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The Streets (und Kanäle) of Papenburg

“Wir hätten auch gerne so einen “Streets of…“-Blogpost für unser Papenburg…“, riefen die Kollegen von der Papenburg Tourismus GmbH in der aboutcities-Blogredaktion an, „… schicken Sie doch mal jemanden vorbei.“ Gesagt getan: Ich* war noch niemals in Papenburg, also machte ich mich auf den Weg.

Wenn man ins Emsland kommt und sich auf Papenburg zubewegt, dann ist der erste Eindruck Geometrie: Gerade, lange Straßen, rechte Winkel aus Kanälen, Windschutzhecken diagonal zum nahen Horizont. Und die weißen, aufgetürmten Wolken scheinen hier dichter am Boden zu sein. Niedersachsen ist das moorreichste Land Deutschlands und das Emsland hat davon am meisten abbekommen. Armut herrschte hier bis ins 20. Jahrhundert hinein. Die Moorbauern hatten den Spruch „… dem Dritten das Brot“, wollte sagen, dass erst die dritte Generation bescheiden vom Boden leben könne. In den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts begann ein gigantischer Erschließungsplan für das Emsland, der in den 90-ern zu Ende ging. Über 800 Kilometer Straßen und 190 Brücken wurden gebaut, zahlreiche Industrieansiedlungen führten zu unzähligen neuen Arbeitsplätzen. Das Moor war besiegt, heute rekultiviert man es wieder, aber zu anderen Zwecken.

Gespeicherte Zeit

Im Zeitspeicher

Mein Weg führt mich direkt zum Hafen, wo sich im Untergeschoss des Zeitspeichers die Papenburg Tourismus GmbH befindet. Dort treffe ich auf meinen Reiseführer für heute, Patrick Anneken. Er zeigt mir zunächst mal den Papenburger Zeitspeicher. Bei einer interaktiven Tour erfahre ich von Papenburgs Stadtgründer Dietrich von Velen, dass die ehemalige Fehnkolonie der südlichste Seehafen Deutschlands ist, mit fast 40 Kilometern Kanälen, die sich in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung jeweils fast 20 Kilometer erstrecken.

Wir verlassen den Zeitspeicher und werfen einen Blick auf das Forum Alte Werft. Hier in den ehemaligen Produktionsstätten der Meyer Werft befindet sich heute ein Kultur- und Veranstaltungszentrum mit Stadthalle, Galerie und Theater. Die Kombination aus alter Industriekultur und modernster Veranstaltungstechnik ermöglicht  regelmäßig stattfindende Musicals, Konzerte, Theateraufführungen oder Kongresse.

40 Kilometer Kanäle

Aber wir gehen in Richtung des Hauptkanals. „Der Stadtkern von Papenburg besteht aus zwei Stadtteilen, Oberende und Untenende“, erläutert der gebürtige Papenburger Patrick Anneken, „Untenende, in dem wir uns gerade befinden, ist der ältere Teil.“ Hier wohnten die ersten Siedler, die 1631 von Dietrich von Velen angeworben wurden, um Kanäle für die Entwässerung des Moores zu bauen. Später waren die Kanäle Schifffahrtswege für den Torftransport. Natürlich werden sie inzwischen nicht mehr zum Entwässern von Moor und Transport von Torf genutzt, sondern nur noch als Vorfluter für die Entwässerung der weiten Stadtgebiete. Soviel zur nützlichen Seite. Die Einwohner und Besucher der Stadt haben aber auch noch einen anderen Grund, ihre Kanäle zu lieben: Heute flaniert man daran entlang.

Shopping Queen

Reiche Beute garantiert.

