Wenn man Einbeck auf eigene Faust entdecken möchte, dann macht man das in einer Bierstadt natürlich auf dem Bierpfad. Wer hier jetzt die Aneinanderreihung von Kneipen à la Ballermann vermutet, liegt jedoch weit daneben. So wie mein Freund Matthias lange einem Irrtum unterlag. Wir wohnen bereits seit ein paar Jahren in Einbeck, doch den Bierpfad sind wir bis jetzt noch nicht abgelaufen. Dies wollen wir an diesem sonnigen Herbsttag endlich nachholen.
Zumal der Bierpfad, der bereits 2005 eingeweiht wurde, in diesem Jahr (2021) eine Generalüberholung erfahren hat und um ein Fass erweitert wurde. So zählt der Pfad nun acht anstatt sieben Stationen. Mal schauen, was wir alles so entdecken…
Kleine Vorbereitung
Der Bierpfad ist eine gemütliche Strecke von ca. 2,5 km durch die Altstadt entlang der Wallanlagen und bietet Spannendes und Interessantes für Groß und Klein zur Einbecker Biergeschichte. Ob zu Fuß, mit dem Rad oder dem Kinderwagen, die Strecke ist trotz kleiner Anhöhen für jede und jeden gut zu bewältigen.
Für die Orientierung holen wir uns in der Tourist-Information im Eickeschen Haus den Flyer zum Bierpfad mit dem Stadtplan und der eingezeichneten Route. Der Flyer ist auf Deutsch und Englisch verfasst. Zudem kann auch hier über die Website von Einbeck Tourismus heruntergeladen werden. Er verrät er uns, dass wir den QR-Code-Scanner auf unserem Smartphone bereit halten sollen. Außerdem klackert da etwas verdächtig in Matthias´ Rucksack. Ich bin gespannt…
Fass Nr. 1: Die Tour beginnt
Wer die Augen offen hält, entdeckt sie sicherlich sofort: die kleinen weißen Bierfässer auf dem Pflaster der Altstadt. Diese werden uns den Weg weisen und eines zeigt uns auf dem Marktplatz unseren Startpunkt: Ein großes, metallenes Fass vor dem Alten Rathaus mit den drei markanten Spitztürmen. Auf dem Display des Fasses erfahren wir mehr über den Grund, weshalb Einbeck eigentlich eine Bierstadt ist, dass Einbeck die Heimat des Bockbieres ist, welche Regeln im Mittelalter für das Bierbrauen galten und was das Rathaus damit zu tun hatte. Der Text ist hier wie im Flyer ebenfalls nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch zu lesen. Ideal, wenn man mit Besuch aus dem Ausland unterwegs ist.
Natürlich schauen wir auch gleich, was sich hinter dem QR-Code verbirgt und können virtuell den Rathauskeller erkunden, in dem unter anderem auch Einbecker Bier gelagert wird.
Fotos: Vanessa Hauer
Fass Nr. 2: Historischer Biergenuss und Schalk im Nacken
Nur ein paar Meter weiter, mitten auf dem Marktplatz entdecken wir bereits das 2. Fass. Es steht mit Blick auf die Marktkirche, den Till-Eulenspiegel-Brunnen und das „Brodhaus“. Das „Brodhaus“ ist bereits mit seiner Fachwerkfassade ein Hingucker. Doch auf dem Fass erfahren wir noch mehr zu dieser historischen Gaststätte. Sie ist eine der ältesten in Niedersachsen. Denn bereits seit dem 14. Jahrhundert kann man hier zu regionalen Speisen das Einbecker Bier vom Fass genießen. So auch das Ainpöckisch Bier – das Bockbier, das nach der Originalrezeptur von 1378 gebraut wird. Heutzutage zum Beispiel bei einer Bierprobe oder dem Absolvieren des Einbecker Bierdiploms …
Fotos: Vanessa Hauer
Wir finden wieder einen QR-Code und so lauschen wir auf dem Weg zu Fass Nr. 3 der Geschichte von Till Eulenspiegel und wie er einem Einbecker Braumeister seine Streiche spielte.
