Website-Icon about cities | Der Städteblog für Niedersachsen

Kostenlos Kunst gucken in Osnabrück

Kostenlose Kunst im öffentlichen Raum in Osnabrück

Achtung: Kunst! Zuweilen werde ich im Alltag – ganz ohne Absicht und ganz ohne Vorwarnung – zum Kunstbetrachter, wenn ich in meiner Heimatstadt Osnabrück unterwegs bin. Der viel bemühte Spruch „Ist das Kunst oder kann das weg?“ erübrigt sich – stehen die Kunstwerke in der Regel auf festen Fundamenten an ihrem Platz, mal historisch, mal zeitgenössisch, auf jeden Fall fest integriert in unsere Stadtlandschaft. Einmal aufmerksam geworden, entdecke ich immer wieder Neues oder bisher Übersehenes. Für Kunstinteressierte llohnt sich ein Spaziergang durch die Stadt also in jedem Fall, oder besser: Mehrere Spaziergänge! Denn auch in den Stadtteilen außerhalb der Innenstadt, in Parks und Grünanlagen oder auf Friedhöfen findest du Kunst, soweit das Auge reicht.

Ein Spaziergang entlang der Kunst im öffentlichem Raum in Osnabrück

Heute geht es mal auf einen kleinen Parcours durch unsere Innenstadt. Auf kürzestem Weg kann ich hier viele Kunstwerke entdecken und dabei Interessantes über Osnabrück erfahren oder auch einfach prima in das Lebensgefühl unserer Friedensstadt eintauchen.

Ausgangspunkt ist das historische Rathaus. Hier, ebenso wie in Münster, wurde vor 375 Jahren der Westfälische Friede zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges verhandelt und von der Rathaustreppe verkündet. Der Friedenssaal im Rathaus kann tagsüber kostenfrei besichtigt werden. Aber nun zum ersten Kunstwerk, das einem auf dem Wegins Rathaus ins Auge – bzw. in die Hand – fällt: Die Klinke an der Rathaustür. Sie wurde von dem Osnabrücker Künstler Fritz Szalinski in Form einer Friedenstaube gestaltet; auf dem Griff findet sich die Inschrift „Frieden 1648“. Szalinski hat im Osnabrücker Stadtbild zahlreiche künstlerische Spuren hinterlassen – gleich an mehreren Orten findet man seine Plastiken. Übrigens: Es gibt hier den Brauch, dass unverheiratete Frauen an ihrem 25. Geburtstag die Rathausklinke putzen müssen, bis sie von einem Junggesellen freigeküsst werden. Die Klinke ist also schön blank geputzt…

Türklinke am Historischen Rathaus (c) Sven Christian Finke-Ennen

1200 Jahre Geschichte mit 1200 Figuren erzählt

Vom Rathaus führt mich der Weg über den Marktplatz zum nebenan gelegenen Platz des Westfälischen Friedens. Dort steht und plätschert der „Bürgerbrunnen“ des Osnabrücker Künstlers Hans-Gerd Ruwe.

Der Brunnen erzählt von der 1200-jährigen Geschichte der Stadt, die im Jahr 1980 gefeiert wurde. Abgebildet sind 1200 Figuren und Gegenstände aus 1200 Jahren Stadtgeschichte. Auf der Brunnenspitze ist Kaiser Friedrich Barbarossa zu sehen. Er verlieh der Stadt 1171 die Stadtrechte, die es den Osnabrückern ermöglichte, einen Schutzwall um ihre Stadt zu ziehen. In vielen Details werden Szenen aus den Leben der Osnabrücker Bürgerinnen ubd Bürger durch die Jahrhunderte gezeigt. Auch von Hans-Gerd Ruwe sind etliche Kunstwerke im Stadtgebiet zu besichtigen.

© Dieter Schinner und Sven Christian Finke-Ennen

Unübersehbar: die Skulpur auf dem Theater-Vorplatz

Nur ein paar Gehminuten entfernt liegt der Platz der Deutschen Einheit vor dem Theater. Hier ist ein recht großes Kunstwerk unübersehbar.

Joachim Bandaus Skulptur „Toleranz, Gleiches Gewicht – Gleichgewicht“ besteht aus zwei unterschiedlich gefertigten Formen aus Kupfer und Stahl. Ungeachtet der materiellen und optischen Unterschiede von Halbkreis und Kupfertafel weisen beide Platten dasselbe Gewicht von 11 Tonnen auf und stehen in einem sich gegenseitig bedingenden Verhältnis zueinander. In ihren labilen, kippenden Positionen können sie sich nur gegenseitig im Gleichegwicht halten. Es besteht also trotz unterschiedlicher Formen, Farben und Materialien eine grundlegende Gleichheit zwischen den Gebilden. Ähnlich wie jeder Mensch, ganz gleich welche individuellen Eigenschaften oder äußerliche Merkmale er besitzt, stets ein Mensch bleibt. Der zentrale, wirkungsvolle Standort der Skulptur auf dem Theater-Vorplatz verweist auf die Position der Toleranz in der Gesellschaft, für die auch immer wieder Raum geschaffen werden sollte.

