Göttingen hat eine lange Basketballtradition, die aktuell dadurch gekrönt wird, dass, einmalig in Deutschland, sowohl die Damen als auch die Herren in der ersten Bundesliga spielen. Und: Die Göttinger Fans sind regelrecht basketballverliebt. Aber was macht eigentlich einen Fan aus und was ist das Besondere an den Göttinger Fans? Hier erfahrt Ihr es.
Kein Weg zu weit
Letzter Urlaubstag, 6.00 Uhr morgens, der Wecker klingelt. Bis Göttingen sind es 800 Kilometer. Dort spielt heute die BG Göttingen gegen Bayern München. Das Spiel wurde kurzfristig auf den Nachmittag vorverlegt. Gut, dass Fan-Schal und Dauerkarte schon im Reisegepäck sind, falls es zeitlich nicht reichen sollte, vor dem Anpfiff (bei uns im Basketball sagt man übrigens Tip-off) noch zu Hause vorbeizufahren.
Ich bin bekennender BG-Fan. Ich warte zum Saisonbeginn ungeduldig auf den neuen Spielplan. Die Heimspiele sind gesetzt, andere Freizeitaktivitäten müssen drum herum geplant werden. Ich bin parteiisch, wenn es um Schiedsrichterentscheidungen geht, und habe manchmal am Ende des Spiels keine Stimme mehr, weil ich natürlich die Mannschaft lautstark unterstützen musste. Aber ein Blick auf den Fan-Block zeigt, dass man noch deutlich mehr Fan sein kann als ich es bin.
Es geht los
Wir schaffen es rechtzeitig in die Halle. Die Erwartungen vor dem Spiel sind verhalten. Die Bayern haben die letzten Gegner regelrecht vom Platz gefegt. Vor dem Spiel geht es nur darum, wie hoch die Niederlage ausfällt. Dann ist Tip-Off und nach kurzer Zeit scheinen sich die schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten. „Wir“ liegen schnell deutlich hinten. Es ist erstaunlich ruhig. Dann ein, zwei umstrittene Schiedsrichterentscheidungen, die Fans wachen auf und die Spieler legen sich ins Zeug. In der zweiten Hälfte erzielt die BG zweimal den Ausgleich. Ist heute vielleicht doch eine Sensation möglich?
Die Schiedsrichter haben kein leichtes Spiel. „Natürlich immer für die Bayern“, ärgert sich mein Nachbar. Der Fanblock reagiert flexibel. Statt „Gegen Bayern kann man mal verlieren“ skandieren die Fans „Ohne Schiri habt ihr keine Chance“. „Wir“ verlieren am Ende, feiern die Mannschaft aber wegen ihres Kampfgeistes, als wäre das Spiel gewonnen.
Direkt nach dem Schlusspfiff treffe ich den wohl prominentesten Fan der BG Göttingen, Thomas Oppermann. Wann immer es sein Terminkalender zulässt, kommt er zu den Heimspielen der BG in die Arena. Er gesteht, dass er sich der Faszination des Göttinger Basketballs nur schwer entziehen kann. „Basketball ist ein unglaublich kraftvoller, schneller und technisch anspruchsvoller Sport. Da macht es einfach Spaß zuzuschauen und mitzufiebern.“
Wie aus Basketballern Veilchen wurden
Am Montag danach bin ich mit dem Geschäftsführer der BG, Frank Meinertshagen, im neuen Basketball-Zentrum verabredet. Als erstes treffe ich auf den Trainer, Johann Roijakkers, im lila Shirt. Dann kommt Frank – im lila Pullover. Lila ist die Vereinsfarbe der BG. Entsprechend spielt die Mannschaft, wenn möglich, im lila Trikot. Zu Beginn meiner Fan-Kariere fand ich das schon etwas befremdlich. Frank erklärt, wie es dazu kam. Vor ein paar Jahren musste entschieden werden, welche Farbe die Trikots haben sollten. Schon immer knapp bei Kasse, schaute man sich die anderen Mannschaften an und wählte eine Farbe aus, die noch keine hatte: Lila. Damit unterschied man sich deutlich von den Gegnern und brauchte, budgetschonend, nur einen Trikotsatz. Lila = Veilchen. Meine Frage, ob er den großen Jungs aus Amerika erklären muss, warum sie zukünftig „Veilchen“ sind, verneint Frank. „Das ist nicht nötig, weil wir inzwischen eine unverwechselbare Marke sind.“
Neue Saison, neue Lieblinge
Die knappe finanzielle Ausstattung begleitet den Göttinger Basketball bis heute. Der Etat von Bayern München ist 6mal so groß wie der der Veilchen. Daher ist es kaum möglich gute Spieler an den Verein zu binden und die Fans müssen sich am Anfang der Saison jedes Mal wieder an viele neue Gesichter gewöhnen. Das geht erstaunlich gut und die neuen Publikumslieblinge sind schnell ausgemacht. Oft ist es einer der Leistungsträger, der unsere Herzen erobert, aber entscheidend ist auch die Fan-Nähe. In dieser Saison führte schon beim ersten Spiel an Neuzugang Michael Stockton kein Weg vorbei. Im Bayern-Match spielte sich dann Brion Rush mit seinen Dreiern auf der Sympathieskala ganz nach oben.
