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Der Schatz am Mühlensee

Prunkstücke aus der Manufaktur des Moskauer Patriarchats in der Holzkirche Gifhorn

Prunkstücke aus der Manufaktur des Moskauer Patriarchats in der Holzkirche Gifhorn © Südheide Gifhorn GmbH

In Karl Mays Abenteuerroman „Der Schatz im Silbersee“ machen sich Winnetou, Old Shatterhand und Old Firehand auf die Reise zum Silbersee. Dort wurde eine Silberader entdeckt und ein Schatz soll dort versteckt sein. Meine Reise zum „Schatz am Mühlensee“ ist wesentlich kürzer und ungefährlicher. Die Russisch-Orthodoxe Kirche des Heiligen Nikolaus in Gifhorn hat sehr viel davon, was einen Schatz ausmacht. Denn sie hortet wertvolle Dinge, sie ist von hohem kulturellen Wert und sie ist in ihrer Form sehr selten. Allerdings ist sie nicht schwer zu finden, weil sie steht auf dem Gelände des Gifhorner Mühlen-Freilichtmuseums steht, nur wenige Schritte vom Mühlensee entfernt.

Der Gifhorner Mühlensee mit der Russisch-Orthodoxen Kirche im Hintergrund © Südheide Gifhorn GmbH

Das Museumsgelände ist nach der Winterpause wieder geöffnet. Ich bin mit Philipp Oppermann, dem Geschäftsführer des Museums, verabredet. Als ich mich auf den Weg mache, ist der Himmel von nur wenigen Wolken bedeckt. Die Sonnenstrahlen haben freien Zugang auf die Kirche und verleihen ihr einen ganz besonderen Glanz. Obwohl ich schon oft hier war, bin ich immer wieder erstaunt und fasziniert von der Architektur und Ästhetik des Gebäudes. Über den hölzernen Aufgang betrete ich die Kirche und treffe Philipp Oppermann. „Wie ist die Russisch-Orthodoxe Kirche überhaupt nach Gifhorn gekommen?“, möchte ich von ihm wissen.

Wie die Russisch-Orthodoxe Kirche nach Gifhorn kam

Horst Wrobel, ehemaliger Eigentümer des Mühlen-Freilichtmuseums, war bei einem Russlandbesuch 1992 derart angetan von diesem Bauwerk, dass er nicht ruhte, bis er die Bauzeichnungen der Holzkirche in Händen hielt und den Nachbau umsetzen konnte. Die Kirche stammt ursprünglich aus dem zentralrussischen Dorf Kosljatjewo, wo die Gutsfrau Fedossja Nikititschna Poliwanowa sie 1756 erbauen ließ. Als guterhaltene Holzkirche mit besonders wertvoller Architektur wurde die Kirche 1965 in das Staatliche Freilichtmuseum für Holzarchitektur in Suzdal umgesetzt, in dem Horst Wrobel sie entdeckte.

Meisterliche Architektur

Die Kirche des Heiligen Nikolaus ist ein beachtliches Beispiel russischer Holzbaukunst, das Horst Wrobel und seinem Team erst einmal viele Rätsel aufgab. Viele Geheimnisse und Kniffe der Architektur waren nicht überliefert und mussten neu erarbeitet werden. Was mit einem 1:10-Modell begann, wurde dann in Originalgröße 1995 fertiggestellt.

Die Architektur der Kirche ist außergewöhnlich © Südheide Gifhorn GmbH

Insgesamt wurden über 400 Kubikmeter bestes Lärchenholz verbaut. Die längsten Balken messen zwölf Meter. Die Grundfläche ist kreuzförmig. Mit einer Längenausdehnung von knapp 17 Metern und einer Breite von über zwölf Metern ist die Grundfläche viel kleiner, als die imposante Wirkung des Baukörpers vermuten läßt. Die Kirche ist 27 Meter hoch und innen bis zur Spitze offen. Die Stufenkirche besitzt acht zum Teil vergoldete Kuppeln.

Die russisch-orthodoxe Gemeinde

In Gifhorn gibt es eine große russisch-orthodoxe Gemeinde. Die Kirche wird regelmäßig für den Gottesdienst genutzt, der hier an Sonntagen und orthodoxen Feiertagen gefeiert wird.
Am 24. November 1995 besuchte der Patriarch von Moskau, Aleksij II., geistliches Oberhaupt der rund 100 Millionen russisch-orthodoxen Christen, das Mühlenmuseum in Gifhorn. In einem feierlichen Akt wurde dem Patriarchen von der Familie Wrobel die Kirche des Heiligen Nikolaus übergeben. In einer Andacht hat Patriarch Aleksij II. die Kirche gesegnet.

Der Altar der Russisch-Orthodoxen Kirche © Südheide Gifhorn GmbH

Geistliche Schätze und Ikonen

Im Untergeschoss der Kirche ist eine Ausstellung von Prunkstücken aus der Manufaktur des Moskauer Patriarchats zu sehen. Hier gibt nicht nur Ikonen, Öllampen und Leuchter, sondern auch Gewänder und Stickereien, Becher, Taufgefäße, Bibeln und weitere liturgische Gegenstände für den Gottesdienst und für kirchliche Feiertage. Außerdem schmücken zahlreiche wertvolle Ikonenmalereien die Wände. Ikonenmalereien sind in der orthodoxen Kirche ist es das gemalte Wort der heiligen Schrift.

Ikonen im Untergeschoss der Kirche © Südheide Gifhorn GmbH
Prunkstücke aus der Manufaktur des Moskauer Patriarchats © Südheide Gifhorn GmbH

Mein Fazit

Ich bin kein tief religiöser Mensch. Aber die Stille und die würdevolle Atmosphäre der Russisch-Orthodoxen Kirche haben mich wieder bewegt. Kaum habe ich einen Fuß in die Kirche gesetzt, wird aus einem kraftvollen Sprechen ein leises Flüstern. Aus einem schnellen Gehen wird ein ein vorsichtiges Wandeln. Ich denke über Dinge nach, die in der Hektik des Alltags verloren gegangen sind. Hier gibt es keine Verkehrsgeräusche, keine lauten Stimmen, keine klingelnden Handys. Ich bleibe noch eine Viertelstunde alleine in der Kirche und gehe dann: Mit freiem Kopf, entspannt und gelassen.

Die Kirche kann zu den Öffnungszeiten des Mühlen-Freilichtmuseums besichtigt werden.

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