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Kostenlos Kunst entdecken in Göttingen

Schwimmende Humboldt-Pinguine an der Hauswand

Göttingen - Murals in der Weststadt

Göttingen ist mit rund 100 künstlerischen Arbeiten unterschiedlichster Stile und Formen im Stadtgebiet ein Geheimtipp für Kunstliebhaber. Und das Beste: die Kunst im öffentlichen Raum und an einigen anderen Orten kann für umme betrachtet und erlebt werden. Ich nehme Euch mit auf eine kleine Entdeckungstour durch die südniedersächsische Universitätsstadt, die nicht nur Wissen schafft, sondern auch Kunsterlebnisse. Kommt mit zum Kostenlos Kunst entdecken in Göttingen.

Drei Kunstwerke an einem Ort

Ein Ort an dem die Kunst geballt zu finden ist, ist der Innenhof der Paulinerkirche, unweit des Alten Rathauses. Wenn man nicht den Blick in den kleinen Innenhof wendet, ist man in der Straße Papendiek schnell daran vorbeigelaufen, ohne die kleinen Schätze zu entdecken, die sich dort verbergen. Direkt am Eingang zum Innenhof stolpert man zuerst über ein Objekt, das eine große Hand zeigt, die einen Fisch hält. Ein Motiv, das ich eher in meiner alten Heimat an der Nordsee vermuten würde, mich aber hier, fernab des Meeres, stutzen lässt. Die Auflösung liegt in bzw. auf der Hand, wenn man den Namen des Werkes und des Künstlers hört: „Butt im Griff“ von Günter Grass. Der Literatur-Nobelpreisträger hat im Göttinger Steidl-Verlag sein Gesamtwerk veröffentlicht, u. a. auch den Roman der Butt, und immer eine besondere Beziehung zu seinem Verleger und zur Stadt gepflegt.  

Butt im Griff von Günter Grass

Das nächste Kunstwerk, das ins Auge sticht, ist der auf einer Bank sitzende Georg Christoph Lichtenberg, ein berühmter Göttinger Universal-Gelehrter und Begründer des deutschen Aphorismus. Passend zu seinem Leben und der hinter dem Kunstwerk befindlichen alten Bibliothek der Göttinger Universität, ist er umgeben von Büchern. Viele Besucher lassen sich hier mit dem berühmten Sohn der Stadt, den Volker Neuhoff gestaltet hat, fotografieren. Die beiden Sandsteinbänke laden dazu augenscheinlich ein.

Lichtenberg-Denkmal vor der Paulinerkirche

Direkt neben dem Butt erinnert ein interaktives Kunstwerk an einen weiteren berühmten Sohn der Stadt, an Carl Friedrich Gauß. Die Nachbildung des Gauß-Weber-Telegrafen ziert ein etwas sperriger Satz. „Ruf doch gleich mal zuhause an und erzähle, dass du gerade an dem Ort bist, an dem in Göttingen 1833 die erste elektromagnetische Telekommunikation stattgefunden hat. Und dass du gerade selbst ausprobiert und nacherlebt hast, wie umständlich es damals war“, ist in 26 verschiedenen Sprachen darauf zu lesen. Sogar im klingonischen Original. Dieses Kunstwerk markiert, gemeinsam mit seinem Gegenstück an der historischen Sternwarte in der Geismarlandstraße, den Anfang und Endpunkt der ersten elektromagnetischen Telegrafenleitung weltweit.

Der Gauß-Weber-Telegraf

Das Kunsthaus im Nikolaiviertel

Ebenfalls im Bereich der Altstadt befindet sich ein neues Kunst-Highlight der Stadt: Das Göttinger Kunsthaus. Vom Innenhof der Paulinerkirche bis hier ins Nikolaiviertel sind es zu Fuß nur gemütliche 10 Minuten Wegstrecke – wenn man langsam läuft. In der Düsteren Straße Nr. 7 ist seit Sommer 2021 ein Ausstellungsgebäude für Arbeiten auf Papier, Fotografie und neue Medien beheimatet.

