Heute sind wir auf Stippvisite in Göttingen.
Die Anreise mit dem Zug ist in Göttingen auch aus der Ferne bequem, denn mehr als 100 ICEs fahren die Stadt täglich an; und sie halten hier auch. Der Bahnhof liegt am Rande der Innenstadt, man kann also gleich von hier die Stadt zu Fuß zu erobern. Der Göttinger Bahnhof wurde übrigens 2013 als Bahnhof des Jahres ausgezeichnet. Vor allem Reisen mit dem Fahrrad kann man von hier aus gut unternehmen, sagte die Jury.
Persischer Start in den Tag
Informationsstelen leiten den Weg ins Zentrum und zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Wir überqueren die Berliner Straße und halten uns danach links in Richtung Stadtwall. Die ehemalige Befestigung ist mit alten Linden bepflanzt und führt um die Göttinger Altstadt herum. Dieser Wall wirkt wie eine Oase der Ruhe mitten in der Stadt. Nach nicht einmal zehn Minuten Fußmarsch breitet sich auf beiden Seiten des Stadtwalls der Alte Botanische Garten vor uns aus. Unser Blick fällt auf das Café Botanik, das direkt an die Gartenanlage grenzt. Beim Durchstöbern der Speise- und Getränkekarte stellen wir schnell fest, dass die Besitzer aus Persien stammen. Und so steht einem persischen Start in den Tag mit einem Tee mit Rosenwasser und Safran nichts mehr im Wege.
Gerne würden wir durch den kleinen Tunnel-Gang unter dem Stadtwall hindurch in den über 250 Jahre alten Botanischen Garten gehen. Derzeit ist er aber leider coronabedingt geschlossen. Er gehört zu den artenreichsten in Deutschland, können wir einer Infotafel entnehmen: Zu jeder Jahreszeit gibt es hier andere Pflanzen zu entdecken. Auch in den historischen Gewächshäusern präsentiert sich uns eine breite Pflanzen-Vielfalt. http://www.uni-goettingen.de/de/108651.html
Leckereien in der Altstadt
Nach dem entspannten Start ist es nun für uns an der Zeit, sich in die lebendigen Straßen der Göttinger Innenstadt zu stürzen. Keine 100 Meter entfernt an der Ecke „Untere Karspüle“ und Weender Straße liegt das Geschäft Alfred Ewert. Auf knapp 70 Quadratmetern finden wir eine riesige Auswahl an Gewürzen, Tee- und Kaffeespezialitäten, Weinen und anderen Delikatessen. Je nachdem in welchem Bereich des Geschäftes wir uns umschauen, weht uns ein anderer Duft nach verschiedenen Leckereien aus aller Welt um die Nase. Die Göttinger Altstadt ist übrigens eine wahre Schatztruhe für Genießer, stellen wir schnell fest. Laden an Laden gibt es hier Delikatessen, die multikultureller nicht sein könnten.
Eine Göttinger Institution
Wir laufen weiter und erreichen die nahe gelegene Theaterstraße. Hier befindet sich das Fruchthaus Schwieger, eine traditionsreiche Adresse in Göttingen. Das kleine Geschäft versprüht den Charme eines alten Tante-Emma-Ladens, in dem man auf kleinster Fläche eine verblüffende Auswahl an Obst und Gemüse vorfindet.
Der Karzer
Unsere Tour durch Göttingen führt uns weiter durch die Burgstraße in Richtung Wilhelmsplatz, an dem uns sofort ein großes Gebäude mit klassizistischen Säulen auffällt. Unser Stadtführer verrät uns, dass es sich dabei um das Aula-Gebäude der Göttinger Universität handelt. Auch heute strahlt es noch Festlichkeit aus und wird gerne für große Feierlichkeiten genutzt. Hinter den dicken Mauern soll sich außerdem noch eine Besonderheit verbergen, die man hoffentlich bald wieder bei einer Stadtführung besichtigen kann: der Karzer, das ehemalige Studentengefängnis.
Mode und Kultur
Wir gehen um das Aula-Gebäude herum und stoßen auf Woggon, ein Mode-Geschäft, das schon beim Betreten durch seine ungewöhnliche Innenarchitektur auffällt: Die Verkaufsräume liegen auf unterschiedlichen Ebenen und werden mit durchbrochenen Böden aufgelockert. Das Woggon ist aber auch in anderer Hinsicht kein gewöhnliches Bekleidungsgeschäft, erzählt uns eine Verkäuferin. Die Verkaufsräume wurden vor Corona nämlich auch häufig als Bühne für kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Theater-Aufführungen und Vernissagen bereitgestellt. Hoffentlich ist es bald wieder soweit
Stärkung auf der Roten Straße
Langsam macht sich bei uns etwas Appetit bemerkbar. Zum Glück stellen wir schnell fest, dass wir dafür genau in der richtigen Ecke der Altstadt sind. Denn in unmittelbarer Nähe zum Wilhelmsplatz finden wir zahlreiche Möglichkeiten, um unseren Hunger zu stillen. Wir durchblättern unseren Reiseführer und bekommen eine breite Auswahl an Empfehlungen zu lesen. Vor allem an der Roten Straße findet sich viel unterschiedliche Gastronomie: Ein Klassiker ist das Nudelhaus, das aufgrund seiner hausgemachten Pasta und der günstigen Preise nicht nur bei Studenten sehr beliebt ist. Ein Geheimtipp ist an schönen Tagen auch der kleine Innenhof des Restaurants, wo man es sich unter einer großen Kastanie bequem machen kann.
