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Seuchenausstellung in Hildesheim: Fluch der Vergangenheit-Bedrohung der Zukunft

Seuchenausstellung im RPM Hildesheim

Seuchenausstellung im RPM Hildesheim

Seuchen – das Thema klingt aktueller denn je. Durch die Corona-Pandemie wurden wir in eine Lage gebracht, die wir vorher nicht kannten. Themen wie: Hygiene, Mundschutz, Impfungen, Desinfektionsmittel und Kontaktnachverfolgungen sind mittlerweile ständige Begleiter unseres Alltags. Doch ist diese Situation wirklich völlig neu in unserer Geschichte? Bei einem Besuch in der Seuchenausstellung in Hildesheim im Roemer-Pelizaeus-Museum wird man eines Besseren belehrt. Begleitet mich bei einer Reise durch die Zeit, auf den Spuren einer der größten Gefahren unserer Menschheitsgeschichte. Auf geht’s!

Ein ständiger Begleiter der Menschen

Nach Betreten des Museums werden wir freundlich willkommen geheißen und unsere Führung kann beginnen. Zu Anfang bin ich mir sicher, dass ich durch unsere aktuelle Situation sehr gut verstehen werde, wie sich die Menschen damals gefühlt haben müssen. Erst im Laufe der Führung wird mir bewusst, was für ein Privileg es ist, in der heutigen modernen Welt zu leben und welchen Einfluss das auf jedes einzelne Menschenleben.

Krankheiten – Eine Strafe der Götter

Im alten Ägypten nahm man an, dass Seuchen entstanden, wenn die Götter verärgert waren. Genauso glaubte man aber auch, die Götter durch Magie wieder besänftigen zu können. Erst Hippokrates von Kos, der ungefähr 460 v. Chr. geboren ist, ging davon aus, dass es natürliche Ursachen für Krankheiten gab. Der griechische Wanderarzt vermutete, dass die vier Körpersäfte: Blut, Schleim, Galle und schwarze Galle im Gleichgewicht sein müssen, damit ein Mensch gesund bleibt. Die Annahmen erwiesen sich zwar als falsch, jedoch war es das erste Mal, dass der Grund für Krankheiten nicht bei den Göttern gesucht wurde.

Deshalb wird Hippokrates auch „Der Vater der Medizin“ genannt. Außerdem ist auch heute noch der „Hippokratische Eid“ wichtig, der zum Beispiel die Sauberkeit bei chirurgischen Eingriffen und die Schweigepflicht beinhaltet. Ich persönlich finde es unvorstellbar, ganz am Anfang aller Infektionsforschungen zu stehen, und gleichzeitig zu versuchen Wege zu finden, um Menschenleben zu retten.

Der schwarze Tod: Die Pest

© RPM, Foto Chris Gossmann

Im nächsten Teil der Ausstellung stehen wir vor einer Menschenfigur, die von oben bis unten in schwarz gekleidet ist und aussieht, als hätte sie einen Schnabel vor dem Mund. Wir erfahren: Eine der schlimmsten Pandemien der Weltgeschichte verbreitete sich im 14. Jahrhundert von Asien über den Nahen Osten, bis nach Europa und löschte dort ca. 40% der damaligen Weltbevölkerung aus. Ungefähr 20 bis 50 Millionen Menschen starben an der Infektionskrankheit, die sich rasend schnell ausbreitete.

Im Mittelalter nannte man die Pest den schwarzen Tod, da sie sich durch schwarze Beulen auf der Haut bemerkbar machte. Die von Flöhen übertragenen Bakterien verursachten oft eine Beulenpest, bei der es aber Überlebenschancen gab. Kamen die Bakterien jedoch ins Blut oder in die Lunge, starb man nach kurzer Zeit an einer Pestsepsis beziehungsweise an einer Lungenpest.

Kranke Menschen mussten 40 Tage in Quarantäne und ihre Häuser wurden mit einem Kreidekreuz gekennzeichnet. Ärzte besuchten die Kranken nur mit einem langen Mantel, Handschuhen, einem Hut und einer typischen Schnabelmaske, damit sie geschützt waren. Selbst heute gibt es noch, vor allem in Afrika, ca. 2000 Neuinfektionen im Jahr. Auch in Hildesheim starben hunderte Menschen an der Pest. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was für eine Panik sich damals breitmachte und wie machtlos man gegenüber dieser Seuche war. Es muss ein ständiges Hoffen gewesen sein, dass man nicht der nächste Patient sein wird.

Öffentliche Leichenschauen – Das anatomische Theater

In einem anderen Raum ist plötzlich ein großes Holzgebilde zu sehen. Es ist rund und hat mehrere Etagen, von denen aus man in die Mitte auf einen Bildschirm schauen kann. Wir erfahren, dass es sich hier um ein anatomisches Theater, einem Vorführraum, ähnlich einem griechischen Theater, handelt. In der Mitte gab es damals einen Tisch, auf dem eine zu sezierende Leiche lag. In unserem Fall kann man sich auf einem Bildschirm alle Bestandteile des menschlichen Körpers anschauen.

