Einmal im Jahr plane ich zusammen mit meiner langjährigen Freundin eine Radtour. Eben soll es sein, nicht überlaufen und landschaftlich schön. Da ich hier in Verden lebe, bin ich in diesem Jahr beim Aller-Radweg gelandet, den ich noch nicht gefahren bin. Sie reist mit Pack und Sack per Bahn an, Verden ist mit der Bahn sehr gut erreichbar. Meine Freundin hat zu Pferden ein respektvoll distanziertes Verhältnis, zu Kirchen ein entspannteres: Also schauen wir uns vor dem Start der Radtour den Dom an und stärken uns natürlich noch mit einer Verdener Spezialität.
Torten vom „Feinschmecker“ ausgezeichnet
Nun sitzen wir nach der Domtour im Café Erasmie, das der „Feinschmecker“ in die Liste der besten Cafés Deutschlands aufgenommen hat. Vor mir die Bismarcktorte, vor meiner Freundin die Seifert´sche Spezialtorte, ein Muss, die Torten sollte man einfach genießen, wenn man in Verden ist: viel Schokolade, viel Sahnecreme, viel Marzipan und Mandelböden und sicher viele, viele Kalorien. Egal – als Auftakt für eine Radtour genau das Richtige.
Die Tische draußen sind gut besucht, die Leute wie immer freundlich-gemächlich unterwegs und genießen ihr Leben, so wie wir Verdener es eben tun. Die ehemalige Bischofsstadt Verden strahlt eine Ruhe aus, die sich schnell überträgt. Mit entsprechend verlangsamtem Schritten haben wir die Stadt in den letzten eineinhalb Stunden durchstreift hängengeblieben. Das grünliche schimmernde Kupferdach des Domes dominiert die Fußgängerzone auf angenehme Weise und wirkt wie ein überdimensioniertes Zelt.
Kuriose Geschichten aus dem Dom
Der Nordeingang neben dem romanischen Turm erscheint dagegen fast beengt und klein. Er wird für Hochzeiten geöffnet und der Raumeindruck muss gigantisch sein, wenn man in diesen riesigen, festsaalgleichen Kirchenraum tritt. Mit Kronleuchtern, leuchtend roter Decke und strahlend weißen Wänden. Exakt 66 Meter hat die Braut bis zum Altar zu durchschreiten…“absolutes Gänsehautfeeling in Kombi mit den einfallenden Sonnenstrahlen durch die hohen Fenster “ beschreibt mir diese Szenen die nette Dame vom pädagogischen Kirchendienst, und „umgekehrt“ sei ihres Wissens noch keine Braut, ergänzt sie grinsend.
Sie hat noch viele skurrile Details zum Dom für mich auf Lager. Zum Beispiel zu seinen hellen Fenstern. Eine irgendwie tragische Geschichte: Wenige Tage vor Kriegsende haben übereifrige Verteidiger der Stadt Verden noch mal eben die Allerbrücke gesprengt und durch die damit ausgelöste Detonation sämtliche alten Fenster des Domes (bis auf eines) zerstört. Wirklich dumm gelaufen einerseits…andererseits vielleicht auch ein gewisses Glück, denn so kam der Dom zu seinen hellen und mangels Geld schlichten Fenstern, die jeder Hochzeit bei Sonnenschein die TOP-Romantik-Atmosphäre verleihen. Und noch eine Geschichte zum Dom: er hat zwei fest eingebaute Orgeln, von denen die ältere 3650 (!) Orgelpfeifen besitzt. „Ziemlich daneben“ freut sich „meine“ nette Kirchenführerin über meine totale Fehleinschätzung von 500 Pfeifen. Die kleinste Pfeife ist so groß wie ein kleiner Finger, die größte misst 3 Meter. Noch eine Besonderheit ist das gewaltige Pentagramm, das in das Masswerk des Nordfensters eingebaut ist – vom Norden kam das Böse, so dachte man im Mittelalter, und Böses wehrte man am Besten mit Bösem ab, eben jener Hexensymbolik.
Sofort im Grünen – der Allerradweg
Wir schlendern runter an die Aller, durch das ehemalige Fischerviertel. Die Häuser unglaublich klein, verwinkelt und über ihnen taucht immer wieder das grünliche Dach des Domes auf. Seit der Reformation ist der Dom evangelisch. Die Allerradweg-Schilder wecken schon unsere Vorfreude auf die Radtour. Leider bleibt uns keine Zeit all die schönen Sachen in Verden zu sehen: die süßen kleinen Geschäfte zu durchstöbern oder die Verdener Dünen im Stadtwald zu besichtigen oder auch die anderen schönen Kirchen zu besuchen. Vielleicht bleibt uns bei der Rückkehr unserer Tour noch ein wenig Zeit.
Auf die Schnelle habe ich meiner Freundin das Wichtigste gezeigt, aber jetzt müssen wir endgültig los, sonst schaffen wir unsere geplante Tagesetappe nicht mehr. Wir machen uns auf zum Startpunkt des Allerradweges. Die Sonne ist rausgekommen und wir starten. Vorher muss ich meiner Freundin noch das Versprechen geben, bei unserer Rückkehr meine Bischofsstadt noch weiter zu erkunden. Das riesige Dach des Domes begleitet uns noch eine Weile auf dem Aller-Radweg – das ist mal eine andere Skyline denke ich. Noch ein Nachtrag zu den Pferden: begegnet sind uns „in echt“ keine, allerdings machen einem 500 Messinghufeisen, die in den Gehweg eingelassen sind, rasch klar, wo man sich befindet.
Es lohnt sich also auch mal bei einem Startpunkt eines Radweges „Land und Leute“ ringsum zu betrachten.