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Göttinger Entdeckungstour: Moderne Skulpturen in der Altstadt

Die Bronzeskulptur Mann am Schreibtisch steht in der Börnerpassage zwischen Rote Straße und Barfüßerstraße © Michaela Heise

Seid Ihr in Eurem Alltag auch schon tausendmal an einer Skulptur in Eurer Stadt vorbeigelaufen, ohne sie richtig wahrzunehmen, und eines Tages fragt Ihr Euch: Was hat es damit auf sich? Welcher Künstler oder Künstlerin verbirgt sich dahinter und was wollte er oder sie eigentlich mit diesem Werk sagen? Mir geht es genauso: Jeden Tag auf dem Weg durch Göttingens City komme ich an diversen Kunstwerken unter freiem Himmel vorbei. Schon auf dem Marktplatz im Herzen der Stadt stehen sich bekannte Wahrzeichen wie der Gänseliesel-Brunnen und moderne Skulpturen gegenüber.

Ein Rundgang zu den modernen Skulpturen

Grund genug einmal genauer hinzuschauen und deshalb freute ich mich sehr, dass im Rahmen des Stadtführungsfestivals „Göttinger Entdeckungstouren 2015“ ein Rundgang zu den modernen Skulpturen in der Altstadt angeboten wird. Unter der Leitung von Kunsthistorikerin Anja Marrack gehe ich am letzten September-Sonntag mit mehreren Gleichgesinnten auf eine zweistündige Entdeckungsreise.

Wir starten am Alten Rathaus. Gleich am Ende der Rathaustreppe stolpern wir fast über die erste Station unseres Rundgangs: die zweiteilige Skulptur „Göttinger Erhebung“, eine Bronzearbeit von Andreas Welzenbach. Sie ist zugleich das jüngste Werk, das wir sehen werden, denn sie wurde erst 2012 aufgestellt. Thematisch widmet sie sich dem Freiheitskämpfer Dr. Johann von Rauschenplatt, der 1831 bei der sogenannten „Göttinger Revolution“ gemeinsam mit mehreren Studenten das Rathaus stürmte und den Rat der Stadt absetzte. Interessant: Die Figur ist innen hohl, so dass Betrachter hineingehen können und ungesehen ihre Meinung äußern können. Wir verzichten aber darauf.

Anja Marrack erklärt, dass das Skulpturen-Ensemble Göttinger Erhebung die sogenannte „Göttinger Revolution“ im Jahr 1831 thematisiert © Michaela

Dem Trubel entgangen

Um dem Trubel auf dem Marktplatz zu entgehen, denn zeitgleich fand an diesem Sonntag das 20. Göttinger Gänseliesel-Fest in der City statt, führt uns Frau Marrack weiter ins Börnerviertel. Gleich am Eingang zur Passage in der Roten Straße halten wir kurz bei zwei „Steinbewachsenen Torsi“ des Northeimer Bildhauers Wolf Bröll. Die Gegenstücke passieren wir später am Ausgang in der Barfüßerstraße. Im Innenhof schauen wir uns die Bronzearbeit „Mann am Schreibtisch“ von Bernd Altenstein an.

Von diesem Künstler stammt auch die Skulptur an einem der zentralen Plätze in der Fußgängerzone, der sogenannte Nabel an der Kreuzung von Weender Straße und Theaterstraße. Hierhin begeben wir uns als Nächstes. Frau Marrack berichtet uns, dass die Figurengruppe „Der Tanz“ von 1980 bis 1982 quasi basisdemokratisch entstanden ist. Damals wurde ein Ersatz für einen an gleicher Stelle stehenden Brunnen gesucht und die Göttinger waren aufgefordert, Themenvorschläge zu machen. Letztendlich einigte man sich auf einen Entwurf, der berühmte Göttinger Persönlichkeiten darstellen sollte. Bernd Altenstein ist es dennoch gelungen, seine künstlerische Freiheit in die Umsetzung einfließen zu lassen und dem Werk seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Den „Nabel“, ein zentraler Kreuzungspunkt in der Göttinger Fußgängerzone, kennzeichnet die Skulptur „Der Tanz“ von Bernd Altenstein (1982) © Michaela

