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In Bremerhaven ist der Klabautermann heimisch

bremerhaven segelschiffe
Alle fünf Jahre kommen rund 120 Holzsegler zur „Sail Bremerhaven“ – ob das die Menge der Klabautermänner in der Stadt erhöht, wissen wir aber nicht. © Foto: Wolfhard Scheer

Wer an der Küste aufwächst, der wird mit Ebbe und Flut, Windjammern und Containerschiffen, Möwen und Strand groß. Und mit „Seemannsgarn“, Geschichten vom Leben auf dem Meer, die seit Jahrhunderten erzählt werden. Eine ist die vom Klabautermann, der in der Segelschifffahrt eine große Rolle spielt. In Bremerhaven kann man dem eigentlich unsichtbaren Kobold sogar leibhaftig begegnen …. und das habe ich letzte Woche für euch getan.

Solange er klopft, ist alles gut. Sagen die Seeleute, und die müssen es wissen. Vor allem die auf Windjammern, wie dem letzten deutschen Vollschiff „Schulschiff Deutschland“. 1927 in Bremerhaven gebaut, liegt das schmucke, fahrtüchtige Segelschiff im Neuen Hafen in den Havenwelten. Ich steige zu gern an Deck und auf die alten Planken und schaue die großen Masten hinauf – mit nur wenig Fantasie bläst der Wind ordentlich in die Segel und treibt das Schiff und mich auf die Nordsee hinaus, dem Sonnenuntergang entgegen. Ach ja – aber so romantisch wird es gar nicht gewesen sein, das Leben an Bord. Selbst mit einem klopfenden Klabautermann nicht.

Der Kalfathammer, das Handwerkszeug nicht nur des Klabautermanns. Die Nähte zwischen hölzernen Schiffsplanken mussten ständig ausgebessert werden, zum Beispiel mit Teer. Mit dem Hammer wurde die Masse in die Nähte geschlagen. © Foto: Dörte Behrmann im Deutschen Schiffahrtsmuseum.

Tatsächlich gab es auch langweilige Momente, man stand ja nicht nur an der Reling und schaute aufs Meer hinaus. Im „Nationalmuseum Deutsches Schifffahrtsmuseum“ erfahre ich etwas über die Herkunft der Seemanns-Sage. Danach haben die Männer aus altem und geteertem Tauwerk sogenanntes „Schiemannsgarn“ gesponnen und weil das keine so sonderlich anstrengende Arbeit war, wurden währenddessen Geschichten im Grenzbereich von Wahrheit und Dichtung erzählt. Eine war eben die vom Klabautermann.
Kann man sich vorstellen: Die Hände sind in Bewegung, der Geist wird gerade nicht gebraucht – da hat man meist tolle Einfälle. So entstand das sogenannte „Seemannsgarn“. Die Frauen daheim erzählten sich ihre Wahrheiten eben beim Spinnen.

Über Jahrhunderte soll die Klabautermann-Sage mündlich von Segler zu Segler gewandert sein. 1821 kann sie zum ersten Mal in Deutschland in Schriftform nachgewiesen werden. Schon 1826 nimmt Heinrich Heine sie in sein Werk auf: In seinem Reisebericht „Die Nordsee“ berichtet er von einem Seemann, der ihm auf Nachfrage vom Klabautermann als dem guten, unsichtbaren Schutzpatron der Schiffe erzählt.

Im Sommer plätschert sogar das Wasser leise und mit dem Grün der Bäume ist dieser Platz nördlich des Museumshafens ganz zauberhaft zum Entspannen und den Möwen nachgucken. © Foto: Dörte Behrmann

Der gute Schutzpatron. Ein Wesen, das mit einem großen Hammer die Planken des Schiffs abklopft und auf undichte Stellen prüft. Der diese im Ernstfall sogar selbst abdichtet. Als solcher wird er mit dem „Klabautermann-Brunnen“ dargestellt, den der Bildhauer Hermann Joachim Pagels 1911 fertigte. Der Standort auf der Terrasse des historischen Restaurants „Wasserschout“ ist gut gewählt: Von dort blickt das Männlein in Stein auf die „Seute Deern“ und damit auf sein Schutzobjekt.