Der Papenburger Hauptkanal ist eine der schönsten Flaniermeilen Norddeutschlands. Zahlreiche gut sortierte Fachgeschäfte, gutbürgerliche Restaurants und Cafés laden Besucher und Gäste zum Promenieren und Shoppen ein. Neben dem Museumsschiff Brigg „Friederike von Papenburg“, dem Wahrzeichen der Stadt, ankern in dem Hauptkanal weitere nach Originalplänen hergestellte Traditionsschiffe und vermitteln so den einmalig maritimen Charme der Kanalstadt. Abwechslungsreiche Events wie das Stadtfest oder der Papenburger Sommer machen den Hauptkanal überdies zu einem beliebten Veranstaltungsort.

Das alte Amtshaus.

Das „Alte Amthaus“ im Papenburger ist das älteste Gebäude der Stadt und beherbergt gleichzeitig das Heimatmuseum und ein Café. Hier machen wir bei einem Kaffee Pause und erleben die Geschichte Papenburgs nach, deren Bedeutung als Seefahrerstadt durch alte Kapitänsbilder, nautische Instrumente und viele von den Seeleuten hergestellte Schiffsmodelle sowie Mitbringsel aus Übersee dokumentiert wird.

Auf nach Obenende

Der Turm von Riga in Papenburg.

Die Entfernungen sind in Papenburg schon recht groß, man kann nicht alles zu Fuß erobern. Da ist es praktisch, dass es hier keine gebührenpflichtigen Parkplätze gibt. Wir steigen in den VW-Bully der Tourismus GmbH und verlassen Untenende. Das jüngere Obenende liegt weiter landeinwärts am Ende des Kanals. Wahrzeichen des Stadtteils ist der 1848 erbaute achteckige „Alte Turm“. Es ist ein Nachbau des Leuchtturms von Riga und Gedenkstätte der Toten und Vermissten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Er kann im Rahmen von angemeldeten Führungen bestiegen werden. Seine Geschichte hört sich nach Seemannsgarn an, ist aber verbrieft: Im Jahre 1860 lagen einmal 64 Papenburger Segler im Hafen von Riga. Den Kapitänen gefiel der achteckige Leuchtturm der einstigen Hansestadt so gut, dass sie ihn daheim in Papenburg exakt nachbauen ließen. 130 Stufen gehen wir den Turm hinauf und haben einen herrlichen Blick über die ganze Stadt. Übrigens: Kuriosum am Rande, der Original-Leuchtturm in Riga existiert heute gar nicht mehr. Patrick Anneken zeigt mir oben unsere nächsten Ziele: Im Norden die Meyer Werft und im Westen Aschendorf, dann geht es wieder runter vom Turm.

Moor und Mehr: die von Velen-Anlage

Aber zunächst fahren wir noch an den Stadtrand: Im Freilichtmuseum Von-Velen-Anlage zeigt die Stadt Papenburg ihr ursprüngliches Gesicht. Typische Torfgräberhäuser wie das „Papenbörger Hus“ von 1820 geben einen Eindruck vom mühseligen Leben der ersten Siedler. Erfahrene Museumsführer begleiten die Besuchergruppen und berichten über den Alltag der ersten Siedler im lebensfeindlichen Moor. Lebensgroße Bronzefiguren wie „Jan Treckan“ oder der Angler „Hinnerk“ lassen die Geschichte der Siedler lebendig werden.

Bauckweiten-Jannhinnerk

Buchweizenpfannkuchen: Früher Arme-Leute-Essen, heute Spezialität.

So langsam stellt sich eine gewisse Leere im Magen ein. Im Papenbörger Hus, einem 1820 erbauten Kapitän- und Ackerbürgerhaus serviert Hannelore Sellere mit ihrem Team eine echte Spezialität der Gegend: Buchweizenpfannkuchen.

Buchweizen war das einzige, was aus dem trockengelegten Moorboden wuchs. So war er Hauptnahrungsmittel neben Bohnen, Roggenbrei und trockenem Brot, denn Eier, Butter und Milch mussten verkauft werden, um überhaupt existieren zu können. Der Bauckweiten-Jannhinnerk, der Buchweizenpfannkuchen, erinnert an die Armut der Moorbauern und ist heute Touristenattraktion. Dünne Scheiben Speck werden in Schmalz gebraten, darüber kommt eine Kelle Teig. Man erzählt sich, dass in alten Zeiten, wenn ein junger Mann um ein Mädchen warb, dem Freier im Hause der Angebeteten ein Pfannkuchen gebraten wurde. War die Anzahl der Speckstreifen ungerade, galt dies als Absage.