„Toleranz, Gleiches Gewicht – Gleichgewicht“ auf dem Theater-Vorplatz in Osnabrück © Sven Christian Finke-Ennen

Kostenlose Kunst auf dem Wochenmarkt in Osnabrück

Wochenmarkt am Dom (c) Sven Christian Finke-Ennen

Samstags gehört ein Gang über den Wochenmarkt neben dem Dom gerne zu meinem Wochenendproramm. Hier trifft man sich zum Einkauf regionaler Spezialitäten und zum Genuss diverser Leckereien. Dabei schaut Stadtvater und Staatsmann Justus Möser, der in diesem Jahr seinen 302. Geburtstag feiern könnte, von seinem Sockel aus zu, während er die Woche über nur auf parkende Autos blicken darf. Dazu hätte er bestimmt etwas zu sagen, ganz so, wie er sich zu vielen Themen des Alltags klug geäußert hat. Das Kunstwerk von Friedrich Drake (1805-1882) ziert seit 1836 diesen Ort, früher allerdings mit einem handgeschmiedeten Gitter umgeben – doch da musste er wohl noch nicht vor rangierenden Kraftfahrzeugen geschützt werden.

Möser-Statue von Friedrich Drake (c) Sven Christian Finke-Ennen

Eine Pause mit Kunst und Kaffee

So, nun ist auch mal Zeit für eine Kaffeepause. Rund um den großen Spielplatz am Adolf-Reichwein-Platz finde ich immer ein nettes Plätzchen für eine entspannte Auszeit. Das gastronomische Angebot lässt hier keine Wünsche offen. Auch hier steht Kunst im öffentlichen Raum, z.B. die von Manfred Setzepfand gestaltete Büste des Namensgebers dieses Platzes. Adolf Reichwein war Humanist, Pädagoge und Widerstandskämpfer in der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“. 1944 wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und in Plötzensee hingerichtet.

Am Adolf Reichwein Platz. Skulptur: Fritz Szalinski (c) Sven Christian Finke-Ennen

Bei einer Pause am Reichwein-Platz ein Muss: Ein Eis aus dem (nach eigenem Bekunden) „verrücktesten Eisladen der Welt“, Schlecks! Aus über einhundert Zutaten kann ich mir hier mein Eis ganz individuell zusammenstellen. Danach geht es weiter in Richtung Schlossgarten. Dort stehen einige zeitgenössische Kunstwerke; zum Beispiel Hein Sinkens kinetische Plastik „Windbewegtes Objekt”. Es ist immer wieder schön, vor dem Schloss zu verweilen und zu beobachten, wie sich die beiden Scheiben, obwohl optisch recht massiv, in lautloser Leichtigkeit im Wind drehen und die Sonne immer neue Lichteffekte auf den glänzenden Edelstahl zaubert.

Von Osnabrück nach Berlin

Vor der Kunsthalle Osnabrück fällt eine recht martialisch anmutende Skulptur auf. Diese könnte auch vom „Nagelkünstler“ Günther Uecker sein – ist sie aber nicht: Der „Große Nagelkopf“ von Rainer Kriester ist ein markanter Blickfang vor der ehemaligen Dominikanerkirche, die nun zeitgenössische Kunst beherbergt. Die meisten Objekte Kriesters, von ihm auch „Kopfzeichen“ genannt, beschäftigten sich mit abstrahierten Köpfen, die vorwiegend durch Stachel und Nägel gestaltet sind. Auch im Bundeskanzleramt in Berlin steht eine Arbeit von ihm.

Und noch eine künstlerische Parallele zu Hauptstadt lässt sich in Osnabrück entdecken: Am Ledenhof gegenüber dem Schloss hat die Deutsche Stiftung Friedensforschung ihren Sitz. Davor steht Rainer Fettings Skulptur „Willy Brandt – Die kleine Skulptur“. Der große bronzene Willy Brandt hat seinen Platz in der Berliner SPD-Zentrale.

Rainer Fetting: Willy Brandt (c) Sven Christian Finke-Ennen

In Osnabrück gibt es überall kostenlose Kunst

Ebenfalls mit seiner Kunst schon häufiger zu Gast in Berlin: der Osnabrücker Künstler Volker-Johannes Trieb, der sich mit seinen Keramiken und Kunstwerken aus Holz und Metall einen Namen gemacht hat. Immer wieder thematisiert er die Themen Krieg und Frieden.

Trieb gewann mit dem Kunstwerk „Koexistenz“ am Heger-Tor-Wall 1999 den 1. Preis des Skulpturenwettbewerbes arte regionale II der Kunsthalle Osnabrück. Ganz im Originalzustand ist das Werk allerdings nicht mehr: Der Baumstumpf, seiner Äste beraubt, der ursprünglich von der Stahlkonstruktion eingerahmt wurde, ist wohl der Witterung zum Opfer gefallen und wurde durch einen neuen Baum ersetzt. Bis dieser einmal die Dimensionen des alten Baums einnimmt, wird viel Zeit vergehen.

Von einem Kunstwerk zum Nächsten spazieren in Osnabrück

Ganz so, wie die Zeit vergeht, wenn ich mich durch meine Stadt treiben lasse, um überall interessante Kunstwerke im öffentlichen Raum zu entdecken oder wieder einmal zu besuchen. Je nach Jahreszeit und Licht sehen einige von ihnen immer wieder ganz anders aus. Und es macht Spaß, mehr über einzelne Werke, die Künstler oder den Kontext, wie und wann sie an ihren Platz gekommen sind, herauszufinden.

Eine gute Quelle dabei ist das Buch „Kunst im öffentlichen Raum“, das über die Website der Stadt Osnabrück auch kostenfrei zum Download bereitsteht.

Probiert es doch auch mal und lasst euch von der kostenlosen Kunst in Osnabrück überraschen!

Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Aktualisierung. Er wurde erstmals am 10. September 2020 veröffentlicht .

Die mobile Version verlassen