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Orte mit ungewöhnlicher Geschichte: ein Spaziergang durch Hildesheim

Ich bin selbst erst vor rund sieben Monaten nach Hildesheim gezogen. Was mir dabei als Erstes ins Auge gefallen ist? Auf jeden Fall die wunderschönen Fachwerkhäuser, die Weltkulturerbekirchen und die Natur, mitten in der Stadt. Seitdem beschäftige ich mich jeden Tag mit Hildesheim und habe mich gefragt: Wie kann ich die Stadt noch besser kennenlernen und vor allem, was sieht man vielleicht erst auf den zweiten Blick? Eins habe ich dabei auf jeden Fall erkannt: Hildesheim hält einige Orte bereit, die uns mit ihren ungewöhnlichen Geschichten überraschen. Begleite mich bei einem Spaziergang zu diesen Orten und tauche ein in die Vergangenheit der Stadt.

Los geht’s am Novotel – Die Sülte in Hildesheim

Eine ehemalige Psychiatrie, wo einst sogar Serienmörder untergebracht wurden, mitten in der Stadt? Der Gedanke klingt für mich sofort etwas gruselig. Ich stelle mir alte, schlichte Baracken vor, durch deren verstaubte Fenster man noch verlassene Behandlungszimmer erkennen kann. Man wird aber eines Besseren belehrt, sobald man vor dem prächtigen H-förmigen Gebäude der ehemaligen Anstalt steht und dem einladenden Eingangsbereich des Hotels „Novotel“ entgegenblickt. Das Novotel befindet sich im Zentrum von Hildesheim und man entdeckt es schnell, wenn man sich Richtung Hauptbahnhof bewegt. Was viele Gäste des Hotels aber vermutlich nicht wissen, ist, was sich für eine wechselhafte und spannende Geschichte hinter dem Anwesen verbirgt. Schon Bischof Godehard baute an der namensgebenden Quelle, der Sülte, eine Kapelle und ein Pilgerhospital, welches später in ein Kloster umgewandelt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg wurde dieses allerdings zerstört. Das jetzige Gebäude wurde tatsächlich gezielt als psychiatrisches Krankenhaus geplant und gebaut und stellte damit einen Meilenstein in der Geschichte der Psychiatrie dar. Sie galt als die größte und angesehenste Anstalt Deutschlands. Es ist spannend, das Anwesen des Hotels jetzt noch einmal mit ganz anderen Augen betrachten zu können!

Next Stop: Die Göttingstraße – Schindlers letzte Wohnstätte

Wenn man sich in die Weststadt von Hildesheim begibt, stößt man schnell auf die Göttingstraße. Doch ist eine Straße ein spannender Ort? Diese hier hätte auf jeden Fall einiges zu berichten, wenn sie es könnte und zwar von niemand anderem als Oskar Schindler. Oskar Schindler war ein deutscher Unternehmer der während des Zweiten Weltkrieges gemeinsam mit seiner Frau Emilie etwa 1200 bei ihm angestellte jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten bewahrte. Doch was hat Schindler mit Hildesheim und vor allem der Göttingstraße zu tun? Die Erklärung ist einfach: Schindler verbrachte die letzten Wochen seines Lebens in einer Wohnung in der Göttingstraße und starb letztendlich am 9. Oktober 1974 im St. Bernward Krankenhaus. Weitere 29 Jahre später sorgte ein Fund auf dem Dachboden des Hauses in der Göttingstraße für großes Aufsehen. Ein Koffer gefüllt mit Dokumenten aus Schindlers Leben, darunter eine Originalliste von Namen aller von ihm geretteten Juden. Wir kennen diese Liste unter dem Namen „Schindlers Liste“. Das ist es also, was Hildesheim mit dem „unvergesslichen Lebensretter 1200 verfolgter Juden“ verbindet.

Weiter geht’s zur Silberfundstraße

Der nächste Ort in Hildesheim mit einer ungewöhnlichen Geschichte ist eine weitere Straße: Die Silberfundstraße. Sie birgt jedoch eine Geschichte aus einer ganz anderen Epoche. Wie der Name es schon verrät, handelt es sich hierbei um den Fund von kostbarem römischen Tafelsilber. Die Silberfundstraße befindet sich auf der Marienburger Höhe, am Westhang des Galgenbergs und führt auf die Fundstelle zu, wo sich heute ein Denkmal befindet. Der umfangreiche Silberfund wurde am 17. Oktober 1868 im Südosten von Hildesheim bei der Anlage eines militärischen Schießplatzes von Soldaten beim Bau eines Schießstandes entdeckt. Der Fund umfasst 77 Gefäße mit einem Gesamtgewicht von über 50 kg. Er ist damit einer der größten Silberfunde, die aus der römischen Zeit bekannt sind. Er befindet sich heute in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Diese Geschichte lässt mich darüber träumen, welche kostbaren Schätze sich wohl immer noch unentdeckt unter der Erde befinden.

Endpunkt des Spaziergangs: Die Domäne Marienburg

Nicht weit entfernt von der Silberfundstraße, im Süden von Hildesheim, befindet sich die Domäne Marienburg. Schon als ich sie zum ersten Mal zufällig entdeckte, war ich ganz beeindruckt von der Anlage, die man schon von weitem erblickt. Sofort wollte ich mehr wissen über diese kleine Burg. Erstaunlicherweise wird sie seit 1996 von der Stiftung Universität Hildesheim als Kulturcampus genutzt. Hier befinden sich heute die Institute für Bildende Kunst und Kunstwissenschaft und das Institut für Medien- und Theaterwissenschaft. Ich finde, dass das eine sehr ungewöhnliche, aber passende Nutzung für ein Gebäude wie dieses ist. Ebenfalls spannend ist die Entstehung der Domäne. Wo heute Studierende lernen, dahin flüchteten früher die Bischöfe der Stadt. Im 14. Jahrhundert ließen die Bischöfe außerhalb der Stadt Fluchtburgen errichten, um den Spannungen zwischen dem Bischof und den Bürgern zu entgehen. Auch heute symbolisiert die Burg für mich einen Rückzugsort. Eine Flucht vor dem Alltag in eine Welt voller Kunst und Kreativität.

Fazit zu dem Spaziergang zu Orten mit einer ungewöhnlichen Geschichte in Hildesheim

Ich bin sehr froh, Hildesheim aus einer anderen Perspektive kennengelernt zu haben. Die verschiedenen Stories zu den Orten haben mich total überrascht und es war faszinierend, in die spannenden Geschichten aus verschiedenen Zeiten einzutauchen. Hildesheim ist eine bunte Stadt und die typischen Sehenswürdigkeiten sind gerngesehene Fotomotive, jedoch lohnt es sich oft, einfach mal einen zweiten Blick auf die Stadt zu werfen.

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