inhaber erfahre ich derweil, dass er aus dem Iran zum Maschinenbau-Studium nach Deutschland und als Orgelbauer nach Göttingen gekommen ist. Als dann der Orgelbaubetrieb geschlossen wurde, musste eine Alternative her und er machte aus seinem Hobby Kochen seinen neuen Beruf. Wie wohl die meisten seiner Gäste bejahen werden, war das eine gute Entscheidung. Der Bahaar Teller schmeckt jedenfalls klasse, wahrscheinlich weil auch hier alles frisch in der kleinen Küche zubereitet wird.
Edelbeißer – der vegane Pizzabringdienst
Und zum Schluss noch ein Tipp für diejenigen, die lieber zu Hause bleiben anstatt in ein Restaurant zu gehen. Göttingen ist eine der wenigen Städte, die einen veganen Lieferservice aufweisen können. Bei Edelbeißer gibt es eine große Auswahl an veganen Pizzen und Pasta-Gerichten. Wie mir Inhaber Andreas Hoffmann berichtet. wurde das Unternehmen im Jahr 2013 in Göttingen gegründet, ist inzwischen aber schon so erfolgreich auf dem Markt, dass es nach Köln, Bonn und Bochum expandierte. Bereits an den Namen der Gerichte kann man übrigens erkennen, dass diese etwas anders sind. Wo kann man schließlich schon Pizzen bestellen die „Gutes Karma“ oder „Kreuzblütler“ heißen.
Ich habe festgestellt, dass Göttingen auch für Veganer ein leckeres Angebot bereit hält. Man muss sich nur ein wenig umschauen, aber dann wird man schnell fündig und kann aus vielen unterschiedlichen Küchen der Welt, das für sich Passende aussuchen. Ich hatte mir das im Vorfeld schwieriger vorgestellt. Lesern, die sich selbst einmal auf vegane Entdeckungsreise in Göttingen begeben wollen, wünsche ich viel Spaß.
Dieser Artikel wurde im März 2019 überarbeitet und aktualisiert.
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