Was für uns wie eine simple Holzkonstruktion aussieht, war damals ein Startschuss für die moderne Anatomie. Im Mittelalter war es fast nur möglich, medizinisches Wissen theoretisch zu vermitteln. Der Arzt Andreas führte im 16. Jahrhunderts öffentliche Sektionen durch, um den Aufbau und die Struktur des menschlichen Körpers kennen zu lernen und die Ursachen von Krankheiten zu verstehen. Später wurde das anatomische Theater auch in Universitäten für das Medizinstudium eingesetzt. Ich frage mich, ob es Vesal damals klar war, was für einen Grundstein der Medizin er gelegt hatte, und was für eine Bedeutung das für die darauffolgenden Generationen hatte. Mir wird jetzt erst richtig bewusst, dass es Zeiten gab, als die Menschheit noch nicht wusste, wie ein Körper von Innen aussieht.

Der Anfang der modernen Impfungen

Als wir in den nächsten Abschnitt der Ausstellung kommen, wird uns schnell bewusst, dass dies ein besonderer Raum ist. Er stellt eine Seuche vor, die Jahrhunderte lang wütete und viele Leben forderte. Es geht um die Pocken, oder auch Blattern. Sie waren dafür verantwortlich, dass die Körper der Erkrankten mit Pusteln und Hautpocken übersät waren.

Hoffnung schenkte im 18. Jahrhundert der englische Arzt Edward Anthony Jenner, der einen Weg erfand, gegen die Pocken immun zu werden. Er impfte einem Kind die Kuhpocken, die einen leichten Verlauf verursachten, ihn aber immun gegen die gefährlichen Menschenpocken machte. Diese Erfindung war natürlich bahnbrechend und wird als der Anfang der modernen Impfungen gesehen. Im Jahr 1980 wurden die Pocken durch Massenimpfungen der WHO weltweit für ausgerottet erklärt.

Ich finde es total erstaunlich, wie ein tödliches Virus, welches Angst und Tod bringt, durch die Hilfe der Experimentierfreude eines Arztes für besiegt erklärt werden kann.

Louis Pasteur – Mitbegründer der modernen Mikrobiologie

Als wir uns zur nächsten Station unserer Führung bewegen, kommt mir der Name „Pasteur“ zu Ohren. Ich denke sofort an das Pasteurisieren von Milch und möchte wissen, wie ich das ins Thema „Seuchen“ einordnen kann. Die Erklärung kommt sofort: Der französische Chemiker, Physiker und Mikrobiologe Louis Pasteur der von 1822 bis 1895 lebte, gilt als Mitbegründer der modernen Mikrobiologie.

Er sorgte für sensationelle Erfolge, die dabei halfen, Infektionen vorzubeugen. Er belegte, dass Krankheiten nicht durch giftige Ausdünstungen der Erde oder der Luft, sondern durch Mikroorganismen entstehen. Dadurch konnten viele Krankheitserreger gefunden und eine entsprechende Impfung hergestellt werden. Außerdem erforschte er vor allem Milzbrand und Tollwut und erfand eine Impfung für Zweiteres. Das Abtöten von Keimen durch Erhitzen, also das Pasteurisieren, wurde auch von Louis Pasteur entdeckt, jedoch bin ich sehr froh, dass ich nun weiß, dass hinter seinem Namen so viele weitere bahnbrechende Erfindungen stecken.

Robert Koch – Ein Revolutionär der Infektionsforschung

Das Robert-Koch-Institut (RKI) ist heute in aller Munde. Täglich meldet die Forschungseinrichtung die täglichen Inzidenzzahlen. Doch was hat es eigentlich mit dem Namensgeber auf sich? Der nächste Ausstellungsabschnitt sorgt für Antworten. Robert Koch lebte von 1843 bis 1910 und war ein bedeutender Bakteriologe. Nicht nur, dass er die Ursache von Milzbrand, Tuberkulose und Cholera herausfand, auch ist er entscheidende Schritte für die Seuchenbekämpfung gegangen und hat Grundlagen für die moderne Infektionsforschung gelegt.

Er erhielt den Nobelpreis für das Entdecken des Erregers von Tuberkulose, welche damals die zweithäufigste Todesursache in Deutschland war. Im Jahr 1885 wurde Robert Koch Professor an der der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin, in der ein eigenes Forschungsinstitut für ihn gegründet wurde, wo heute auch noch seine Urne steht. Später wurde dieses in das „Robert-Koch-Institut“ umbenannt. Ich denke, wenn ein Mensch es verdient hat, dass die selbstständige Bundesbehörde und zentrale Forschungseinrichtung der Bundesrepublik Deutschland nach ihm benannt wird, dann ist es Robert Koch.

