Ein Gastbeitrag von Imke (Crappy Radio Stations)
Mal eben fürs Wochenende einen Kurztrip machen – das muss man sich leisten können. Oder?! Dass es nicht immer teuer sein muss, neue Orte zu entdecken, habe ich selbst ausprobiert: bei einem Wochenendtrip nach Wolfenbüttel.
Ich liebe es zu verreisen. Genau genommen ist Reisen mein liebstes und auch kostspieligstes Hobby. Wenn ich anderen Leuten von meinen Reisen erzähle, sagen sie oft: „Oh, du reist aber viel. Das würde ich auch gerne, aber das kann ich mir nicht leisten.“ Aber ist das wirklich so? Muss Reisen immer teuer sein? Über diese Frage habe ich schon öfter nachgedacht. Und so beschließe ich, ein Experiment zu starten: einen Wochenendtrip für maximal 150 Euro.
Die Reise kann starten
Da ich hübsche Altstädte und Fachwerk liebe, fällt meine Wahl schließlich auf Wolfenbüttel als Reiseziel. Obwohl ich drei Jahre in Braunschweig studiert habe, hab ich es irgendwie nie nach Wolfenbüttel geschafft. Das hole ich jetzt nach!
Ich entscheide mich für die Anreise mit dem Fernbus. Das ist nicht nur bequem und günstig, sondern auch eine der umweltfreundlichsten Anreisemöglichkeiten. Als Unterkunft buche ich ein Zimmer über AirBnB.
Und so sitze ich ein paar Wochen später mit etwas Proviant im Fernbus und verlasse den Bahnhof in Hamburg. Knapp drei Stunden fahren wir bis nach Braunschweig, wo ich in die Regionalbahn umsteige. Als ich wenig später durch die Stadt zu meiner Unterkunft laufe und die Abendsonne die hübschen Fachwerkhäuser umspielt, muss ich lächeln. Das wird ein gutes Wochenende!
Erster Eindruck: Wolfenbüttel kann was!
Am nächsten Morgen gönne ich mir erst einmal ein Frühstück im Hofcafé und schmiede bei Kaffee und Brötchen den Tagesplan. Als ersten Punkt setze ich eine Stadtführung auf den Plan, denn dabei gewinnt man einen guten Überblick über die Stadt und kann später noch einmal individuell an die einzelnen Orte zurückkehren.
Gut gestärkt geht es deshalb als nächstes zur Tourist-Information. Ich nehme einen kleinen Umweg, sodass ich vorher noch bei der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis vorbei komme. Wenn man die Kirche betritt, dann hat man spontan nicht das Gefühl, in einer protestantischen Kirche zu sein. Die sind ja häufig etwas nüchterner gehalten. Aber die Wolfenbütteler Hauptkirche empfängt mich mit einem Innenraum, der alles andere als schmucklos ist. Dafür gibt es eine gute Erklärung: Die Kirche ist die erste protestantische Großkirche der Welt. Es gab also nur die prunkvollen katholischen Kirchen als Vorbilder. Eine Weile bestaune ich einfach nur den Innenraum der Kirche. Dann geht es weiter.
Bei der Tourist-Information angekommen kaufe ich die echt lessig Karte, mit der man Eintritt zur Herzog August Bibliothek, zum Lessinghaus und zum Schlossmuseum hat. Außerdem ist in der Karte die Teilnahme an einer Stadtführung enthalten. Einige Geschäfte und Restaurants in Wolfenbüttel gewähren zudem Rabatt, wenn man die echt lessig Karte vorzeigt. Gut zu wissen: Die Karte ist für 72 Stunden gültig – also perfekt für ein Wochenende!
Wissenswertes über Wolfenbüttel erfahren
Kurz darauf startet die Stadtführung. „Möchten Sie lieber viele Anekdoten und Geschichten oder eher sachliche Informationen?“, fragt uns der Stadtführer. Klar entscheidet sich die bunt gemischte Gruppe für viele Anekdoten. Und davon kennt der Stadtführer so einige. Aber er erzählt uns auch viele Dinge über Wolfenbüttel, die ich sonst niemals erfahren hätte. Meine top 5 Erkenntnisse:
- Die hübsche Fassade des Schlosses wurde nachträglich vor das ursprüngliche Wasserschloss gesetzt.
