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„Nicht der Wind, sondern die Segel bestimmen die Richtung.“

Wilhelmshaven bietet vom Frühjahr bis zum Herbst immer wieder spannende Törns an. In diesem Jahr bekommt man als Seebär Anfang Mai, Mitte Juni zum Tag der Niedersachsen, Ende September zum Wilhelmshaven Sailing-CUP sowie als besonderes Highlight mit dem Patenschiff der Stadt, die MIR, am 17. Mai, die Möglichkeit an einem Segeltörn teilzunehmen und ein unvergessliches Abenteuer zu erleben. In diesem Jahr feiert nicht nur die Stadt an sich ein Jubiläum, sondern auch die Patenschaft mit der MIR feiert seinen 20. Geburtstag. Diese Segeltörns sind immer etwas besonderes und im letzten Jahr hatte ich sogar das Glück, mitsegeln zu dürfen.

Patenschiff der Stadt Wilhelmshaven

Seit 1999 ist die MIR das Patenschiff der Stadt Wilhelmshaven und ein gern gesehener Gast im Großen Hafen. Im vergangenen Jahr nutzte die MIR die Gelegenheit und ging beim 44. Wochenende an der Jade vor Anker. Das Segelschulschiff bietet bei solchen Events nicht nur Open Ship, also Besichtigungen an Bord, sondern auch Segeltörns an. Also ergriff ich die Chance und schleuste mich am Samstag, den 30.06.2018, bei blauem Himmel und 22 Grad an Bord. Ganze sechs Stunden sollte der Segeltörn dauern und ich war gespannt, was mich neben einer Schiffsbesichtigung unter Deck und einem Mittagessen erwartete.

Kompliziertes Ablegemanöver

Als erstes habe ich festgestellt, dass das Ablegemanöver eines so großen Seglers ziemlich umfangreich und schwierig ist. Man benötigt zwei Schlepper, Schiffe mit besonderer Antriebsanlage, die das Schiff vom Kai in Richtung Schleuse bringen. Konzentriert und zügig wird an Bord und zu Wasser gearbeitet um dieses Manöver sicher zu vollenden. Die Routine sieht man vor allem den Arbeitern auf den Schleppern an, was mich beeindruckte. In der Schleuse angekommen wurde erst einmal gewartet und nach 30 Minuten durften wir dann hinaus auf die Nordsee. Den Bug Richtung Horizont gerichtet spürte man den langsam stärker werdenden Wind der offenen See. Aber da uns das Wetter wohlgesonnen war, strahlte die Sonne mit allen Gästen an Bord der MIR um die Wette.

„Dawai, Dawai!“

Nun begab ich mich auf einen ersten Rundgang über das Deck des Schiffes. 109 Meter lang ist der russische Traditionssegler, 14 Meter breit und hat 6,60 Meter Tiefgang. Es ist ein Dreimast-Vollschiff und hat aktuell den Ruf des schnellsten Großseglers der Welt inne. Unter Segeln erreicht es wohl eine Höchstgeschwindigkeit von 19,4 Knoten, was in etwa 35,9 Kilometer pro Stunde sind. Da ich nicht sicher war, ob ich seetauglich genug bin, war ich sehr froh, dass wir nicht alle Segel gesetzt haben und eher gemütlich segelten. Aber nicht nur die technischen Details ließen mich staunen. Auch die Kadetten und die Crew kommen wahrlich ins Schwitzen, wenn es auf See darum geht, die Segel zu setzen. Mit einem Mal wurde es unter den Kadetten etwas hektischer und sie liefen zu den jeweiligen Masten und Leinen. Nun war Teamwork gefragt und man hörte nur noch „Dawai, Dawai“ (russisch für „los“) und noch einige andere Kommandos auf Russisch, die ich leider nicht verstehen konnte. Wie schon erwähnt, wurden nicht alle Segel gesetzt, was aber das Erlebnis an sich nicht trübte. Grund hierfür war, dass die Kadetten an Bord erst zwei Wochen praktische Erfahrung gesammelt hatten und einige der erfahrenen Crewmitglieder an Land geblieben sind, um einer größeren Anzahl an Gästen das Mitsegeln zu ermöglichen. Umso beeindruckter war ich von der starken Leistung der jungen Kadetten. Nach zwei Wochen auf dem Ausbildungsschiff machten sie auf mich schon einen sehr routinierten Eindruck.

Praxissemester mal anders

Die Kadetten der MIR sind im Schnitt zwischen 17 und 22 Jahre alt und besuchen die Admiral-Makarow-Akademie für Marineingenieure in Sankt Petersburg. Dort studieren sie in den Fachrichtungen Nautik, Schiffsbetriebstechnik, Radar- und Funkwissenschaften. Ihre praktische Erfahrung, als sogenanntes Praxissemester absolvieren die Studenten dann auf der MIR. Unter den überwiegend männlichen befand sich auch eine Handvoll weiblicher Kadetten. Da die nautische Ausdrucksweise überwiegend auf Englisch ist, lernen die Kadetten diese Sprache auch an Bord. Das merkte ich auch unter Deck bei der Führung, die durch einige Kadetten durchgeführt wurde. In kleinen Gruppen wurden uns die Kajüten (Schlafbereiche) gezeigt. Diese sind größer als ich erwartete, aber nachdem ich die vielen Betten gesehen hatte, war auch klar warum. Jeweils zu zwölft schlafen
die Kadetten in einem Schlafbereich. Da ist Ordnung und Organisation die halbe Miete.

