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Kochkunst und Historie im Gifhorner Welfenschloss

Brücke zum Gifhorner Welfenschloss

Brücke zum Gifhorner Welfenschloss

Ich habe eine Verabredung im Schloss. Vor fast 500 Jahren, als das imposante Gebäude von Herzog Franz von Braunschweig und Lüneburg bewohnt wurde, hätte ich wohl schriftlich um eine Audienz bitten müssen, heute genügt ein Anruf.

Ich bin mit Jörg Zentgraf verabredet, dem Wirt des Gifhorner Schlossrestaurants. Sein Arbeitsplatz befindet sich im ältesten Bauwerk der Stadt, 1525 hat der Bau begonnen. Über eine Holzbrücke, die über einen Wassergraben führt, gelange ich zum Restaurant. Früher war der Graben rund 50 Meter breit und das Schloss wurde zusätzlich durch Festungswälle gesichert, da es eine strategisch wichtige Funktion an der Südostflanke des Herzogtums hatte. Tatsächlich erwies sich die Festungsanlage als wehrhaft und wurde nie durch feindliche Truppen eingenommen.

Von Paris über Köln nach Gifhorn

Jörg Zentgraf empfängt mich gut gelaunt und ist ein wenig im Stress. Die Mittagsgäste sind gerade gegangen und die Gäste zum Kaffeetrinken auf der Terrasse werden bereits erwartet. Dennoch nimmt er sich die Zeit und beantwortet geduldig meine Fragen. Seit 2002 führt Zentgraf das Schlossrestaurant. Er ist viel rumgekommen, hat in Paris, in Köln und in den Niederlanden gearbeitet und war Chef-Patissier im Wolfsburger Ritz-Carlton. Seine Küche beschreibt er als regional mit französischen Einschlägen und asiatischen Akzenten.

Schlosswirt Jörg Zentgraf © Südheide Gifhorn GmbH / Jörn Pache

Tafeln mit Pater Laurentius

Zentgraf entschuldigt sich kurz, um Kuchen für die Kaffeegäste zu holen. Ich schaue mich um, werfe einen Blick in die Orangerie, in die Bastion, in die Weinstube und in den Kräutergarten. Im Gewölbekeller bietet der Schlosswirt ein besonderes Erlebnis an: Tafeln mit Pater Laurentius. Zentgraf schlüpft dabei in die Rolle des Paters aus dem 16. Jahrhundert, der sich nicht wie seine Brüder den staubigen Büchern widmete, sondern für das leibliche Wohl sorgte.

Die Tafel biegt sich, denn vom marinierten Huhn, gesottenem Fleisch, Backwurst und Hackbraten, Sauerkraut, Sauerrahm, Pellkartoffeln und hausgebackenem Klosterbrot mit Griebenschmalz, Landpastete und Klostersenf wird reichlich aufgetischt. Zum deftigen Hauptmahl schenken die Mägde würziges Schwarzbier aus. Zum Abschluss reicht der Pater ein klösterliches Verdauungselixier mit geheimer Rezeptur. Pater Laurentius unterhält seine Gäste zwischen den Gängen mit mittelalterlichen Anekdoten. Das Programm ist für Gruppen ab acht Personen zu buchen.

Tafeln mit Pater Laurentius im Schloss Gifhorn © Südheide Gifhorn GmbH

Frische und Regionalität

Das Schlossrestaurant arbeitet eng mit regionalen Lieferanten zusammen. Naturbelassene, frische und saisonale Produkte sind Zentgraf wichtig. Gemüse, Fleisch, Gewürze und Honig beispielsweise kommen vorwiegend aus der Umgebung und liefern die Zutaten für die authentische, ehrliche Küche.

Im Eingangsbereich des Restaurants findet man Produkte für zu Hause: hausgemachte Nudeln (die Zimtnudeln schmecken fantastisch als Dessert), Öle, Liköre, Pralinen, Salze und Kräutermischungen. Das „Franz-Salz“ hat es mir besonders angetan und hat schnell Einzug in mein Gewürzregal gefunden. Steak in die Pfanne, mit Franz-Salz würzen, einen kleinen Salat dazu, fertig. Die Bezeichnung ist übrigens doppeldeutig und bezieht sich auf die elf verwendeten französischen Kräuter und Herzog Franz.