- Viele der Fenster an der Schlossfassade sind nur aufgemalt.
- Dass Herzog August auf dem Stadtmarkt nicht auf dem Pferd sitzend dargestellt wird, ist für eine Statue ungewöhnlich. [Video: Wieso sitzt Herzog August nicht auf seinem Pferd?]
- Auch wenn Wolfenbüttel durch das viele Fachwerk wie eine mittelalterliche Stadt wirkt, ist sie in Wirklichkeit die erste systematisch geplante Renaissancestadt. Das erkennt man zum Beispiel an den breiten Straßen, die es so in mittelalterlichen Städten nicht gibt.
- In Wolfenbüttel steht das schmalste Haus in Norddeutschland. Nur 2,20 Meter Breite misst es auf der Straßenseite. Hinten raus zur Gartenseite sind es immerhin 3,50 Meter.
Nach einer unterhaltsamen Stunde endet die Stadtführung am Kornmarkt. Es ist nun etwa Mittag und ich bin schon jetzt ein bisschen schockverliebt in die hübsche Stadt. Erstes Zwischenfazit: Wolfenbüttel kann was!
Barockes Flair in der Welfenresidenz
Nach der Stadtführung schlendere ich zurück zum Startpunkt der Stadtführung, denn ich möchte als nächstes das Schloss Wolfenbüttel von innen besichtigen. Ich liebe alte Herrenhäuser und Schlösser, daher darf die Welfenresidenz natürlich an diesem Wochenende nicht fehlen.
In den musealen Räumen versetzen mich barocke Möbel, prunkvolle Gemälde und Wandteppiche direkt zurück in vergangene Zeiten. Auf informativen Tafeln wird erklärt, wie die einzelnen Räume genutzt wurden und wie die Räume miteinander in Beziehung stehen – was ich bei Museen dieser Art immer total klasse finde. Denn wer hat sich nicht schon mal gefragt, warum es in Schlössern immer mindestens drei Wohnzimmer gibt…
Ein perfekter Ort für Fachwerkfreunde
Immer noch fasziniert von den Eindrücken verlasse ich das Schloss. Für den Nachmittag habe ich mir vorgenommen, einfach ein wenig durch die vielen Altstadtstraßen zu bummeln und die Fachwerkhäuser auf mich wirken zu lassen. Unterwegs schnappe ich mir beim Stadtbäcker Milkau ein Brötchen. Meine Route durch die Altstadt führt mich vorbei an Krambuden, über den Stadtmarkt, durch die Kommißstraße zum Harztorplatz und über den Gr. Zimmerhof zurück zu Krambuden. Da ich immer wieder anhalte, um die vielen hübschen Fachwerkhäuser zu fotografieren, dauert dieser kleine Rundgang so seine Zeit.
Trotzdem habe ich noch etwas Zeit am Nachmittag und schlendere deshalb über den Holzmarkt, vorbei an der St.-Trinitatis-Kirche zum kleinen Park am Stadtgraben. Hier gönne ich mir erst einmal eine Pause und esse mein Brötchen. Gemeinsam mit den Enten entspanne ich eine Weile und lasse mir von der Sonne das Gesicht wärmen.
Auf meinem Rückweg mache ich einen kurzen Fotostopp am Lessingtheater, bevor dann noch ein kleines Fachwerkhighlight auf mich wartet: die Krumme Straße. Hier stehen so viele restaurierte Schmuckstücke, dass mir unwillkürlich ein Lächeln über das Gesicht huscht. Der Wahnsinn!
Nachdem die Euphorie über die Krumme Straße ein wenig abgeebbt ist, merke ich plötzlich, dass ich doch erschöpft bin vom Sightseeing. Und so steuere ich den Zimmerhof 13 Restaurant & Bar an, um bei einem Kaffee und einer großen Apfelschorle wieder Energie zu tanken. Ein Blick in die Karte verrät mir, dass dies ein Ort für außergewöhnlich schöne Stunden mit guten Freunden und einem gutem Wein sein muss. Lecker klingt es und so notiere ich mir den Zimmerhof 13 Restaurant & Bar für den nächsten Besuch in Wolfenbüttel.