Kunsthaus Göttingen im Kuqua

Hochkarätige, zeitgenössische Kunst in Göttingen

An seiner schlicht grauen, horizontal strukturierten und nahezu fensterlosen Putzfassade scheiden sich die Geister. Die einen lieben sie, manche finden sie diplomatisch ausgedrückt diskussionswürdig. Viel wichtiger ist, meiner Meinung nach, was sich dahinter verbirgt. Gerhard Steidl, Gründungsdirektor, Verleger und, laut Karl Lagerfeld, „bester Buchdrucker der Welt“, hat hier, mit Unterstützung der Stadt und Förderern aus der Wirtschaft, seine Jahrzehnte alte Vision eines Ausstellungshauses verwirklicht. Mit dem Ziel, hochkarätiger, zeitgenössischer Kunst mit internationaler Ausrichtung mehr Raum und Präsenz zu geben.

Dass dies gelungen ist, zeigt der Erfolg der bislang gezeigten Ausstellungen. Auch der Innenhof des Kunsthauses ist für Besucher geöffnet, mit Kinderspielplatz und dem absolut sehenswerten „House of Words“ des Pop-Art-Künstlers Jim Dine. Und klar, wenn ich in diesem Artikel darüber berichte, dann ist der Eintritt ins Göttinger Kunsthaus natürlich frei.

Das „House of words“ von Jim Dine.

Das Nikolaiviertel hat sich übrigens im Laufe der letzten Jahre nicht nur zu einem Kunst-Hotspot entwickelt, sondern auch zu einem Ausgehviertel. Wer sich zu diesem Zeitpunkt schon mal von all der Kunst erholen möchte, dem empfehle ich gerne das P-Café im Nikolaikirchhof 11. Im Sommer mit großer Außenterrasse, oder das Birds in der Nikolaistraße 8. Und da die Kunst ja nichts kostet, kann das Geld guten Gewissens in Tee und Kuchen investiert werden.

Noch mehr über das Kunsthaus könnt ihr übrigens im Blogbeitrag von Christoph erfahren.

Das Skulpturenensemble in der Leineaue

Natürlich gibt es in der Göttinger Innenstadt noch zahlreiche weitere öffentliche Kunstwerke, die ich hier vorstellen könnte. Ich möchte euch stattdessen aber gerne in zwei besondere Ecken bringen, die nicht jeder Besucher unserer Stadt entdeckt und die selbst mancher Göttinger nicht sofort mit Kunst in Verbindung bringt.

Unweit des Bahnhofs, auf seiner westlichen Seite, fließt meistens gemächlich das Wasser der Leine seinem fernen Ziel in der Nordsee entgegen. Für die Einheimischen sind die Wege rechts und links des Flusses wie ein Grüngürtel. Vom Kiessee im Süden erstreckt er sich bis zu den kleinen Wäldern und Feldern im Norden der Stadt. Dementsprechend beliebt ist der Bereich bei Radfahrern, Spaziergängern und Sportlern. Im Abschnitt zwischen Groner Landstraße und Godehardstraße wird auch Kunstinteressierten etwas geboten. Hier befindet sich ein kleiner Skulpturenpark, der fünf Plastiken von drei Künstlern und einer Künstlerin beherbergt.

Das Skulpturen-Ensemble „Sprechen“ und „Hören“

Ensemble „Sprechen und Hören“

Die beiden auffälligsten Objekte sind sicherlich „Das große Gesicht“ und die „Ohrmuschel“. Beide Skulpturen sind aus Beton gearbeitet und wurden bereits im Jahr 1973 von Professor Jürgen Weber erschaffen. Der Künstler wollte mit seinem Werk die menschliche Verständigung darstellen: der geöffnete Mund fürs Sprechen und die Ohrmuschel fürs Hören. Wahrscheinlich auch deshalb war die Gesamtkonzeption der Gewinner eines „Kunst am Bau“-Wettbewerbs der Deutschen Bundespost in Göttingen. Das Unternehmen war bis in die 90er Jahre noch Monopolist, was die Kommunikation per Telefon anbelangte. Vom Gelände der Deutschen Bundespost gelangte die Skulptur später an ihren heutigen Standort an der Leine.

