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Renovierung abgeschlossen: St. Johannis in Göttingen wieder geöffnet

Gute Nachrichten für alle Göttingen-Besucher*innen: Nach fast drei Jahren sind die Umbauarbeiten in St. Johannis beendet und die Kirche ist wieder geöffnet. Im Zuge der Renovierung hat sich das innere Erscheinungsbild der Kirche komplett verändert. Farbgestaltung, Fußboden, Fenster, Einrichtung, Beleuchtung, Haustechnik – alles neu. St. Johannis will in Zukunft eine offene Bürgerkirche sein, eigene Veranstaltungen präsentieren und auch anderen Kulturschaffenden eine Bühne bieten.

Doppeltürme prägen Göttingens Silhouette

Umbau abgeschlossen: Die Rats- und Marktkirche St. Johannis in Göttingen in einer Luftaufnahme.
Foto: Christoph Mischke

Schon seit der Mitte des 14. Jahrhunderts prägt das Gotteshaus mit seinen markanten Doppeltürmen die Stadtsilhouette. Der Nordturm kann bestiegen werden und zahllose Gäste scheuen den Aufstieg nicht, denn die Aussicht von der Plattform in rund 65 Metern Höhe ist grandios. Hier oben befand sich bis 2001 die ehemalige Türmerwohnung. Sie galt 80 Jahre lang als die höchste Studentenbude Deutschlands.

Grandiose Aussicht: Süd- und Nordturm mit Aussichtsplattform.
Foto: Christoph Mischke

Neben der Johanniskirche sind fünf weitere mittelalterlichen Innenstadt-Kirchen, St. Jacobi, St. Albani, St. Nikolai, St. Marien und die Paulinerkirche, die ehemalige Klosterkirche des Dominikanerkonvents, in Göttingen erhalten. Sie alle zählen zu den vielbesuchten touristischen Zielen und sind, übrigens auch bei Göttinger*innen, beliebte Fotomotive. Umso schöner ist es, dass St. Johannis jetzt auch wieder von innen zu betrachten ist.

Gewirr aus Stahl und Holz: Im Juni 2020 steht das tonnenschwere Gerüst im Kirchenschiff.
Foto: Christoph Mischke

Das Gerüst-Gewirr aus Traversen, Holzbohlen und Metallverstrebungen, dass das Kirchenschiff monatelang ausfüllte, ist verschwunden und ich bin bei meinem ersten Besuch nach dessen Abbau ziemlich baff. Wunderschön, sage ich zu Pastor Gerhard Schridde und Hildgund Broda, der Vorsitzenden des Kirchenvorstands, als die beiden mich netterweise auf einen kleinen Rundgang durch das fast fertiggestellte Gotteshaus mitnehmen.

Edler Fußboden aus Sandstein

Edel: der neu verlegte Sandsteinboden.
Foto: Christoph Mischke

Die Handwerker haben die Schutzpappen entfernt und den neuen Sandsteinfußboden freigelegt. Der sieht einfach klasse aus, fast schon zu edel, um mit Straßenschuhen darauf zu laufen. Schmale steingefüllte Umrandungen unterhalb der Wände und um die Säulen herum bilden eine Art Drainage, damit keine Feuchtigkeit von den riesigen Steinfundamenten unterhalb des Kirchenbaus ins Gemäuer zieht. Entspannte Lounge-Musik hallte durch das Kirchenschiff und beweist, dass die Techniker soeben auch die Musikanlage erfolgreich zum Klingen gebracht haben.

Farbgestaltung nach historischen Quellen

Farbgestaltung nach historischem Vorbild: Blick in das renovierte Gewölbe.
Foto: Christoph Mischke

Einen großen Anteil daran, dass die Kirche jetzt hell, freundlich, ja geradezu luftig wirkt, ist der Farbwahl zu verdanken. Das Cremeweiß der Wände und Gewölbe sowie der bräunliche Rotton der Säulen und Pfeiler spiegeln historische Quellen wider. Die vorherige Farbgestaltung in unterschiedlichen Grautönen und Holzparkett-Boden wirkt rückblickend ziemlich fade. „Sie war eine Nachtschönheit“, bezeichnet Pastor Schridde ein wenig flapsig das frühere Erscheinungsbild. Die neugestalteten Fenster an Nord- und Südseite des Kirchenschiffs tragen ein gehöriges Maß zum Wohlfühlcharakter bei. Sobald die Sonne scheint zaubern die phantasievoll gemusterten Scheiben wunderbare Lichtreflexe in den Raum.

Glaskunst und historische Deckenbemalung

Pastor Gerhard Schridde betrachtet ein neugestaltetes Kirchenfenster an der Südseite.
Foto: Christoph Mischke
Blätter und Ranken: Konservierte frühere Deckenbemalung.
Foto: Christoph Mischke

In den neugestalteten Fenstern an der Nord- und Südseite des Kirchenschiffs vermag ich keinerlei religiöse Symbolik zu entdecken. Ich erkenne Linien- und Wellenmuster in zarten und doch leuchtenden Farben. Sobald die Sonne scheint zaubern die phantasievoll gemusterten Scheiben wunderbare Lichtreflexe in den Raum. Wer genau hinsieht, kann im Gewölbe des nördlichen Seitenschiffs, am Übergang zum Chor, ein historisches Kleinod entdecken. Hier ist ein kleiner Teil einer früheren Deckenbemalung mit Ornamenten, Blättern und Ranken für die Nachwelt konserviert worden. Die Schlusssteine, dort wo die Gewölbepfeiler zusammenlaufen, sind ebenfalls restauriert worden und strahlen in ihrem ursprünglichen Glanz.

