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Wie ein Wiener Genießer Wolfenbüttel entdeckt

Wolfenbüttel? Ach was! Ich wusste ja schon etwas länger, dass mein österreichischer Freund Toni eine Wohnung sucht. Er will sich neuen Herausforderungen stellen und nahm vor einigen Wochen einen Job in Deutschland an. Niedersachsen soll jetzt seine neue Heimat werden. In der Wahl seines Wohnortes war er einigermaßen frei und so dachte ich, dass es die Wiener Großstadtpflanze vielleicht nach Hannover oder Braunschweig zieht. Umso überraschter war ich als er mir mitteilte, dass er sich für Wolfenbüttel entschieden hat. Der Mietvertrag für eine Altbauwohnung nah am Schloss war bereits unterschrieben.

Das Schloss in Wolfenbüttel vom Innenhof betrachtet © Keno

Obwohl Wolfenbüttel gar nicht so weit von Göttingen entfernt liegt, kenne ich es bisher nur von Dienstreisen. Also reifte der Entschluss schnell die Stadt gemeinsam zu entdecken. Ich buchte ein Zugticket und da ich weder auf einer Isomatte noch zwischen unausgepackten Kartons oder mit dem Duft frisch lackierter Türrahmen in meine Träume segeln wollte, war auch das Hotel fix reserviert.

Eis statt Kaiserschmarrn

Nun stehen wir hier vor eben jenem Hotel und freuen uns über die Sonne, die sich entscheiden wird, uns das gesamte Wochenende zu begleiten. Womit aber starten, in einer Stadt, die wir beide kaum kennen? Ich erinnere mich daran, dass ein Freund mir mal von der Wolfenbütteler Eismanufaktur erzählt hat und dass ein Besuch lohnenswert sei. An der Hotel-Rezeption will ich mir kurz den Weg erklären lassen, verursache aber erst einmal nur einen fragenden Blick. Von der Eismanufaktur hat die junge Dame auch schon Gutes gehört, aber irgendwie hat sie es bisher nicht geschafft selber mal vorbeizuschauen und ist sich deshalb bei der Lage nicht so ganz sicher. Durch einen Blick in den Computer stellen wir fest, dass der Weg vom Hotel dorthin gar nicht so weit ist. Mit dem Versprechen am nächsten Tag von unserem Besuch zu berichten, verlassen wir das Hotel.

Die Terrasse der Wolfenbütteler Eismanufaktur © Keno

Ungefähr 15 Minuten schlendern wir gemütlich durch einige Seitenstraßen bevor die Wolfenbütteler Eismanufaktur vor uns auftaucht. Vor dem Eingang zur Eisdiele befindet sich eine kleine, schön gestaltete Terrasse mit zahlreichen Tischen und Sitzgelegenheiten, am Gartenzaun lehnen Fahrräder. Während wir vor einer Minute noch ziemlich unter uns waren, sind wir plötzlich umringt von vielen Menschen, die alle ein Ziel haben: Ein Eis in der Sonne genießen. Das Besondere an diesem Eis ist, dass es ausschließlich aus natürlichen und, wenn es machbar ist, auch aus regionalen Produkten hergestellt wird. Bei mir ist das ein dickes Plus. Und so wie es aussieht nicht nur bei mir.

Ungewöhnliche Eis-Präsentation

Auch die Präsentation ist sehr ungewöhnlich, denn ich sehe das Eis gar nicht. Beim Eis-Italiener um die Ecke bin ich es gewohnt an eine große Eisvitrine gehen zu können und dann sehe ich alle Eissorten, zum Teil in großen Schalen zu Eisbergen aufgetürmt und üppig mit Früchten und Saucen garniert. Hier sehe ich nur eine Vielzahl silberner Deckel, die in den Verkaufstresen eingelassen sind. Sie sind die Spitze von Zylindern, in deren Tiefe sich die kalten Schätze verbergen.

Hier versteckt sich das leckere Eis © Fotograf: Thomas Hachmann (Foto@ichberatesie.de)

Die Sorten, die heute zum Verkauf angeboten werden, stehen mit schöner Handschrift fein säuberlich aufgelistet auf einer alten Kreidetafel. Das Angebot ist nicht so riesig wie ich es aus anderen Eisdielen kenne, aber ich hoffe, dass sich auch das eventuell auf die Qualität auswirkt. Wir haben unsere Wahl getroffen. Ich tendiere mehr zu Fruchtsorten und Schokolade, mein Freund Toni ist mehr der nussige Typ. Ich schrecke noch einmal zusammen als kurz vor meiner Bestellung eine Angestellte mit einem kleinen Lappen auf die Angebotstafel zusteuert und den in der Schlange brav wartenden Kunden mitteilt, dass soeben eine Eissorte ausgegangen sei. Aber ich habe doppeltes Glück: mein bisheriges Leben habe ich glücklicherweise auch ohne Eierliköreis ganz passabel gestalten können und die dafür neu ins Programm aufgenommene Sorte Brombeer-Buttermilch kommt sofort auf meine Bestellliste.

Eis mit Leidenschaft und ganz viel Geschmack © Keno

Und dann ist es endlich soweit: Wir sitzen auf der Terrasse in der Sonne und dürfen unser Eis probieren. Und mit jedem Löffel mehr und jeder neu getesteten Geschmacksrichtung stellen wir fest, dass sich der Besuch wirklich lohnt. Das Eis ist super lecker und die Energie der Eisproduzenten fließt definitiv mehr in den intensiven natürlichen Geschmack als in irgendein Brimborium drum herum. Empfehlenswert.