Gleich um die Ecke findet man im etwas gehobenen Segment das Gaudi mit abwechslungsreicher mediterraner Küche. Das Restaurant befindet sich im Börner-Viertel, zwei kleine, miteinander verbundene Hinterhöfe, die in den 90er Jahre restauriert wurden. Um nicht zu viel Zeit zu verlieren, beschließen wir auf einen kleinen Snack im Bistro Löwenstein vorbeizuschauen. Hier finden wir auch viele vegetarische und vegane Gerichte sowie koscheres Essen. Die Frau an der Theke erzählt uns, dass das Löwenstein gleichzeitig als Begegnungsstätte für die Jüdische Kultusgemeinde dient. Der Verein ist für Göttingen und Südniedersachsen zuständig.
Die Picknickkorbwerkstatt
Frisch gestärkt geht es weiter auf unserer Erkundungstour durch die Göttinger Seitenstraßen. Wenn man aus der Roten Straße rechts in die Kurze Geismarstraße einbiegt, liegt linker Hand gleich Tavola. Der Laden ist offensichtlich spezialisiert auf Kochzubehör, Bestecke und Geschirr für leidenschaftliche Köche. Darüber hinaus finden wir in dem kleinen Geschäft noch eine echte Besonderheit: eine Picknickkorbwerkstatt. Nach eigenen Wünschen und Ideen kann man im Tavola seinen ganz individuellen Picknickkorb herstellen lassen. Sowas haben wir noch nie gesehen!
Fair gerösteter Kaffee
Wie die Straßennamen bereits vermuten lassen, sind es von der Kurzen in die Lange Geismarstraße nur wenige Schritte. Folgt man dem Geruch frisch gerösteten Kaffees, steht man schnell vor einem alten Fachwerkhaus, in dem sich das Zuhause des größten Fair Trade-Geschäftes in Deutschland befindet: Contigo. Dort finden wir eine große Auswahl an fair gehandelten Produkten wie Kunsthandwerk, Schmuck, Tee und Schokolade aus aller Welt. Und eine kleine Kaffeerösterei, in der der Göttinger Stadtkaffee „Nobel Bohne“ ständig frisch geröstet wird, gibt’s hier auch. Göttingen ist übrigens auch Sitz der Contigo-Zentrale, die sich voll und ganz der Fair Trade-Idee verschrieben hat. Contigo betreibt nicht nur deutschlandweit Läden sondern auch in der chinesischen Hauptstadt Peking.
Der Doktorkuss
Nach ausführlichem Stöbern verlassen wir das Geschäft und landen schnell auf der Weender Straße und damit in der Fußgängerzone. Als wir in unserem Reiseführer über das Alte Rathaus nachlesen, stoßen wir auf einen urigen Brauch. Vor dem Rathaus steht der Gänseliesel-Brunnen, der regelmäßig zum Bestandteil einer Göttinger Tradition wird: dem Doktorkuss. Jeder frisch gebackene Doktor der Göttinger Georg-August-Universität zieht nach bestandenem Examen mit Studienkollegen, Freunden und Familie durch die Stadt zum Gänseliesel-Brunnen. Dort muss er die kleine Bronzefigur auf dem Brunnen erklimmen, ihr einen Blumenstrauß in den Korb oder Baldachin stecken und ihr einen Kuss auf die Wange geben. Erst dann ist er ein „echter“ Göttinger Doktor.
Kubanischer Ausklang
Wir fragen einen Einheimischen, wo wir den Tag noch schön ausklingen lassen können. Er gibt uns zwei Tipps mit auf den Weg: Entweder sollen wir einen kleinen Abstecher in die Konditorei Cron & Lanz machen und uns Baumkuchen, Pralinen und Torten schmecken lassen oder einmal in der Villa Cuba vorbeischauen.
Da wir von unserem Imbiss bei Löwenstein noch satt sind, entscheiden wir uns für Tipp 2 und bestellen uns in der Villa Cuba neben dem Alten Rathaus einen leckeren Cocktail. Sollten Sie demnächst auch zum ersten Mal den Weg hierher finden, dann schieben Sie beim Toilettenbesuch den Klang von Fidel Castros Stimme nicht auf den Alkoholgehalt Ihres Cocktails. Hier kann man nämlich tatsächlich Originalreden des ehemaligen kubanischen Staatschefs hören. Wer weiß: Vielleicht bringt Sie das ja anschließend auf revolutionäre Gedanken zur weiteren Abendgestaltung?
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