Wir genießen den Pfannkuchen mit Preiselbeeren und Rübensaft.

Barockes in Aschendorf

Das barocke Gut Altenkamp in Aschendorf

So gestärkt geht es weiter zum Stadtteil Aschendorf. Das 1898 im Stadtteil Papenburg-Aschendorf errichtete ostfriesische Gulfhaus dient heute als Heimatmuseum. Neben stadt- und handwerksgeschichtlichen Ausstellungen werden hier verschiedene Werkstätten präsentiert. Eine Scheune neben dem Haupthaus enthält landwirtschaftliche Geräte und Maschinen. Besonders sehenswert ist die ehemalige Stellmacherei Doesken aus Aschendorf-Nostenbusch, deren Werkstatt mit der vollständigen Ausrüstung in das Museum umgesetzt wurde.

Der imposante Lustgarten des historischen Guts Altenkamp in Papenburg-Aschendorf mit seinen mächtigen Taxushecken gilt als herausragendes Beispiel der holländisch-norddeutschen Gartenkunst des Barocks. Die repräsentativen Räume mit den großen Wandfresken aus dem 18. Jahrhundert dienen heute als überregionales Zentrum für kultur- und kunsthistorisch herausragende Ausstellungen.

Von Fernweh und Ozeanriesen

Die imposante Meyer-Werft.

Zum Abschluss unserer Tour geht es ein paar Kilometer nördlich zur Meyer Werft. Schon von weitem sind die riesigen Gebäude des Trockendocks zu sehen. Papenburg liegt zwar weitab der Küste, ist aber wohl doch die bekannteste Werftstadt des Landes. 1795 kaufte Rolf Meyer das Grundstück für die Thurmwerft. Das Geschäft blühte, es war Krieg in Amerika und England und Frankreich bestellten Kriegsschiffe. Später waren es die Dreimaster, dann die Dampfschiffe. 1913 lag die Goetzen für den Tanganjika-See auf Kiel, sie wurde zerlegt, vor Ort wieder zusammengebaut und soll angeblich heute noch fahren. Alex Capus beschreibt das in seinem Buch „Eine Frage der Zeit“. Heute hat die Werft das größte Trockendock der Welt. Dort werden Kreuzfahrtschiffe gebaut. Patrick Anneken führt mich in das riesige Besucherzentrum der Werft. Mit zahlreichen Modellen, Exponaten und Filmen lernt man hier modernen Schiffbau der Superlative kennen. Durch Glasfenster schaue ich in die große Halle, wo das 167.800 Bruttoregistertonnen große Kreuzfahrtschiff „Quantum of the Seas“ auf seine Überführung nach Bremerhaven vorbereitet wird. Gegenüber in der kleinen Halle wird der letzte Schliff an das Forschungsschiff „Sonne“ gelegt.

Es war ein ereignisreicher Tag und Patrick Anneken meint, dass es noch viel mehr zu sehen gäbe: Den Moorpfad in Aschendorf beispielsweise, das private Rundfunk- und Radiomuseum von Rudi Evers oder die ATP-Teststrecke. Wir verabschieden uns mit dem Versprechen wiederzukommen.

Viele Orte unserer Tour findet man in diesem Video wieder

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Mord in Papenburg? Kommt vor. Ein pensionierter Kriminalbeamter macht eine Stadtführung zu den Schauplätzen abscheulicher Verbrechen.

Wer die Sache mit dem Buchweizenpfannkuchen vertiefen will.

Wen Schiffe faszinieren, der liegt mit der Tour auf dem Kreuzfahrt-Weg richtig.

*Thorsten Windus-Dörr ist Journalist und PR-Berater aus Hannover.

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