Altstadtbummel mit Strandleben

Jetzt ist zum Ausgleich etwas Bewegung angesagt und so laufen wir zurück, am Hotel vorbei und geradewegs in die Altstadt von Wolfenbüttel. Auf dem großen Platz vor dem Schloss wird alles vorbereitet für den Stadtlauf und einen Halbmarathon, die hier am nächsten Tag stattfinden sollen. Deshalb verschwinden wir aus dem Trubel, laufen durch die kleinen Gassen im Zentrum und bestaunen erst einmal die Fachwerkhäuser, von denen es hier viele gibt. Für einen Göttinger kein so ganz ungewohnter Anblick, aber für einen Österreicher gibt es definitiv viel zu entdecken.

Wolfenbüttels Altstadt – Fachwerk und gemütliche Cafés © Keno

Überall auf den Plätzen und vor den Cafés und den Restaurants in Wolfenbüttel sitzen die Einheimischen und die Urlauber und genießen den Spätsommertag. Deshalb schlage ich vor, dass wir dieser Entspanntheit folgen und uns auch einen netten Platz in einem Café suchen. Zwei unserer Eiskugeln müssten wir in der Zwischenzeit eigentlich auch schon wieder abgelaufen haben. Auf Vorschlag von Toni lassen wir uns allerdings nicht unmittelbar in der Altstadt nieder, sondern gehen noch den kurzen Weg zum Strandwolf.

Fachwerk, soweit das Auge blicken kann

Wolfenbüttel – die Kanzleistraße mit dem Landesmuseum (rechts) und dem Freimaurer-Logenhaus (links) © Keno

Und schöne Kirchen

die Wolfenbütteler St. Trinitatiskirche mit dem Gärtnerdenkmal – das Gemüse davor darf gern geerntet werden 😉 © Keno

Sobald wir die St. Trinitatiskirche hinter uns gelassen haben, öffnet sich die Stadt zu einem kleinen Park hin. Durch die alten Bäume hindurch kann ich bereits einen kleinen See erkennen, der sich schnell als Teil des ehemaligen Stadtgrabens entpuppt. Direkt vor dem See erstreckt sich ein feiner Sandstrand, der hier natürlich unnatürlich ist. Er wurde extra von der Stadt angelegt, damit auch die Wolfenbütteler an Sommertagen Beachlife genießen können. Wie mir ein Einheimischer später berichtet, ist der direkt am See gelegene Bereich, der Teil an den man seine eigenen Picknicksachen mitnehmen und sich selbst versorgen kann. Direkt dahinter befindet sich der Strandwolf.

Vamos a la playa

Der Strandwolf – Strandleben Mitten in der Altstadt © Keno

Auch der Beachclub ist zum großen Teil umgeben von feinstem Sand. Neben der großen Außenterrasse und dem Lounge-Bereich spielen junge Leute Beachvolleyball. Aber anstatt ebenfalls sportliche Höchstleistungen in Angriff zu nehmen, entschließen wir uns für Füße in den Sand stecken und einen ausführlichen Klönschnack. Ein perfekter Ort zum Entschleunigen. Und während wir über Abschiede und Neustarts, über neue Herausforderungen und Chancen reden, schauen wir kleinen Wolfenbüttelern dabei zu wie sie mit diversen Broten bewaffnet die Enten auf dem See mästen. Und so kommen über Umwege auch wir wieder dem Gedanken etwas näher, dass unser Abendbrot demnächst in Angriff genommen werden könnte.

Leibniz mag es italienisch

Auf dem Weg durch die Stadt war uns am Nachmittag das La Domenica im Leibnizhaus aufgefallen. Ein Blick auf die vor dem Restaurant aushängende Karte hat uns spontan einen Tisch reservieren lassen. Wie sich nun herausstellt, war die Idee ziemlich klasse, denn das Restaurant mit italienischer Küche scheint ausgebucht zu sein. Für uns ist aber ein Tisch im oberen Bereich reserviert, so dass wir entspannt der Bedienung folgen und dabei den einen oder anderen Blick auf die Teller der anderen Gäste wagen können.

Restaurant La Domenica in Wolfenbüttel © Keno

Leckeres aus Bella Italia

Zum Start entscheiden wir uns für Crostinos mit gegrillter Aubergine und den Klassiker mit Tomaten und Basilikum. Auf die Vorspeise müssen wir ziemlich lange warten, da das Restaurant wirklich gut besucht ist. Als das Essen aber geliefert wird, freuen wir uns über krosses Röstbrot mit leckerer Auflage. Der Hauptgang ist dann zügig da und sowohl an dem reichlich belegten Grillteller mit Gemüse als auch an den Fettucine mit Rucola, Tomaten und Parmesan gibt es wirklich nichts auszusetzen.

La Domenica – der Grillteller von Küchenchef Stefano © Keno

Das verleitet uns dann auch dazu, zum Abschluss doch noch ein hausgemachtes Tiramisu zu bestellen. Allerdings nur einen Teller, dafür aber mit zwei Gabeln. Eine weise Entscheidung, denn obwohl der Nachtisch ausgezeichnet schmeckt, macht sich doch langsam ein sehr angenehmes Sättigungsgefühl breit.

Wieder zurück in der frischen Abendluft, überlegen wir noch kurz, ob wir eine Kneipe ansteuern sollen, um den Abend mit dem Wolfenbütteler Stadtgetränk abzuschließen. Das Firmenlogo von Jägermeister hat uns schon den ganzen Tag über begleitet. Aber wir entscheiden uns dagegen und beschließen dies aufs nächste Mal zu verschieben. Denn eins steht fest: Es wird eine Fortsetzung unserer gemeinsamen Wolfenbüttel-Entdeckungstour geben.

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