Vier Trommeln, vier Sticks und vier Lautsprecher – wer sich in die Mitte der Installation von Olli Holland stellt, der hört zunächst einmal: ein Schlagzeug. Wie zufällig klingen die Töne, die die Drumsticks erzeugen. Dabei ist es ein spezieller Schaltkreis, der Worte in extreme Bewegungen der Lautsprechermembranen umwandelt. Die Worte stammen aus Radionachrichten aus mehr als 40 Ländern der ganzen Welt. Sie werden per Internet-Stream gesammelt und in einzelne Schlagzeilen segmentiert. Einzelne Schlagzeilen wiederholen sich stoisch und werden dann von einem neuen Mantra abgelöst. Passend zu dieser Installation lautet das Motto der diesjährigen Ausstellung des European Media Art Festivals in Osnabrück „Report – Notizen aus der Wirklichkeit“.
Die Arbeit „N.E.W.S // N.O.W.S.“ von Olli Holland befindet sich mitten im Kirchenschiff der Kunsthalle Osnabrück, einer ehemaligen Dominikanerkirche. Wer nach links abbiegt, trifft dort auf die Installation „Blacklist“ von Christoph Wachter und Mathias Jud. Sie haben zwei Maschinen aufgebaut. Ein Computer wählt aus dem Internet Bilder aus, die gelöscht wurden. Eine Druckernadel zeichnet die Bilder auf großformatiges Papier. „Wir wollen mit der Arbeit die Möglichkeit geben, über etwas zu diskutieren, was es eigentlich nicht mehr gibt oder geben darf. Wir wissen ja nicht, was alles weg ist“, sagt Mathias Jud. Ein bis zwei Bilder schafft die Maschine pro Tag. Das aktuelle Bild ist bei meinem Besuch nur in Umrissen zu sehen. Ob er weiß, was daraus wird? „Nein, weiß ich nicht“, sagt Mathias Jud und lacht.
Internationale Medienkunst in der Kunsthalle Osnabrück
Insgesamt 16 Installationen haben die Kuratoren Franz Reimer und Hermann Nöring für das bis zum 21. Mai laufende EMAF ausgesucht. Rund 2.200 Künstler hatten ihre Arbeiten eingereicht. Ein Teil davon ist in der Ausstellung, im Filmprogramm, bei den Performances im Haus der Jugend oder im Media Campus INIT, dem studentischen Bereich des Festivals, zu sehen.
Insgesamt sind die Sektionen des Festivals in diesem Jahr enger miteinander verwoben. So erwartet mich im Glaskasten der Kunsthalle ein gelbes Rondell, in dessen Inneren sich Podeste mit gemütlichen Sitzkissen, eine Leinwand und ein Beamer befinden. Hier wird in den kommenden Tagen die Konferenz stattfinden. Dabei werden mehrere Künstler aus der Ausstellung oder dem Filmprogramm mit Wissenschaftlern oder Journalisten zusammen kommen und sich mit dem Publikum austauschen.
Eine von ihnen ist Navine G. Khan-Dossos. Sie untersucht die Muster, Farben und das Layout von „Dabiq“. „Dabiq“ war das Online-Magazin der Terrormiliz IS. Auf Querstreben sind die Titelbilder zu sehen, die sie analog mit Farben übermalt hat, so dass nur noch die Struktur des seltsamen Layouts übrig bleibt. Über die Ästhetik von Bildern des Terrors spricht Navine G. Khan-Dossos bei der Konferenz am Freitag mit Sebastian Baden, Autor des Buches „Das Image des Terrorismus im Kunstsystem“.
Eine der wohl politischsten Arbeiten der Ausstellung findet sich in „Das Kongo Tribunal TRANSMEDIA“. Beeindruckt haben mich die Aufnahmen des Volkstribunals, zu dem der Theatermacher Milo Rau im Ostkongo Opfer, Täter, Zeugen und Analysten des Kongokrieges versammelt hat. Er thematisiert darin einen der größten wirtschaftlichen Verteilungskriege der Welt, in den wir alle verwickelt sind – schließlich trägt fast jeder von uns ein Handy mit sich, in dem High-Tech-Rohstoffe aus dem Bürgerkriegsland verbaut sind.
Einmalig ist in diesem Jahr sicher auch die Gestaltung der Theaterpassage. Die größtenteils leerstehende Einkaufspassage mit dem Marmorboden und den großen Glasfassenden soll im Sommer umgebaut werden. Vorher dürfen drei Hochschulen aus Bremen, Braunschweig und Köln das Gebäude für ihre installativen Arbeiten nutzen.
Ein herzlicher Dank gilt Katharina Lohmeyer – Pressereferentin des European Media Art Festivals – für ihre freundliche und kompetente Begleitung durch die Ausstellung. Ein großer Dank geht ebenfalls an Angela von Brill für die Fotografien.