Da meine Beine und Füße schon so ein bisschen müde von der Stadterkundung sind, lasse ich den Nachmittag heute aber in meiner Unterkunft ausklingen. Abends knurrt mir dann aber doch noch einmal der Magen. Bei meinem Altstadtrundgang ist mir tagsüber das Restaurant Zum Glück ins Auge gesprungen. Dieses steuere ich nun an und lasse mir als Abendessen ein Schnitzel nach Wiener Art schmecken.
Frühstück mit Aussicht
Für Sonntag habe ich mir noch zwei der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Wolfenbüttel vorgenommen: Klar, als Germanistin zieht es mich noch zur Herzog August Bibliothek und zum Lessinghaus. Doch heute starte ich etwas gemächlicher in den Tag, schlafe ein bisschen länger und schlendere schließlich gegen zehn Uhr über die Kanzleistraße und Brauergildestraße Richtung Holzmarkt.
Hier habe ich am Samstag Richters Altstadt-Bäckerei gesehen – dessen Eingang verwirrenderweise mit dem großen Schriftzug „Schlüter“ überschrieben ist. Unabhängig davon nehme mir als Frühstück to go ein Croissant, ein Milchbrötchen und einen Kaffee mit.
Mein Frühstück genieße ich am Stadtmarkt mit Blick auf das wunderschöne Rathaus und denke: Kaffee, Croissant und diese geniale Aussicht… das ist einfach perfekt!
Auf historischen Spuren
Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg zur Herzog August Bibliothek. Obwohl die Bibliothek bereits 1572 gegründet wurde, stammt das imposante Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Die ursprünglich dort gebaute Bibliotheksrotunde war leider baufällig geworden und so entschloss man sich damals, ein neues Bibliotheksgebäude zu errichten. In den Museumsräumen der Bibliothek können Bücherfreunde Beispiele alter Bücherkunst bewundern und außerdem das einst teuerste Buch der Welt bestaunen: das Evangeliar Heinrichs des Löwen. Das aufwändig verzierte Buch stammt aus dem 12. Jahrhundert und zählt zu den kunsthistorisch besonders wertvollen Werken. Ich staune nicht schlecht über das filigrane Werk, das in den 80er Jahren für schlappe 32,5 Mio. D-Mark in London versteigert wurde.
Literarisch geht es auch weiter, denn direkt neben der Bibliothek liegt das gelbe Lessinghaus. Hier wohnte der wohl allen Abiturienten bekannte Schriftsteller und Bibliothekar von 1777 bis 1781 (als Lessing starb). Während ich durch die Räume wandle und die Infotafeln durchlese, kommen Erinnerungen an meinen Deutsch Leistungskurs zurück. Emilia, Nathan, Ringparabel… da war ja was. Es ist schon interessant, noch einmal in das Leben und das Werk von Lessing einzutauchen und genau dort zu stehen, wo er „Nathan der Weise“ geschrieben hat.
Süßer Abschiedsgruß
Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass es etwa halb drei ist – Zeit, um sich langsam mit dem Gedanken an die Heimreise zu befassen. Also geht es für mich wieder über den Schlossplatz Richtung Krambuden. Hier habe ich noch einen süßen Zwischenstopp eingeplant: bei der Wolfenbütteler Tortenkultur. Und so lasse ich mir quasi als Abschiedsgruß einen Kaffee und ein Stück Eierlikörtorte schmecken.
Wolfenbüttel für wenig Geld
Während ich noch mit Ausblick auf das Fachwerk der Krambuden die himmlische Torte genieße, mache ich außerdem Kassensturz. Wie viel hat mich das Wochenende schlussendlich gekostet?
141,78 Euro habe ich für das gesamte Wochenende ausgegeben. Ich bin überrascht, denn ich hätte mit mehr Geld gerechnet. Ich habe zwar hier und da bewusst auf teure Restaurants verzichtet, aber mir trotzdem auch zwischendurch etwas gegönnt.
Zufrieden schlürfe ich den Kaffee und verdrücke den Rest der Torte. Ich habe hier in Wolfenbüttel neues entdeckt, es mir gut gehen lassen und eine tolle Auszeit genossen. Kurz gesagt: Auch mit wenig Geld kann man ein wundervolles Wochenende gestalten – zum Beispiel im schönen Wolfenbüttel.