Heute scheint ein guter Tag zu werden, um einen neuen Stadtteil in Hannover zu erkunden. Die Idee kam mir beim Durchblättern des Reiseführer des Zufalls. Ein strahlendblauer Himmel lacht mich nach dem Aufwachen durch das Schlafzimmerfenster an und der Wetterbericht verkündet den bislang wärmsten Tag des Jahres. Während die Sonne um die Ecke kommt und mir einen ersten Eindruck der kommenden Hitze vermittelt, kommt mir eine Idee. Ich schnappe mir mein Fahrrad und nutze die paar freien Vormittagsstunden und das tolle Wetter um ein wenig Hannover zu erkunden. Ich freue mich darauf, ein paar neue Eindrücke dieser Stadt zu sammeln und neue Ecken zu erkunden. Meistens bewegt man sich ja doch in seinem eigenen engen Radius, im immer gleichen Milieu und den gleichen Kiezen. Heute wird also Hannovers Stadtteil Waldhausen entdeckt.
Heute fange ich an, neue Abenteuer zu suchen. Gesagt, getan. Nur wo beginne ich? Beim Blick auf die Stadtkarte fällt mir auf, dass so ziemlich alles außerhalb der Oststadt, List, Mitte, Nordstadt und Limmer eine große unbekannte Fläche ist. In Anbetracht des zu erwartenden heißen Wetters und des passenden, kühl klingenden Namens, entscheide ich mich für Waldhausen. Zumindest vom Namen her verspricht dieser kleine, mir bislang völlig unbekannte Stadtteil eine schattige, entspannte, Hipster freie und naturnahe Erkundungstour. Naherholung im urbanen Raum und vor allem Ruhe. Schauen wir mal, ob dieses klischeebeladene Schubladendenken tatsächlich mit der Realität übereinstimmt. Hannovers Stadtteil Waldhausen entdeckt.
Auf nach Waldhausen!
Ich beschließe, den Hinweg auf der direkten Route entlang der Hildesheimer Straße, eine der urbanen Lebensadern der Stadt, zu bestreiten. Tatsächlich ist die Straße groß, laut und vielbefahren. Viele Geschäfte und Restaurants sind hier zu finden und für die frühe Zeit ist auf den Geh- und Radwegen schon eine Menge los. Dazu noch die oberirdisch auf der Hildesheimer Straße verkehrende Straßenbahn. Puh, dieses Großstadtflair in Verbindung mit der Hitze lässt die Vorfreude auf das schattige Idyll schnell anwachsen.
Das geübte Auge des Veganers alter Schule registriert indische, thailändische, vietnamesische und italienische Restaurants. Ich werde also nicht verhungern, falls ich trotz der Hitze doch Appetit bekommen sollte. Nach etwa 20 Minuten Fahrtzeit erreiche ich den Ausgangspunkt meiner Expedition, den Döhrener Turm.
Der sagenumwobene Wartturm wirkt auf Bildern deutlich größer als in der Realität. Er erscheint aber mit seinem sattgrünen Efeubewuchs herrlich märchenhaft und wie aus der Zeit gefallen. Wäre da nicht die Straßenbahn und der dichte Verkehr, böte sich mit dem Turm und der Eilenriede ein schönes Panorama, welches zu längerem Verweilen einladen würde. Aber, noch sind wir ja im großstädtischen Raum und noch spürt man es. Auch wenn die Bäume der Eilenriede und die erkennbaren Villen einen verheißungsvollen Eindruck erwecken, in eine ruhige Region abzutauchen.
Ruhe, Pracht und Schatten. Halleluja
Ich beginne in der Waldhausenstraße in Hannovers Stadtteil Waldhausen. Tatsächlich, der Eindruck täuscht nicht. Waldhausen, der Name ist Programm. Die Bäume entlang der Straße spenden Schatten, die Eilenriede zeichnet sich hinter den Häusern ab, wow. So in etwa habe ich es mir tatsächlich vorgestellt. Schon die Luft ist anders, es riecht nach Bäumen, Natur, satt und schwer.
Die gepflegten Gärten mit ihrer üppigen Blumenpracht tragen einen großen Teil zum Dufterlebnis bei. Dazu kommt die Ruhe, man hat nicht das Gefühl in der Stadt zu sein. Von der Hildesheimer Straße ist schon nach wenigen Metern nicht mehr wirklich viel zu spüren und zu hören. Die Bäume verschlucken und dämpfen den Lärm. Österreich scheint bei der Namensgebung der Straßen das Motto in Waldhausen zu sein. Das zeigen beispielsweise die Linzer, Innsbrucker, Wiener oder Salzburger Straße. Dazu mit der Bozener und Meraner Straße ein bisschen Südtirol, passt irgendwie ins Alpenbild.
