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Pumpernickel ist nicht gleich Pumpernickel

Pumpernickel ist nicht gleich Pumpernickel…

das weiß jeder Hildesheimer. Denn während man außerhalb der Region Hildesheim beim Bäcker Pumpernickel bestellt, so ist klar, was man erhält: schwarzes, sehr gesundes Vollkornbrot. Bestellt man Pumpernickel im Stadtcafé Beste in der Almstrasse 40 in Hildesheim bekommt man ein rautenförmiges, braunes Gebäck. Gerade zur Weihnachtszeit ist das Hildesheimer Pumpernickel berühmt berüchtigt und ein „Muss“ für die Kaffetafel oder auch für Zwischendurch. Ein Grund mehr für mich, einen Blick in die heiligen Hallen der Pumpernickelherstellung zu schauen.

Ich schlendere durch die Stadt in Richtung Stadtcafé Beste. Über den schnuckeligen Weihnachtsmarkt, entlang dem einen oder anderen Fachwerkgebäude und vorbei an bunt dekorierten Schaufenstern.  Herr Beste begrüßt mich in seinem Café und führt mich in seine Backstube. Er öffnet mir die Tür und BÄM: eine fette Aromawolke. Es riecht süß nach Zimt, Nelke und Vanille. Als sich der Nebel auflöst und ich wieder sehen kann – ok, vielleicht etwas übertrieben – stehe ich inmitten der kleinen, verwinkelten Backstube. Links befindet sich das Herzstück, der Ofen. Eine lange Arbeitsplatte durchzieht den kompletten Raum. An der einen oder anderen Stelle stehen Rühr-/Knet- und Walzgeräte. Ich lerne Steffi und Thorsten kennen. Beide sind mit dem Teig des Pumpernickels beschäftigt und schnell merke ich, dass ihre Arbeitsschritte gekonnt aufeinander abgestimmt sind. Die Leidenschaft der beiden zum Backen spüre ich von Anfang an. Denn während ich immer noch vom starken, angenehmen Duft überwältigt bin, beschreibt Steffi es als „Harmonie der verschiedenen Aromen und Gewürze“.

Die Herstellung

Als erstes wird der Teig hergestellt. Die Grundzutaten, verrät mir Herr Beste bestehen aus gemahlenen Mandeln, Zucker, Mehl und Gewürzen wie Zimt, Nelke und Vanille. Die Geheimzutat verschweigt er mir natürlich – da ist nichts zu machen.

Als der Teig fertig verknetet ist, packt ihn der Konditormeister in die große Walzmaschine. Zwei Mal hin, zwei Mal zurück, dann ist der Teig rund 20 Millimeter dick und kann von Steffi in breite Streifen geschnitten und auf die Backbleche gelegt werden. Nun pinselt sie ihn noch mit Zuckercoleur ein, während Thorsten die fertigen „Rohlinge“ für ca. 22 bis 25 Minuten in den Backofen schiebt. Beim Einpinseln erzählt Steffi, dass sie teilweise auch nach Auge backen und sich auf ihr Gefühl und die Erfahrung verlassen.

Nach der Backzeit schneiden Steffi und Thorsten die Pumpernickelstangen mit Hilfe eines Förmchens rautenförmig zurecht:  Förmchen platzieren und schneiden, Förmchen platzieren und schneiden, Förmchen platzieren und schneiden… Ein klirrendes Geräusch lässt mich auf einmal aufschrecken. „Gewonnen“ ruft Steffi. „Wir machen manchmal ein Rennen daraus“ verrät sie mir, als sie meinen verdutzten Gesichtsausdruck sieht. Auf meine Frage, wer der Spitzenreiter sei schmunzelt sie, „ausgeglichen“. Ich finde das klasse, denn bei so viel individueller und traditioneller Handwerkskunst kann man durchaus auch Spaß haben.

Nach dem Zuschneiden werden die Pumpernickelrauten noch einmal kurz erhitz um auszuhärten. Dann kommen sie zum Auskühlen in den Verkaufsraum, wo sie verpackt und liebevoll als Pyramide im Regal gestapelt zum Verkauf angeboten werden. Übrigens: Vor Weihnachten läuft die Pumpernickelherstellung im Stadtcafé auf Hochtouren. Innerhalb einer Woche wird an bis zu 4 Tagen das Pumpernickel hergestellt. Rund 20 Kilo Rohteig werden dann pro Tag verarbeitet.

Der gepumpte Nickel

Neugierig frage ich den Vater von Herrn Beste, ebenfalls Konditormeister und ehemaliger Inhaber des Stadtcafés, was es mit dem Namen des Hildesheimer Pumpernickels auf sich hat. Er erzählt mir eine Geschichte:

Man schrieb das Jahr um 1840. Eine sehr arme Familie wollte Geburtstag feiern, hatte allerdings nur 2 Nickel zur Verfügung. Den 3. bekam sie vom Pastor bepumpt. Butter, Milch und Eier konnte sich die Familie dennoch nicht leisten und so musste eine alternative, günstigere Geburtstagsleckerei hergestellt werden. Der Bäcker verarbeitete also seine günstigesten Güter: Mehl und Wasser, Mandelgrieß und Pottasche sowie Krumen aus abgeschnittenen Kuchenrändern. Das Aroma gaben Zimt und Nelken. Zum bestreichen des Gebäcks kratzte der Bäcker verbrannten Zucker von den Blechen und kochte ihn mit Wasser auf – und fertig war ein leckeres Gebäck für die Geburtstagstafel. Mit der Zeit wurde das Rezept immer mehr verfeinert…

Seit 1839 existiert das Stadtcafé Beste – Backwarenverkauf und später auch Café in einem. Sicherlich nicht nur wegen des Pumpernickels. Denn auch die Baumkuchenherstellung und das Tortenbacken zählen zur Paradedisziplin von Herrn Beste und seinem Team, wie ich mich beim Anblick der vielen Leckereien in der Verkaufsvitrine selbst überzeugen kann. Seit rund 22 Jahren führt Herr Beste nun schon das Café gemeinsam mit seiner Frau und den 12 Angestellten. Geöffnet ist es von Montag bis Freitag zwischen 9 und 19 Uhr und Samstag von 9 bis 18 Uhr. Die Kunden von Herrn Beste wohnen übrigens nicht nur in Hildesheim und der Region. Er erzählt mir, dass er Bestellungen aus ganz Deutschland entgegen nimmt. Da kommt dann auch mal eine Bestellung mit 20 Pumpernickelpäckchen rein. Oft kommen die von ehemaligen Hildesheimern, die das Gebäck noch von früher kennen und nicht darauf verzichten wollen. Eben ein Stück Erinnerung an Hildesheim.

Der Selbstversuch

Die „Qualitätskontrolle“ während der Pumpernickelherstellung in der Backstube war schon super, denn so konnte ich das backfrische und warme Produkt probieren bzw. „kontollieren“ 😉 Zuhause habe ich dann den ausgehärteten Pumpernickel getestet. Gute Zähne sollte man schon haben – ist aber kein Muss. Denn ich tauche das Hildesheimer Pumpernickel in meinen Milchkaffee! Probierts selbst aus und schreibt mir über eure Erfahrungen!

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