Hausgemachte Leckereien im Schlossrestaurant Zentgraf © Südheide Gifhorn GmbH / Jörn Pache

Herzog Franz

Ich verabschiede mich von Jörg Zentgraf, schaue mich im Innenhof des Schlosses um und versuche mir vorzustellen, wie das Leben am Hofe von Herzog Franz wohl war. Seine beiden älteren Brüder Otto und Ernst der Bekenner regierten das Herzogtum von Celle aus. Franz wurde vom herrschaftlich-luxuriösen Leben am kursächsischen Fürstenhof mit seinen Festen, Jagdveranstaltungen und Reisen geprägt. 1536 kehrte er auf Drängen seines Bruders Ernst nach Celle zurück.

Aber Franz zeigte kein Interesse an der von ihm erwarteten Regierungsverantwortung und ihm genügte der vergleichsweise bescheidene Lebensstandard in der kleinen Celler Residenz nicht. Als Abfindung verlangte er ein eigenes Herzogtum und erhielt 1539 die Ämter Gifhorn, Fallersleben und das Kloster Isenhagen bei Hankensbüttel. Er ließ das Gifhorner Schloss als Residenz ausbauen und führte ein prunkvolles höfisches Leben. Doch seine Regierungszeit in Gifhorn währte nur zehn Jahre, da er an seinem 41. Geburtstag 1549 an einer Infektion am Fuß verstarb.

Der Innenhof des Gifhorner Welfenschlosses © Südheide Gifhorn GmbH / Jörn Pache

Die Schlosskapelle

Ich steige die kurze Treppe zur Schlosskapelle hoch und trete durch die große massive Holztür ein. Die Kapelle protzt nicht, sie zeigt keine aufwendige Architektur, keinen Prunk und kein Gold. Sie ist schlicht. Nichts lenkt ab. Und genau das hatte Herzog Franz wohl auch im Sinn, als er mit der Schlosskapelle den ersten Sakralbau in Nordwestdeutschland, erbauen ließ. Eigens für den protestantischen Gottesdienst.
Herzog Franz ist hier beigesetzt und noch heute steht er als lebensgroße, knieende Grabmalsfigur auf seinem Sarkophag. Der Sarkophag seiner Ehefrau Klara von Sachsen-Lauenburg ist leer, da sie auf einer Reise in ihre pommersche Heimat in Barth verstarb. Sie ist aber ebenfalls als Plastik betend dargestellt.
Herzogin Klara kann man übrigens auch im Rahmen einer Schlossführung„live“ erleben.

Gifhorner Schlosskapelle © Südheide Gifhorn GmbH

Historisches Museum

Direkt unter der Schlosskapelle liegt der Eingang zum Historischen Museum . Das Museum ist in fünf Abteilungen gegliedert, von der Urzeit bis zur Gegenwart. Eine Abteilung ist der Geschichte des Welfenschlosses gewidmet. Hier bekomme ich einen Eindruck davon, wie Herzog Franz gelebt hat. Edle Gläser, teure Keramiken, teure Ofenkacheln und Kleidung der Zeit vermitteln einen Eindruck vom höfischen Glanz im 16. Jahrhundert.

Historisches Museum Schloss Gifhorn © Südheide Gifhorn GmbH

Die Schlosswiesen

Ich beende meinen Besuch des Schlosses und gehe wieder über die Holzbrücke zurück. Ich biege aber nicht nach rechts ab, um zurück in die Stadt zu gehen, sondern mache noch einen kleinen Schlenker Richtung Schlosswiesen. Hier liegen der Schlosssee und der Mühlensee, beide aus dem Flüsschen Ise gespeist. Von hier aus habe ich einen tollen Blick auf die Mühlen des Mühlen-Freilichtmuseums und die Russisch-Orthodoxe Holzkirche.
Die Schlosswiesen sind ein beliebter Treffpunkt, zum Joggen, Wandern und Sonne genießen.

Gifhorner Schlosssee mit Blick auf das Mühlen-Freilichtmuseum
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