Ohne leidenschaftliche Fans geht nichts
Was ist für Frank das Besondere an den Göttinger Fans? Natürlich steht die enthusiastische Stimmung an erster Stelle, die auch mir immer wieder Gänsehautfeeling verschafft, und die Halle für den Gegner auch schon mal zur Hölle werden lässt. Den größten Anteil daran hat der lila Veilchen-Fanblock. In ihm versammeln sich die Anhänger der beiden Göttinger Fan-Clubs, Veilchen Power und Veilchen Supporters. Die Clubs sprechen Fans unterschiedlichen Alters an, unterstützen aber beide den Basketballn, z.B. durch rhythmisches Trommeln, Fangesänge und spezielle Choreographien. Um eine gemeinsame Basis für die Fanarbeit zu schaffen und ihrer „Verantwortung für den guten Ruf des Basketballs und der Fanszene in Göttingen“ gerecht zu werden, haben sie mit der Geschäftsführung der BG eine Vereinbarung geschlossen. Darin spielen Vokabeln wie Respekt, Toleranz, regelkonformes Verhalten und Gewaltfreiheit eine entscheidende Rolle. Eine gewaltfreie Fankultur prägt das Image des Basketballs in Göttingen und in Deutschland, so Frank, und ist für Zuschauer, Spieler und Sponsoren gleichermaßen wichtig. Ich überlege, aber mir fällt tatsächlich keine wirklich bedrohliche Situation vor, während oder nach einem Basketballspiel ein.
Außerdem ist Fantreue in Göttingen nicht davon abhängig, in welcher Liga die Veilchen spielen. Das hat auch die Erfahrung nach dem Abstieg 2012 gezeigt. Die Fans kamen weiterhin und leisteten ihren lautstarken Beitrag zum Wiederaufstieg. Als weiteren Gradmesser in Sachen Fanbegeisterung führt Frank dann noch die große Beteiligung der Fans an Auswärtsspielen an.
Als ich mich verabschiede, fällt mein Blick auf sein Jackett, das am Regal hängt. Ich frage, warum die Trainer und Offiziellen bei den Spielen immer Anzüge tragen. Das kann er mir auch nicht sagen. Das ist eben einfach so. „Aber immer möchte ich nicht im Anzug unterwegs sein“, fügt Frank lachend hinzu.
Christian Zigenhorns Leidenschaft ist Basketball
Die Sache mit den Auswärtsspielen möchte ich genauer wissen. Vor der Begegnung gegen Berlin besuche ich Christian Zigenhorn. Er sitzt im Foyer der Arena und nimmt Anmeldungen zu den Auswärtsfahrten entgegen. Ich staune, als er mir erzählt, dass er die Fahrten seit 11 Jahren organisiert und eigentlich auch immer mitgefahren ist. Auch für die Teilnahme an den Fahrten gibt es Verhaltensregeln, die insbesondere den Alkoholkonsum betreffen. „Aber eigentlich gibt es kaum Probleme“ resümiert er zufrieden. Aber dann erzählt Christian doch noch etwas, das meinen Blick auf die heile Basketballwelt trübt: Nach Bamberg organisiert er keine Fahrten mehr, einfach, weil die auswärtigen Fans dort so schlecht behandelt werden. Dann muss er los, und ich sehe ihn kurz darauf mit der Trommel am Spielfeldrand.
Das Spiel gegen Berlin verläuft nicht so, wie gewünscht. Die Veilchen verlieren. Roijakkers ist unzufrieden. Spieler und Fan-Block engagieren sich nur mäßig. Ganz anders die Peewees der Göttingen Stars Cheerleader. Geduldig warten die kleinen Fans am Spielfeldrand, sind bei ihren Auftritten hochkonzentriert und ernten den verdienten Applaus des Publikums.
Mehr über die BG Göttingen und den Spielplan der nächsten Wochen erfahrt Ihr hier.