6 Skulpturen und 2 Kunstwerke

Von einer Marching Band lautstark unterbrochen, beendet Frau Marrack ihre Erläuterungen am „Nabel“ und führt uns über die Theaterstraße zum Deutschen Theater. Hier treffen wir unter den Bäumen auf sechs Skulpturen von Uwe Schloen: Januskopf, Blume, Herz, Ente, Totenkopf und Stuhl, die 1994 hier aufgestellt wurden und 2003 restauriert wurden. Außerdem macht uns Frau Marrack auf zwei weitere Kunstwerke aufmerksam: die Glas-Bronze-Konstruktion am Eingang zum Bistro des Deutschen Theaters stammt von dem tschechischen Künstler Boris Sipek, gleich daneben steht ein Stahlbrunnen von Erhard Christian.

Vor dem Deutschen Theater stehen seit 1994 sechs Skulpturen von Uwe Schloen © Michaela

Dann führt uns der Weg zur Stadthalle. Am Aufgang zur Terrasse machen wir vor dem Bronzerelief „Die Stadt“ von Prof. Jürgen Weber Halt. Es stammt aus den sechziger Jahren und zeigt menschliche Konstellationen, die das Leben in einer Stadt ausmachen: Individuum, Paar, Gruppe und Masse. Vom gleichen Künstler stammt auch das Eingangsportal zum Ratssaal im Neuen Rathaus (entstanden 1980).

Das Bronzerelief „Die Stadt“ an der Göttinger Stadthalle am Aufgang zur Terrasse © Michaela

Die Göttinger Skulpturenmeile

Dorthin gehen wir dann auch und nehmen den Weg über den Stadtwall. Frau Marrack bezeichnet den Hiroshimaplatz vor dem Neuen Rathaus als „Göttinger Skulpturenmeile“. In der Tat begegnen wir an der letzten Station unseres Rundgangs drei höchst unterschiedlichen Kunstwerken auf engem Raum: Der Steinskulptur „Genesis“ von Giancarlo Sangregorio (1979 aufgestellt), Uwe Appolds „Doppelkentaur“ aus schwarz lackiertem Stahl von 1985 und dem Bronzeguss „Verbundenheit“ des Hannoversch Mündener Künstlers Heinz Detlef Wüpper (2004 hier aufgestellt).

„Verbundenheit“ heißt die Bronzeskulptur von H. D. Wüpper auf dem Hiroshimaplatz vor dem Neuen Rathaus © Michaela

Eine weitere Wüpper-Skulptur steht gleich auf der anderen Straßenseite vor dem Landkreis-Gebäude: „Der Aufbruch“ von 1986. Zuletzt können wir noch einen Blick auf die „Vegetative Säule“ des Göttinger Bildhauers Emil Cimiotti (ebenfalls 1986) werfen, diese befindet sich im Innenhof des Landkreisgebäudes.

Zum Abschluss des zweistündigen Kunstrundgangs verteilt Frau Marrack noch die Broschüre „Kunst in der Stadt“. Darin werden dreiundzwanzig Objekte, Skulpturen und Installationen in der Göttinger Innenstadt ausführlich vorgestellt. Erhältlich ist sie ist in der Tourist-Information im Alten Rathaus oder zum Download unter www.denkmale.goettingen.de.

Mein besonderer Tipp:

Das Stadtführungsfestival Göttinger Entdeckungstouren 2015  läuft noch bis zum 31. Oktober. Bis dahin gibt es täglich mindestens eine Führung zu einem spannenden Thema oder einen Blick hinter die Kulissen. Dabei öffnen sich viele Türen, die sonst für die breite Öffentlichkeit verschlossen bleiben.

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