Fass Nr. 3: Hopfen & Malz, Gott erhalt´s
Nach einem kurzen Spaziergang gen Norden stehen wir vor dem nächsten Fass, mit direktem Blick auf die Münsterkirche St. Alexandri. Wir erfahren mehr zum wohlschmeckenden Geschmack und dem gesundheitlichen Nutzen des Bieres. Aber auch, dass selbst der Reformator Martin Luther ein großer Fan des Einbecker Hopfengetränks gewesen sein soll. So soll er zu seiner Hochzeit das Einbecker Bier ausgeschenkt haben und 1521 sprach er auf dem Reichstag zu Worms die berühmten Worte:
„Den besten Trank, den einer kennt, der wird Ainpöckisch Bier genennt.“
Martin Luther
Fotos: Vanessa Hauer
Wer Lust auf einen kleinen Abstecher hat, kann einen Blick in die Münsterkirche werfen.
Besonders beeindruckend ist das Chorgestühl. Es ist auf 1288 datiert und somit das älteste in Deutschland. Zudem ist es mit Holzschnitzereien verziert, unter anderem auch mit der Darstellung von Hopfendolden. Mal schauen, wer sie entdeckt. Sollte man jedoch Pech haben und die Kirche ist leider geschlossen, so bietet ein Link hinter dem QR-Code eine 360°-Ansicht vom Gotteshaus.
Wir verschieben den Besuch in der Münsterkirche auf einen anderen Tag und folgen weiter den weißen Fässern auf dem Weg, überqueren einen Zebrastreifen und stehen schon bald vor der beeindruckenden Fassade des StadtMuseums.
Fass Nr. 4: Rund um das Museum
Links vor dem Eingang des StadtMuseums erwartet uns bereits das nächste Fass. Auch dieses hält einige, interessante Fakten für uns parat. So gab es im 17. Jahrhundert mehr als 700 Brauhäuser in der Stadt, also Bürgerhäuser mit dem Recht zum Brauen. Außerdem lernen wir, dass alle anderen Häuser sogenannte „Buden“ waren und kein Braurecht besaßen.
Fotos: Vanessa Hauer
Auch an dieser Stelle bietet sich wieder ein kleiner Abstecher an. Denn das Museum lockt u. a. mit einer Bierausstellung. Dort kann man neben historischen Zapfhähnen, Bierflaschen und Etiketten auch das älteste, original erhaltene Bierfass Deutschlands sehen. Zudem erfahrt ihr mehr zum „Einbecker Biertreck“, der 1969, ganz nach dem historischen Vorbild zu Zeiten der Hanse, eine Reise von Einbeck nach München angetreten ist. In originalen Kostümen und nur mit Pferdewagen sowie hoch zu Ross wurden Fässer mit Einbecker Bier in die bayrische Landeshauptstadt gebracht.
Als wir dann noch lesen, dass bei Ausgrabungen ein Bierglas mit fast 1 Liter Fassungsvermögen entdeckt wurde, bekommen wir auch langsam Durst. Aber erst einmal geht es mit Blick auf den schiefen Turm der Marktkirche weiter zu Fass Nr. 5.
Fass Nr. 5: Brauhaus an Brauhaus
Am Ende der Straße biegen wir nach rechts in die Tiedexer Straße ein. Das ist die Straße mit Einbecks ältester zusammenhängender Fachwerkzeile aus dem 16. Jahrhundert. Wir überqueren die Straße, laufen am Bioladen und dem Pub vorbei und erreichen Fass Nr. 5.
Fotos: Vanessa Hauer
Nun fallen sie uns ins Auge, die markanten hohen und rundbogigen Torbögen an den Häusern. Auf dem Fass erfahren wir, dass diese typisch sind für Brauhäuser. Denn hier wurde im Mittelalter die städtische Braupfanne auf einem Karren durchgefahren und in der Diele dahinter gebraut. Auch die Dachböden und Keller waren ideal auf das Brauen abgestimmt. Wenn man sich so ein Haus näher ansehen möchte, sollte man dem Geheimtipp hinter dem QR-Code folgen. Wir folgen nun aber weiter den weißen Fässern in Richtung der Wallanlagen.
Für Familien: Zwischenstopp auf dem Wall
Wer mit Kindern unterwegs ist, sollte sich nun am Anfang des Bäckerwalls auf eine kurze Pause einstellen. Denn sicherlich muss der 2020 neu gestaltete bzw. sanierte Spielplatz ausgiebig getestet werden. Auf der passend zum Standort errichteten Spiel-Stadtmauer kann geklettert, gehangelt, balanciert, gerutscht und Ritter gespielt werden. Es gibt aber auch eine Schaukel, eine Seilbahn und einen Sandkasten.