Wie bei allen Geschichten von See, so gibt es auch beim Klabautermann Interpretationsspielraum: Pagels macht den Hammer eckig, tatsächlich ist er rund, wie man im Deutschen Schiffahrtsmuseum nachschauen kann. © Foto: Dörte Behrmann

Doch der Klabautermann ist nicht nur der gutmütige Schiffskobold. Er soll auch außergewöhnliche Kräfte besitzen und Unwetter voraussagen können. Tatsächlich lauerten durch Wind und Wetter ja ständig Gefahren auf den Seglern, was sicher selbst den hartgesottensten unter den Seemännern zugesetzt haben muss. Da ist es einerseits beruhigend zu wissen, dass da jemand über einen wacht. Andererseits lauerte immer die Sorge, dass das Klopfen aufhört – solange er klopft ist alles gut – und das Schiff damit seinem Unheil entgegen fährt. Stelle ich mir ziemlich anstrengend vor, bei all dem Ächzen und Stöhnen des Schiffes ständig ein Ohr für das hoffentlich nicht aufhörende Klopfen zu behalten.

Sieht eigentlich richtig nett und freundlich aus, die Klabautermann-Figur von Hermann Joachim Pagels. © Dörte Behrmann

So richtig einig ist man sich in Bremerhaven nur nicht mit der Gestalt des Klabautermanns. Während Pagels den Kobold wie einen alten Seemann mit Pfeife in der Hand und dem sogenannten „Südwester“ auf dem Kopf darstellt, dem man als Kapitän sein Schiff und die Besatzung gern anvertraut, hat man wenige Schritte weiter im Kunstmuseum eine ganz andere Vorstellung. Dort befindet sich gleich im ersten Raum des 2007 eröffneten Museums die „Windsbraut“, eine raumgroße Installation. Der Blick fällt schnell auf die hölzernen Planken des halben Schiffsrumpfes, denn der drängt sich aus der Wand förmlich auf. Im Inneren des Rumpfes und hinter einem abgetrennten Frauenkopf sowie zwei wuchtigen Brüsten kauert ein kleines Männlein. Zwar ist alles aus Birkenholz gezimmert und damit eigentlich lieblich – doch im Kontrast mit den aus Sichtbeton verkleideten Wänden des Raumes entsteht tatsächlich eine unwirkliche und irgendwie schaurige Atmosphäre. Die Künstlerin Paloma Varga Weisz bietet keine Interpretation für das Männlein im Schiffsinneren an, aber klar ist doch: Hier an der Küste kann es nur der Klabautermann sein! Leider darf ich kein Foto von dem Kunstwerk zeigen – aber überzeugt euch doch einfach selbst!

Zu jedem Holzsegler gehörte zum Schutz nicht nur der Klabautermann sondern auch eine Galionsfigur. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Hier sehr ihr die vergoldete Germania. © Foto: Dörte Behrmann im Deutschen Schiffahrtsmuseum.

Weitere Informationen:

Nationalmuseum deutsches Schifffahrtsmuseum: Feierte im letzten Jahr seinen 40. Geburtstag und zeigt nahezu alles zur deutschen Seeschifffahrt.
Tipp: Unbedingt eine Führung mitmachen!

Kunstmuseum Bremerhaven: Das quaderförmige Museum im Zentrum der Stadt (und nur fußläufig von der Seute Deern und dem DSM entfernt) zeigt seit 2007 eindrucksvoll Ausschnitte aus der reichhaltigen Kunstsammlung der Seestadt.
Tipp: Nicht nur den Werken von Joseph Beuys oder Paula Modersohn-Becker die Aufmerksamkeit schenken, sondern auch der zeitgenössischen Kunst. Spannend!

Beitrag wurde am 9. Januar 2017 aktualisiert.

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