Urlaub macht man nur in Großstädten und wenn es einen doch mal in einen etwas beschaulicheren Ort verschlägt, dann muss es wenigstens weit weg sein, damit die richtige Urlaubsstimmung aufkommt. Richtig? So bin ich zumindest bis jetzt immer gereist. Nachbarstädte waren ein Tabu, viel zu nah, viel zu bekannt, viel zu sehr Zuhause. Aber dadurch habe ich bis jetzt einiges verpasst, weshalb es für mich und meine Freundin von Wolfsburg aus für zwei Tage und mit 200 Euro Budget ins nahegelegene Celle geht.
Historisches Ambiente
Kostengünstig und umweltfreundlich reisen wir mit dem Niedersachsen-Ticket an. Nachdem wir unser Zimmer im Hotel Celler Auszeit – einem Fachwerkhaus in der Celler Innenstadt – bezogen haben, machen wir uns gleich auf zu unserer Erkundungstour durch die malerische Celler Altstadt.
Auch wenn ich wusste, das Celle für seine historischen Fachwerkgebäude bekannt ist, bin ich hellauf begeistert. Hier reiht sich ein wunderschönes Fachwerkhaus an das andere. Jedes ist einzigartig gestaltet und ein Kunstwerk für sich. Eine Weile wandern wir nur durch die Straßen und betrachten die kunstvollen Fassaden. Dabei kommen wir auch am Hoppener Haus vorbei. Es ist wohl das bekannteste Fachwerkhaus der Stadt. Das sechsgeschossige Haus ist mit bunt bemalten Schnitzereien von Standespersonen, Fabelwesen, närrischen Fratzen und vielem mehr verziert. Davor befindet sich ein Pipenposten – einer von drei Brauchwasserbrunnen der fiskalischen Wasserleitungen aus dem 16. Jahrhundert.
Gleich nebenan treffen wir auf eine sehr gesprächige Laternen-Familie. Wenn man dem Gespräch der fünf sprechenden Laternen eine Weile zuhört, erfährt man so einiges über das städtische Leben in Gegenwart und Vergangenheit.
Ein Stück weiter kommen wir auf den Marktplatz, auf dem sich neben dem Alten Rathaus auch die St. Marien-Kirche befindet. So unscheinbar sie von außen aussehen mag, so beeindruckend und kunstvoll ist sie von innen. Besonders eindrucksvoll finden wir die barocken Fresken an den Säulen und der Decke sowie die an den zwei Emporen entlanglaufende Bilderreihe. Für die Besteigung des Glockenturms haben wir leider keine Zeit mehr. Auch wenn wir gerne einen Blick von oben auf die Stadt geworfen hätten, aber Celle hat viel zu bieten und wir haben noch einiges vor.
Shoppen und Stöbern
Während unseres Streifzugs durch die Altstadt erkunden wir auch die lokalen Geschäfte. Von großen Ketten bis hin zu vielen kleinen, inhabergeführten Läden gibt es hier in jeder Straße Geschäfte mit einem breiten Sortiment. Wir stöbern durch Kleidung, Dekoartikel, Feinkost, Wohnideen und vieles mehr. Ein Besuch im Alten Provisor darf da natürlich nicht fehlen. In historisch-rustikalem Ambiente gibt es in dem kleinen Laden viel zu entdecken: Deko, Taschen, Grußkarten, Süßigkeiten, … Eine Flasche vom Alten Provisor – dem traditionsreichen Kräuterschnaps nach dem alten Rezept der Ratsapotheke und Namensgeber des urigen Ladens – nehmen wir natürlich auch mit. Ein weiteres Muss ist Huth’s Kaffee & Feinkost. Für mich ein absolutes Highlight, denn in den deckenhohen Regalen und den Auslagen stapeln sich, fein säuberlich aufgereiht in bunten Verpackungen, Unmengen an Köstlichkeiten. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll und fühlt sich, als wäre man geradewegs zu einem farbenfrohen Filmset gereist.
Zwei zum Preis von einem
Nach unserer ausgiebigen Entdeckungsreise ist es Zeit fürs Museum. Das Bomann-Museum wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und gilt heute als eines der größten, bedeutendsten und modernsten Museen Niedersachsens. In sieben Rundgängen wird den Besuchern hier Stadt-, Regional-, Landes- und Militärgeschichte nähergebracht. Besonders begeistert mich der Rundgang Das Bauernhaus. Hier kann man durch ein maßstabsgetreues, historisches Bauernhaus laufen und erfahren, wie es sich früher hier gelebt hat.
Doch das ist nicht die einzige Ausstellung, die es mir besonders angetan hat. In der Studioausstellung des Bomann-Museums dreht sich alles um Geräusche und Musik. An verschiedenen Stationen kann man selbst kreativ werden. Wir finden beispielsweise heraus, wie ein Ton sich verändert, wenn man eine überdimensional große Gitarrensaite an verschiedenen Stellen herunterdrückt. An einem Glockenspiel mit aufgenommenen Beats und Sounds mixen wir unseren eigenen Song und an einer anderen Station verändern wir Tempo, Höhen, Tiefen und Lautstärke der Musik. Auch als Erwachsene hatten wir großen Spaß daran, hier mit Geräuschen zu spielen.