Skulptur Klangwelle

Weitere Werke im Skulpturenpark sind die „Begegnung“ von Luis Guerrero, einem Meisterschüler von Joseph Beuys, die „Klangwelle“ der Künstlerin Baecher-Duisburg sowie der „Wasserstein“ von Wolf Bröll. Letzterer zeichnet auch für einige Kunstwerke in der Göttinger Innenstadt verantwortlich. So etwa am Stadtwall und vor den Eingängen zum Börner-Viertel. Vor allen Skulpturen sind Info-Tafeln mit einem QR-Code in den Boden eingelassen worden, der hilft, die Werke einzuordnen.

Murals in der Göttinger Weststadt – Mauer statt Leinwand

Vom Flussbett der Leine ist eigentlich schon der halbe Weg in die Göttinger Weststadt geschafft. Allerdings liegen die Kunstwerke, die ihr euch dort unbedingt anschauen solltet, nicht in unmittelbarer Nähe zueinander. Deshalb kann es Sinn ergeben, sich am Bahnhof ein Fahrrad zu leihen und damit durch die Leineaue entspannt dem letzten Ziel entgegen zu radeln.

Mural in der Pfalz-Grona-Breite 12

Als ich zum ersten Mal vom Jubiläumsprogramm „Weststadt hoch 25“ hörte, in dessen Rahmen die Kunstwerke geschaffen wurden, fragte ich mich, was um alles in der Welt Murals sind. Von Street Art hatte ich schon viel gehört, Graffiti-Kunst natürlich genauso. Aber Murals? Inzwischen bin ich schlauer. Gemeint sind damit großformatige Wandmalereien an Häuserwänden oder Straßen. Im Gegensatz zu Graffiti handelt es sich bei Murals oft um beauftragte Arbeiten oder freie Werke. Sie sollen für einen bestimmten Zeitraum oder langfristig den öffentlichen Raum verschönern. Und genau das ist auch in Göttingen der Fall.

Zuerst mussten die passenden Häuserfassaden gefunden, dann Partner fasziniert und Künstler begeistert werden. Aber Ausdauer und Überzeugungskraft haben schließlich zum Erfolg geführt. Besonders schön finde ich, dass vier der fünf Künstler ihre Ateliers im nahe gelegenen Kultur- und Veranstaltungszentrum Musa e.V. haben und somit Locals sind.

Mural im Königsstieg 85

Jedes der Wandgemälde erzählt seine eigene Geschichte. Geschaffen wurden die Werke übrigens von Agatha Czarny, Dennis Mau, Patricia Saavedra, Dylan Sara und Käff. Dennis und Agatha sind z. B. für das Mural im Königsstieg 85 verantwortlich. Der Besitzer des Hauses, die Städtische Wohnungsbau, hatte den Künstlern nur eine Vorgabe gemacht: es sollte etwas mit Meerblick sein. Was dabei herausgekommen ist, finde ich beeindruckend. Ob es das ist, was sich der Eigentümer tatsächlich vorgestellt hat, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Weitere Murals befinden sich in der Pfalz-Grona-Breite 12, im Rosmarinweg 22-24 und im Rosenwinkel 47. Was klar wird beim Betrachten der Wandmalereien ist die enorme Vielfalt der Kunstwerke: in Maltechniken, Motiven und Weltansichten. Von fröhlich, optimistisch und bunt reichen sie bis zu politischen und gesellschaftskritischen Motiven. Und eins der Kunstwerke zeigt sogar die Gesichter der Menschen, die hinter jener Fassade und in diesem Viertel leben. Grandiose Idee.  

Mural mit Bewohner des Hauses und des Viertels

Jetzt kann es zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem Bus wieder in die Altstadt zurückgehen. Wer noch nicht genug von der Kunst in Göttingen hat, kann hier weiterziehen oder sich gemütlich in eins der zahlreichen Restaurants begeben. Bei einem leckeren Abendessen können so die Eindrücke noch einmal Revue passieren .

Ich wünsche euch viel Spaß beim Entdecken der kostenlosen Kunst in Göttingen.

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