Fotos: Vanessa Hauer
Nur wenige Meter weiter wartet schon die nächste Ablenkung: Der Minigolfplatz an der Stadtmauer. Hier lässt es sich prima eine Runde spielen und ein Eis essen. Doch dann sollte man neugierig auf dem Bierpfad weiter ziehen zu Fass Nr. 6.
Fass Nr. 6: Bockbier – gut gekühlt
Wir haben den Spielplatz und den Minigolfplatz wortwörtlich links liegen gelassen und sind direkt auf dem Wall weitergelaufen. Nachdem wir die Hullerser Straße überquert haben, stehen wir bereits vor Fass Nr. 6.
Fotos: Vanessa Hauer
Dieses Fass steht am Krähengraben, einem weiteren Teil der Wallanlagen. Doch was haben diese eigentlich mit Bier zu tun? Das verrät uns das Fass: Für den Brauprozess wurde Kälte benötigt, denn je kälter die Gärung, desto höher der Alkoholgehalt. Deshalb wurde auch nur von September bis April gebraut. Im Winter wurden zur Kühlung Eisblöcke aus den mit Wasser gefüllten Stadtgräben geschlagen und in Eiskellern in den Wällen eingelagert. Schon spannend, was man so über seine Stadt erfährt, wenn man sie einmal mit anderen Augen betrachtet…
Überraschungen auf dem Wall
Jetzt sind wir schon eine ganze Weile unterwegs und erfahren immer mehr über Bier, doch auch mein Durst wird immer größer. Da greift Matthias schelmisch grinsend in seinen Rucksack und zieht…tatata.. zwei Flaschen Einbecker Radler heraus. Natürlich alkoholfrei, da wir ja nachher noch mit dem Rad nach Hause fahren wollen. Perfekt, jetzt haben wir ein Wegebier für unseren weiteren Wall-Spaziergang auf dem Bierpfad.
Fotos: Vanessa Hauer und Matthias Hauer
Auf unserem Weg entlang des baumumstandenen Walls kommen wir an ein paar weiteren Highlights vorbei. So sieht man auf der linken Seite hinter der Stadtmauer und auf Höhe der Brauerei ein bierisches Graffiti unserer Street-Art-Meile aufblitzen. Wer es genauer betrachten möchte, muss dazu auf Höhe des zweiten Spielplatzes am Wall einen Abstecher durch den Durchgang der Stadtmauer in die Hägerstraße machen. Dieser Spielplatz ist etwas kleiner als der am Bäckerwall, aber dafür auch etwas ruhiger. Zudem kommt man an der Ruine des Storchenturms vorbei. Der Turm war einer der ehemaligen Wachtürme der Stadtmauer.
Fotos: Vanessa Hauer
Nach ein paar weiteren Metern auf der Fassspur verlässt man den Wall und befindet sich nun im Offiziersgarten. Wer mag, kann am Ententeich einen Zwischenstopp einlegen. Ich weise jedoch darauf hin, dass sich hier neben Enten auch Gänse und Schwäne tummeln, die hin und wieder etwas frech werden können.
Fotos: Vanessa Hauer
Fass Nr. 7: Brauwasser und Gerste
Wir folgen dem Bierpfad nach links und stehen schon bald vor Fass Nr. 7. Es ist das neuste Fass und wurde erst im Sommer 2021 eingeweiht. Es steht vor dem „Historischen Wasserkasten“, einem der Einbecker Wahrzeichen. Diese brückenartige Konstruktion sorgt dafür, dass der Mühlenkanal über den Bach „Krummes Wasser“ hinweggeführt wird. Im 16. Jahrhundert erbaut, sorgte der Wasserkasten dafür, dass das Wasser aus dem Mühlenkanal die Einbecker Getreidemühlen antrieb, während das Wasser aus dem „Krummen Wasser“ zum Trinken und Bierbrauen verwendet wurde.
Fotos: Vanessa Hauer
Und da sind sie auch schon, zwei der Grundzutaten für Bier: Brauwasser und Gerste. Beides kommt noch heute direkt aus der Region. Während der Hopfen, wie schon seit Jahrhunderten, aus der Hallertau in Bayern bezogen wird.
