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Ein multimedialer Rundgang durch Osnabrücks Alltagsgeschichte

Spannende Geschichten erzählen, das kann Osnabrück gut. Da sind zum Beispiel die folgenreichen Friedensverhandlungen zum Westfälischen Frieden, der 1648 von der Osnabrücker Rathaustreppe verkündet wurde. Auch um die Bistumsgründung durch Karl den Großen im 800. Jahrhundert ranken sich so einige Mythen. Recherchiert man ein bisschen zu Osnabrück, stößt man unweigerlich auf diese „großen“ Personen und Momente der Stadtgeschichte. Weniger wissen wir über die „kleinen Leute“ – die Kaufleute, Handwerker, Hausfrauen und Arbeiter, die unsere Stadt vor 50, 100 oder 150 Jahren bewohnt haben. Wie mag ihr Alltag ausgesehen haben? Wie hat ihr Wirken die Stadt geprägt?

Einblick in die Handwerkskunst des letzten Jahrhunderts: Osnabrücker Schustermeister bei der Arbeit, 1950er Jahre ©G. Bosselmann, MIK Sammlung

Multimediale Zeitreise in 15 Stationen

Genau diese Alltagsgeschichte(n) hat das Museum Industriekultur mit dem Stadtrundgang OSNABRÜCKERLEBEN nun multimedial aufbereitet. An insgesamt 15 verschiedenen Schauplätzen des täglichen Lebens kann man den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel der letzten 150 Jahre episodenhaft erkunden. Die Themen sind vielfältig: Da geht es zum Beispiel um traditionsreiche Handwerksbetriebe und florierende Handelshäuser oder um die Anfänge der industriellen Produktion in Osnabrück. Man erfährt von heißen Diskussionen über große Bauprojekte und der heute oft vermissten Straßenbahn. Auch die Eröffnung des ersten Kinos, das Aufblühen der Altstädter Kneipenlandschaft und die Entstehung der ersten Krankenhäuser werden anschaulich dargestellt.

Digital und ganz individuell

Eine Übersicht aller 15 Stationen erhält man auf der Website des MIK oder über die kostenlose Digiwalk-App, die alle Standorte auf einer interaktiven Karte verortet und so eine einfache Navigation ermöglicht. Neben kurzen Erklärungstexten faszinieren vor allem die historischen Fotos und lebendigen Soundcollagen aus dem umfangreichen Archiv des MIK. Die ausgewählten Geschichten jeder Station werden so eindrucksvoll zum Leben erweckt. Als zusätzliche Orientierungshilfe sind an jedem Standort außerdem Informationstafeln angebracht, auf denen ein QR-Code zu den digitalen Inhalten führt.

Nachdem mir diese Infotafeln in den letzten Monaten immer mal wieder ins Auge gefallen sind, beschließen mein Co-Blogger Sven Christian und ich, OSNABRÜCKERLEBEN nun einmal selbst zu testen. Die Navigation per App ist wirklich kinderleicht. Besonders praktisch finden wir, dass man den Rundgang komplett flexibel und frei angehen kann. Es gibt keinen Startpunkt und keine festgelegte Reihenfolge der einzelnen Stationen. Wir können also spontan loslegen und zwischendurch eine kurze Pause einlegen, ohne etwas zu verpassen. Möchte man alle Standorte am Stück ablaufen, sollte man ca. 90 Minuten für den kompletten Rundgang einplanen. Schafft man dann nicht alle Stationen, kann man die digitalen Inhalte auch bequem von zuhause aus über die Website des MIK abrufen.

Blick in die Vergangenheit per QR-Code ©Sven Christian Finke-Ennen

Von Tabakhändlern, Schulschwänzern und Orgelbauern

Auch die Vielfalt und der Detailreichtum der Medien begeistern uns. Selbst als geborene Osnabrücker erhalten wir bisher unbekannte Einblicke in die Geschichte unserer Heimatstadt und gewinnen eine neue Perspektive auf die uns so wohlvertrauten Orte. Wer zum Beispiel glaubt, kontroverse Verkehrsplanung oder überengagierte Immobilienbesitzer seien ein modernes Phänomen, wird an der Station Große Straße/Ecke Jürgensort eines Besseren belehrt. Heute wird die Straße von einer Drogerie und einer Buchladenkette flankiert. Im Hintergrund eröffnet sich der Blick auf den Kirchturm der Katharinenkirche, immerhin das höchste mittelalterliche Bauwerk Westniedersachsens. Doch bis in die 1920er Jahre sah es hier noch ganz anders aus. Die historischen Fotografien aus dem Archiv des MIK bezeugen an dieser Stelle anschaulich den stetigen Wandel, dem das Stadtbild unterworfen ist.

Historisches Foto der ehemaligen Geschäfshäuser an der Großen Straße

Viel über Osnabrücks Handelsgeschichte erfahren wir am Rande der Altstadt anhand der heute noch gut erhaltenen Häuser Willman und Tenge in der Krahnstraße. Das Haus Tenge, so lernen wir, hat eine lange Geschichte als Handelsort für Genussmittel. In jüngerer Vergangenheit beheimatete es ein Gourmetrestaurant. Ab November öffnet die Osnabrücker Traditionspralinenmanufaktur Leysieffer hier ihre Türen. Mitte des 18. Jahrhunderts waren hier bereits die Geschäftsräume der Tabakfabrik Tenge untergebracht. Ein blühender Industriezweig im frühindustriellen Osnabrück. Wer hätte das gedacht?

Unser Fazit

Von unserer Tour haben wir viele weitere, spannende Informationen und unterhaltsame Anekdoten mitgenommen. Diese solltet ihr aber unbedingt selbst erkunden! Es ist faszinierend zu sehen, wie große gesellschaftliche Umbrüche – z.B. die Industrialisierung oder die Nachkriegszeit – das Stadtbild stetig verändert haben und auf welch bunte Historie einige der heute noch existierenden Bauwerke zurückblicken können. Wir empfehlen OSNABRÜCKERLEBEN allen, die gerne individuell und „auf eigene Faust“ Städte erkunden und mehr über ihre Geschichte abseits der großen historischen Schauplätze erfahren möchten.

Wenn ihr Lust habt, noch tiefer in Osnabrücks faszinierende Industriegeschichte einzutauchen, dann verpasst nicht unseren Beitrag „Abenteuer Piesberg“! Mehr über einige der bedeutenden Persönlichkeiten der Stadtgeschichte, könnt ihr außerdem bei einem Spaziergang über Osnabrücks historischen Friedhöfe erfahren.

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