Die zufällige Entdeckung von Penicillin

In dem Raum, den wir jetzt betreten, ist ein großes Bild zu sehen, auf dem ein Mann eine Petrischale betrachtet. Es ist der britische Mediziner Alexander Fleming, der zufällig Penicillin entdeckte. Man könnte sogar behaupten, dass dies durch fehlende Sauberkeit geschah. Im Jahr 1928 hatte er Bakterien gezüchtet und vergessen die Gefäße vor seinem Urlaub wieder zu säubern beziehungsweise zu entsorgen.

Als er von seiner Reise wieder zurückkam, bemerkte er, dass auf dem Nährboden Schimmelpilze gewachsen waren, die die Bakterien abtöteten. Einige Jahre später konnte das sogenannte Penicillin dann als erstes Antibiotikum gegen Infektionskrankheiten eingesetzt werden. Alexander Fleming erhielt dafür den Nobelpreis für „Physiologie oder Medizin“. Ich muss sagen, diese Entdeckung ist eine meiner liebsten in der ganzen Seuchenausstellung. Alexander Fleming hat das Penicillin zwar nicht im Schlaf entdeckt, aber durch einen Urlaub. Ist das nicht viel besser?

Ein Virus mit Millionen Neuinfektionen jährlich

Im nächsten Raum, den wir betreten, steht plötzlich das riesiges Modell eines Virus. Es ist rund und sieht aus als hätte es hunderte Stacheln. Ich kann sogar hindurch gehen und es von innen betrachten. Es erinnert mich ein wenig an das Modell eines Coronavirus. So spannend es auch ist dieses Virus von Nahem zu betrachten, so wichtig ist es zu wissen, welche Auswirkungen dieses Virus auf den Menschen haben kann. In diesem Raum geht es um HIV.

Heute haben Erkrankte fast die gleiche Lebenserwartung wie gesunde Menschen, trotzdem ist es immer noch die Infektionskrankheit, die weltweit am meisten Tote fordert. Wird HIV nicht behandelt, kann es zu der Immunschwächekrankheit Aids führen, an der man innerhalb weniger Wochen sterben kann. Die durch Geschlechtsverkehr verbreitete Krankheit verursacht jährlich ca. 2,3 Millionen Neuinfektionen. Insgesamt gibt es ca. 35 Millionen Todesfälle weltweit durch Aids. Ich finde es gut, dass mittlerweile immer mehr auf dieses Virus aufmerksam gemacht wird, damit die Menschen vorsichtiger durchs Leben gehen.

Das Corona-Virus stellt unsere Welt auf den Kopf

Am Anfang der Ausstellung war ich mir noch sicher – durch die weltweite Lage, in die uns das Corona-Virus gebracht hat, gibt es wahrscheinlich kaum etwas, was mich bezüglich Seuchen noch schocken könnte. Nach der Führung durch das Museum weiß ich es allerdings sehr viel besser. Die Lungenkrankheit Covid-19 trat erstmals 2019 in China auf.

Was damals noch als weit entferntes Virus galt, breitete sich schnell auf der ganzen Welt aus und kostete bereits fast 4,5 Millionen Menschenleben. Außerdem forderte es ein intensives Seuchenmanagement, ein persönliches Hygieneverhalten und einen radikalen Einschnitt ins öffentliche Leben durch den Lockdown. Einerseits ist es wirklich erstaunlich wie schnell sich ein Virus, gerade durch die Globalisierung, über die Ländergrenzen hinweg verbreiten kann und wie schwer es ist, diese Krankheiten wieder auszulöschen.

Was mich jedoch absolut fasziniert ist, wie sich die Medizin über die Jahre entwickelt hat. Nicht nur, dass es durch das Seuchenmanagement möglich ist, die Infektionen so niedrig wie möglich zu halten, auch gab es schon ein Jahr nach Ausbruch des Virus einen funktionierenden Impfstoff. Doch das war nicht ganz zufällig so. Die Ausstellung hat uns vor Augen geführt, wie die Menschheit einst vor dem Nichts stand und was nötig war, um zu der Entwicklung zu kommen, die es uns heute ermöglicht, schnell auf Seuchenausbrüche zu reagieren.

Es war eine Teamarbeit über Jahrtausende, in der auf die Entdeckungen der vorherigen Generationen aufgebaut wurde. Die Ausstellung steht unter dem Motto: „Fluch der Vergangenheit-Bedrohung der Zukunft“. Ich denke jedoch, so sehr wir auch durch das Corona-Virus überrascht wurden, so dankbar können wir aber auch über jeden Fortschritt in der Medizin sein, der uns Schritt für Schritt für alle neuen Herausforderungen ausrüstet.

Mein Fazit: Ein Besuch der Seuchenausstellung in Hildesheim lohnt sich sehr – ihr habt noch bis zum 01. Mai 2022 Zeit euch davon selbst zu überzeugen!

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