Eine Besonderheit beim Kauf eines Tickets für das Bomann-Museum ist, dass dieses auch für das benachbarte Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon gilt. Über eine Verbindungstür im Erdgeschoss kommen wir ins Nebengebäude. Die Kunstsammlung umfasst moderne Kunst, von Gemälden über Virtual Reality bis hin zu Licht-Installationen. Im ersten Stock finden wir die Räume der Kunstvermittlung. Ein Mitarbeiter erklärt uns begeistert, dass hier jeder eingeladen ist, Kunst zu schaffen und sein Werk den verschiedenen, gemeinschaftlichen Installationen hinzuzufügen. In verschiedenen Bearbeitungsschritten dreht sich hier alles um das Thema Gedanken. Der erste Schritt ist es, einen Gedanken aus Draht zu formen, diesen mit einem Drucker zu kopieren, etwas auf die Kopie zu schreiben und schließlich den Drahtgedanken mit allen anderen in einen Raum zu hängen, so dass ein riesiges Kunstwerk entsteht. In den nächsten beiden Räumen gibt es noch weitere Kunstprojekte, zu denen man etwas beitragen kann.
Nachdem wir uns an den vielen verschiedenen Kunstwerken kaum sattsehen konnten, wechseln wir schließlich zurück ins Bomann-Museum und schauen uns den Rest der Ausstellung an.
Als wir unsere kleine Zeitreise durch die Regionalgeschichte beendet haben, dämmert es draußen schon. Aber das ist gut so, denn für unsere nächste Attraktion muss es dunkel sein. Das Kunstmuseum Celle ist das erste 24-Stunden-Museeum der Welt! Mit Einbruch der Dunkelheit wird das Gebäude selbst zum Kunstwerk. Durch Lichter angestrahlt, wechselt es im Minutentakt die Farbe. Und ist man aufmerksam, entdeckt man auch an der Seite des Gebäudes mehrere Lichtinstallationen – eine eigene kleine Kunstgalerie, die erst im Dunkeln richtig zur Geltung kommt!
Im Anschluss lassen wir den Abend im Ricetime, einem asiatischen Restaurant für vietnamesische Küche und Sushi, ausklingen. Wir suchen uns einen Tisch am Fenster mit Ausblick auf die gegenüberliegenden Fachwerkhäuser und können uns kaum entscheiden, was wir von der Karte bestellen sollen.
Einkaufen und leben wie früher
Am nächsten Morgen starten wir erholt in unseren zweiten Tag in Celle. Von unserem Hotel aus müssen wir nur kurz über einen kleinen Platz gehen, um zum Coffee Shop zu kommen. Im gemütlichen Ambiente des Cafés genießen wir ein leckeres Frühstück, bevor wir uns zum Celler Schloss aufmachen. Auf dem Weg dorthin kommen wir am Celler Wochenmarkt vorbei, der mittwochs und samstags vor der St. Marien-Kirche, dem Alten Rathaus und auf der Stechbahn bis zum Schlossplatz stattfindet. Eine Weile stöbern wir durch das Angebot an frischen, regionalen Produkten und decken uns mit ein wenig Obst für den Heimweg ein.
In dem historischen Setting der alten Gebäude bekommt der Markt ein ganz eigenes Flair und man kann sich gut vorstellen, wie die Menschen hier vor hunderten Jahren Handel betrieben haben.
Schließlich gehen wir das letzte Stück bis zum Celler Schloss, das imposant im Schlosspark liegt. Sogar einen Wassergraben gibt es hier!
Früher war das Celler Schloss eine der Residenzen des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg. Heute enthält es das Residenzmuseum und ein Theater. Letzteres ist das älteste heute noch bespielte Barocktheater Europas. Mehrmals täglich finden Schlossführungen statt, bei denen man so einiges über die Vergangenheit des Schlosses und das Leben seiner Bewohner erfährt. Wusstest du zum Beispiel, dass einige der Vorfahren von King Charles III. einst im Celler Schloss wohnten? Am Ende der Führung nehme ich mir fest vor, das Waffelrezept, das in das historische Waffeleisen in der Schlossküche eingeprägt ist, Zuhause einmal auszuprobieren.
Nach diesem spannenden Ausflug in die Vergangenheit ist es dann auch schon wieder Zeit für uns, Celle zu verlassen. Aber die vielen Eindrücke, die wir gesammelt haben, bleiben und wir beschließen, unbedingt noch einmal wiederzukommen. Denn Celle hat uns nachhaltig begeistert und wir haben noch lange nicht alles gesehen und erlebt, was Celle zu bieten hat.