Kirchenkantor muss seine Orgel putzen

Gereinigt und gecheckt: die Hauptorgel aus der Werkstatt von Paul Ott.
Foto: Christoph Mischke

Eine Herausforderung für die Verantwortlichen war es, die imposante Hauptorgel aus der Werkstatt von Paul Ott während der Umbauarbeiten vor Schmutz zu bewahren. Trotz Schutzfolie hat das mächtige Instrument allerdings ein wenig Baustaub abbekommen. Bevor Kirchenmusiker Bernd Eberhardt wieder seine beliebten, hochklassigen Orgelkonzerte anbieten kann, heißt es jetzt erst einmal: putzen.

Wandpfeiler gekürzt

Raus aus der Kopfschmerz-Zone: Hildgund Broda unter dem gekürzten Wandpfeiler.
Foto: Christoph Mischke

Beim Einbau der beiden neuen Treppen, die hinauf zur Empore führen, hat sich eine etwas kuriose Geschichte zugetragen, erzählt mir Hildgund Broda. „Irgendwie hatte bei der Planung niemand die Wandpfeiler, im Fachjargon Dienste genannt, bedacht. Deren Sockel lagen nämlich direkt auf Kopfhöhe und hätten unaufmerksamen Stiegenbenutzern sicherlich so manche Beule beschert.“ Also, was tun? Da die Höhe der Treppe ja vorgegeben war, wurde der Dienst kurzerhand mit der Steinsäge um einen knappen Meter verkürzt und der untere Sockel wieder angemauert – fertig.

Stühle statt Kirchenbänke

Mit Leih-Bestuhlung: Der Literaturherbst zu Gast in St. Johannis.
Foto: Christoph Mischke

Beim Blick in die Weite des Raums vermisse ich die früheren weinroten Kirchenbänke. „Die wird es nicht mehr geben“, erklären mir meine Begleiter unisono. Eigentlich logisch, denke ich, mit Stühlen ist man natürlich bei Veranstaltungen wesentlich flexibler. Der Auswahl des Gestühls waren umfangreiche Sitzproben vorausgegangen und schlussendlich entschieden sich die Verantwortlichen für das Modell „Lutherstuhl“. „Der Name war aber nicht ausschlaggebend und reiner Zufall“, lacht die Frau aus dem Kirchenvorstand.

Kooperation mit Kulturschaffenden

Noch mit externer Technik illuminiert: Veranstaltung des Literaturherbsts
Foto: Christoph Mischke

Zukünftig wird St. Johannis regelmäßig zum durchaus weltlichen Veranstaltungsort avancieren. Neben Konzerten der Eigengewächse „Göttinger Stadtkantorei“ und des Posaunenchors St. Johannis sind Konzerte des Göttinger Symphonieorchesters ebenso geplant, wie Kooperationen mit Theatern und anderen Kulturschaffenden. Ja, sogar Tanzveranstaltungen ganz ohne Bestuhlung können sich die Verantwortlichen vorstellen. Ich bin gespannt. Einen quasi Testlauf des Literaturherbstes, noch mit geliehener Bestuhlung aus der Göttinger Lokhalle, habe ich Anfang November selbst erlebt. Das war optisch und akustisch ein echter Genuss.

Präzision statt Silikon

Die farbenprächtigen Fenster im Altarraum sind historisch und wurden schon vor einigen Jahren restauriert. Foto: Christoph Mischke

Wenn ich die Qualität der Umbauten sehe, kann ich als Laie nur staunen. Egal, ob eine geschickt versteckte Revisionsklappe der Türverriegelung, die gleichmäßige Verfugung oder der Einbau moderner Verriegelungstechnik in die einhundert Jahre alten Holzportale. Da haben die Handwerker aber 1A-Arbeit ausgeführt, denke ich. Pastor Schridde hat auch dafür einen Slogan parat: „Präzision statt Silikon“ bringt er es auf den Punkt.

Restaurierte Bildnisse

Historie: Die restaurierten Bildnisse ehemaliger Pastoren zieren die Wände.
Foto: Christoph Mischke

Es gäbe noch so viel über den Umbau zu erzählen, dass es den Rahmen dieses Beitrags definitiv sprengen würde. Über die im Boden eingelassene LED-Beleuchtung der Säulen, die riesigen beleuchteten Stahlreifen, die vom Gewölbe hängen, über die Gestaltung des gläsernen Windfangs, über die restaurierten Bildnisse aller früheren Pastoren von St. Johannis an den Wänden und.. und… und. Am besten, ihr schaut euch das Gotteshaus selbst einmal an. Vielleicht schon am 27. November, dem feierlichen Fest-Wochenende zur Wiedereröffnung.

Maßwerk in einem der neugestalteten Kirchenfenster.
Foto: Christoph Mischke

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