Unser Weg führt uns weiter über den Historischen Wasserkasten, am Diekturm vorbei und durch den Offiziersgarten. Die Wege sind teilweise unbefestigt, deshalb sind hier die Bierfässer auch nicht am Boden, sondern auf Schildern am Wegesrand zu finden. Unterwegs lauschen wir, dem QR-Code sei Dank, einer Anekdote über den Diekturm, dessen Rückseite man efeubehangen durch die Bäume sehen kann. Dann biegen wir links ab und überqueren eine Holzbrücke. Noch einmal links und wir sind auf der Benser Straße. In der Entfernung kann man bereits wieder den Turm der Marktkirche sehen. Nach ein paar Metern kommen wir an der Vorderseite des Diekturms vorbei und wir können uns hier die Anekdote noch einmal bildlich vorstellen.
Fotos: Vanessa Hauer
Wo ist Fass Nr. 8?
Wir laufen weiter die Benser Straße entlang, überqueren ein paar Seitenstraßen und gelangen zum Neustädter Kirchplatz. Also, fast… Denn leider wird der Neustädter Kirchplatz, auf dem das finale Fass Nr. 8 stehen sollte, aktuell umgestaltet und ist aufgrund der Bauarbeiten umzäunt. Fass Nr. 8 ist ebenfalls nicht zu sehen. Eigentlich sollte es mit Blick auf die Einbecker Brauerei auf dem Platz stehen. In der Tourist-Information erfahren wir, dass das Fass aufgrund der Bauarbeiten vorübergehend eingelagert ist. Doch schon bald soll es wieder an seinem Platz stehen.
Fotos: Vanessa Hauer
Solange behelfen wir uns mit Fass Nr. 8 im digitalen Bierpfad auf der Tourismus-Website von Einbeck. Der Text hier verrät uns mehr zur Geschichte der Brauerei und dass nach dem Dreißigjährigen Krieg das erste Gemeinschaftsbrauhaus entstand. Nach einigen Irrungen und Wirrungen wurde dann 1967 die Einbecker Brauhaus Aktiengesellschaft gegründet. Die Brauhaus AG ist heutzutage international tätig, aber immer seinen Einbecker Wurzeln treu geblieben.
Die Brauerei kann auch besichtigt werden. Mehr Informationen dazu findet man hier.
Update vom 06.12.2021: Das Fass Nr. 8 steht nun wieder am Neustädter Kirchplatz, direkt am breiten Fußgängerweg entlang der Benser Straße. Aufgrund der Umgestaltung wurde das Fass ein paar Meter Richtung Norden versetzt, doch natürlich wieder mit Blick auf die Brauerei. Ein Schild an einer Straßenlaterne weist auf den neuen Standort hin.
Fotos: Vanessa Hauer
Auf ein Bier in die Altstadt
Da sicherlich nicht jeder wie wir ein Wegebier dabei hat, dürstet es die meisten nun sicherlich nach einer Stärkung. Kein Problem, folgt dazu einfach den Bierfässern wieder zurück in die Altstadt. Hier werdet ihr sicherlich schnell fündig und könnt euch durch die Einbecker Bierwelt probieren. Schaut euch dazu auch den bierigen Blogbeitrag von meinem Kollegen Erik an.
Fotos: Vanessa Hauer
Mein Fazit
Der Bierpfad ist definitiv etwas für die ganze Familie. Denn die Fässer geben den Erwachsenen und älteren Kindern interessante Informationen, auch mithilfe der Audiospuren und den anderen Geheimtipps. Dank der kleinen Abstecher am Wegesrand wird es auch den kleineren Entdeckern nicht langweilig. Aber auch für Paare, Kleingruppen oder Alleinreisende ist der Bierpfad ideal, da sie Einbeck dadurch unabhängig von einer Stadtführung und ganz in ihrem Tempo entdecken können.
Die Strecke von 2,5 km kann man in 1,5 – 2 Stunden absolvieren. Wenn man sich aber Zeit nimmt und einige der Tipps am Wegesrand mitnimmt, dann sollte man schon einen halben Tag einplanen. So kann man als Abschluss zum Mittag oder Abendessen in der Altstadt einkehren und das theoretische Bierwissen in die Praxis umsetzen. Auch bieten sich entlang des Bierpfades immer wieder schöne Fotomotive, die sich im Laufe der Jahreszeiten wandeln.
Fotos: Vanessa Hauer
Der Einbecker Bierpfad ist auf jeden Fall immer wieder einen Rundgang wert. Zumal wir ja gar nicht dazu gekommen sind, alle Tipps auszuprobieren. Ein perfektes Ziel also für einen Spaziergang, wenn wir wieder einmal Besuch bekommen.
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