Der Aufenthaltsraum auf der MIR bietet Platz um Pause zu machen zwischen den Diensten, wie zum Beispiel dem Wachdienstposten oder den Unterrichtsstunden im Lehrsaal. Die Mahlzeiten werden in der Messe eingenommen. So nennt man die „Kantine“ an Bord. Der Kadett der mit meiner Gruppe die Führung machte meinte, das Essen an Bord sei um einiges besser als an der Akademie, denn hier bekommen sie die gleiche Kost wie der Kapitän. Allgemein ist die Stimmung unter den Kadetten ausgelassen. Das sollte sie auch sein wenn man bedenkt, dass sie mindestens drei Monate sehr eng zusammen leben, lernen und arbeiten. Eine lustige Anekdote hatte unser junger Kadett aber leider noch nicht auf Lager. Aber wer weiß, ob sich das noch ändert, denn schließlich hat ihr Praxissemester erst begonnen.

Hunderte tolle Fotomotive

Wieder an Deck, war ich bereit für mein leibliches Wohl zu sorgen. Also begutachtete ich die Auswahl an Getränken und Speisen, die zum Verkauf angeboten wurden, bis das Mittagsessen angerichtet werden konnte. Softgetränke, Wasser, Bier und natürlich Wodka standen bereit. Auf einem kleinen Elektrogrill wurden Würstchen gegrillt und für den süßen Gaumen gab es Snickers. Ich entschied mich für ein Softgetränk und ein Würstchen. Man muss ja alles mal probieren und den Magen auf den Wodka vorbereiten, den ich mir eventuell zum Abschied am Ende des Tage gönnen werde. Ich wollte ja keine gute russische Sitte auslassen. Da es auf so einem großen Schiff einiges zu sehen gibt, zückte ich meine Kamera und machte mich auf den Weg rund um den Segler. Insgesamt konnte ich über 200 Fotos schießen. Ein Motiv schöner als das andere, wie ich finde. Immer wieder sind die Kadetten in der Zeit an den Masten mit den Segeln und Leinen beschäftigt.

Die „hervorragende“ Musikauswahl des deutschen Guides machten die Fahrt auf der Nordsee sehr abwechslungsreich. Deutsche Kassenschlager der 60iger und 70iger Jahre dröhnten aus den Boxen am Mittelmast. Nicht so mein Fall, aber irgendwie passte es zu der Atmosphäre und ich schmunzelte das ein oder andere Mal über die Musik. Nach so viel neuen Eindrücken freute ich mich über die Mittagspause in der Sonne. Ich holte mir meine Portion ab und suchte auf dem Heck einen ruhigen Platz in der Sonne. Es gab Borschtsch, eine rote russische Suppe mit einem Wiener Würstchen und eine Pirogge, eine typisch osteuropäische gefüllte Teigtasche. Es war alles sehr lecker und ich war satt und zufrieden.

Die Fahrt neigt sich dem Ende

Da wir wieder rechtzeitig in der Schleuse sein mussten, änderte der Kapitän den Kurs wieder Richtung Wilhelmshaven. Also begann nach einiger Zeit die Action wieder und die Segel wurden kurz vor der Schleuse eingeholt. Das Segel einholen dauerte länger, als die Segel zu hissen, denn die Segel mussten ja wieder richtig verstaut werden. Also bedeutete es für die Kadetten Sicherheitsgurte anlegen und ab auf den Mast, Segel einrollen. Mich hätte man dort für kein Geld der Welt hinauf bekommen und ich glaube die Kadetten waren auch froh um den recht windstillen Tag.

Nachdem wir das Schleusen-Prozedere hinter uns ließen und uns die Schlepper Schiffe wieder Gesellschaft leisteten, konnte ich nicht umhin, die Einfahrt in den Großen Hafen zu genießen und noch einige Bilder von der Wasserseite aus zu erhaschen. Das Anlegemanöver durch die Schlepper ging wieder routiniert von Statten und bald hatten wir es geschafft und wieder festen Boden unter den Füßen. Die kleine Problematik mit der Gangway, die sich verklemmt hatte, löste sich, nachdem das größte und mit Sicherheit stärkste Crewmitglied dem jungen Kadetten zur Hilfe kam und mit einem Ruck das verhakte Seil löste. Um 19 Uhr an diesem sonnigen Samstagabend verließ ich das Schiff und war um hunderte Eindrücke reicher. Es war ein aufregender Tag mit einem schönen Erlebnis und sehr netten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Einzig der Kapitän der MIR macht einen wortkargen und emotionslosen Eindruck, aber vielleicht muss das ja so. Ob Segelfreund oder Segel-Frischling, hat man die Möglichkeit so einen Törn mitzumachen, sollte man es nutzen.

Wer jetzt Lust auf einen Segeltörn mit der MIR bekommen hat, sollte schnell hier klicken!

Ahoi und Mast- und Schotbruch wünscht euch Jenni.

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