Üppige Häuser und Stadtvillen
Was alle Straßen gemein haben, sind die prächtigen Villen und Häuser aus der Jahrhundertwende. Fachwerk, Türmchen und Erker, dekorative Verzierungen, dazu parkartige Gärten mit mächtigen, alten Bäumen und gepflegte Blumenbeete. Für Architekturbegeisterte gibt es hier an allen Ecken etwas zu entdecken. Nicht nur die Häuser und Gärten zeugen von Wohlstand und davon, in einem der teuersten Wohnviertel Hannovers zu sein. Auch die vielen parkenden SUV’s legen dies einem Nahe. Auch wenn es nur wenige Straßenzüge sind und Waldhausen mit seinen knapp über 2.000 Einwohnern ein recht kleiner Stadtteil ist, kann man hier doch einige Zeit verbringen und durch die Straßen schlendern, die Häuser bewundern und die Gärten betrachten.
Geschäfte und Restaurants sucht man hier abseits der Hildesheimer Straße vergebens, ebenso Passanten. Man verliert das Gefühl in der Stadt zu sein und fühlt sich wie auf dem Dorf. Und wie es auf vielen Dörfern so üblich ist, beschleicht einen auch hier in Waldhausen schnell das Gefühl, von den Anwohnern aus ihren Fenstern heraus argwöhnisch beobachtet zu werden. Man sieht die sich bewegenden Gardienen und erahnt silber- und grauhaarige Silhouetten hinter den Vorhängen. Lustig, und für geborene Städter bestimmt auch ein wenig befremdlich, aber für mich eine Zeitreise in die Jugend.
Die schönste Straße Hannovers?
Auf der gegenüberliegenden Seite der Hildesheimer Straße geht die Güntherstraße ab, die sich in Pracht und Schönheit sogar tatsächlich ein wenig von den anderen Straßen Waldhausens abhebt. Die Güntherstraße zieht sich von der Eilenriede fast bis zum Maschsee am Rudolf-von-Bennigsen Ufer, was für eine unglaubliche Lage. Kein Wunder, dass die Güntherstraße jährlich zu den schönsten Straßen Hannovers gezählt wird und unter Denkmalschutz steht.
Am Maschsee angekommen, raste ich ein paar Minuten am Ufer und beobachte die Enten und Schwäne. Auch hier kein Trubel, kaum Menschen unterwegs, phantastisch. Eigentlich meide ich den Maschsee wegen seiner Überlaufenheit, der vielen Menschen und der Hektik so gut es geht. Hier aber lässt es sich wunderbar aushalten, zumindest dienstags in der Mittagszeit.
Eine kleine Pause zwischendurch
So langsam bekomme ich Durst und suche den Biergarten Vier Jahreszeiten auf, der mir schon bei der Ankunft am Döhrener Turm aufgefallen ist. Eine schöne und einladende Anlage unter den Bäumen der Eilenriede und direkt an der Hildesheimer Straße. Die meisten Tische sind bereits besetzt, die Vier Jahreszeiten scheinen beliebt zu sein. Von hier aus habe ich jetzt das eingangserwähnte Panorama auf den Döhrener Turm und die Eilenriede, schon schön.
Ein Blick auf die Speisekarte verrät mir, dass ich hier eher nicht fündig werde und die Freunde des Fleischverzehrs klar als Zielgruppe definiert ist. Steaks, Spare Ribs, Schnitzel, Wurstsalat, Roastbeef, auch das ist wie erwartet. Für ein Bier ist es mir in der Hitze zu früh und ich gönne mir eine Maracujaschorle, bevor ich mich auf mein Fahrrad schwinge und durch die Eilenriede und entlang des Landwehrkanals zurück gen Heimat fahre.
Alles in allem war es ein schöner Ausflug. Hannovers Stadtteil Waldhausen entspricht in vollem Umfang dem Bild, das sich mir beim Klang des Namens und der Lage auf der Karte im Kopf gebildet hat. Das Schubladendenken hatte in diesem Fall recht. Ein Dorf im urbanen Raum, eine grüne Oase mit tollen Gebäuden, idyllisch in die Eilenriede gebettet, mit dem Maschsee zu Füßen. Besser geht es nicht. Interessiert man sich für Architektur oder sucht man eine schnelle Auszeit von der Stadt, dann ist Waldhausen einen Besuch wert. Dazu lockt die Eilenriede mit ihren mannigfaltigen Wander- und Fahrradrouten. Ein echtes Abenteuer. Etwas wirklich Aufregendes war Waldhausen aber nicht. Aber eigentlich hatte ich das ja auch nicht gesucht.
Was meine Blogger-Kolleginnen und Kollegen mit dem Reiseführer des Zufalls erlebt haben, das könnt ihr hier nachlesen: Mit dem Reiseführer des Zufalls durch Niedersachsens Städte.
[…] Lifestyle bevorzugt oder shoppen möchte, dem ist Waldhausen wohl zu verschlafen und piefig. Hier liest du mehr zu dem kleinen, feinen Stadtteil in […]