Der Sommer zeigt sich in diesem Jahr nicht von seiner schönsten Seite. Sind die Sonnenstrahlen erstmal hinter einer grauen Wolkenschicht verschwunden, ist es schon recht ungemütlich draußen. Dann ist es Zeit für einen Besuch im Städtischen Museum im Altstadtrathaus.
Neben einer wechselnden Ausstellung zeigt das Museum eine Dauerausstellung zur Geschichte Braunschweigs. Damit kenne ich mich natürlich schon etwas aus, aber heute möchte ich noch tiefer in die facettenreiche Historie der Löwenstadt eintauchen – und das mache ich im wahrsten Sinne des Wortes: Die Ausstellung erstreckt sich über das Erdgeschoss und das Kellergewölbe des Altstadtrathauses und ich könnte mir keinen besseren Ort dafür vorstellen – durch das Gewölbe mit seinen niedrigen Decken und steinbehauenen Wänden fühlt es sich tatsächlich so an, als hätte ich eine andere Zeit betreten. Hier widme ich mich der ersten der vier thematisch Abteilungen: I. Stadtwerdung, II. Bürger- und Hansestadt, III. Residenzstadt und IV. Industriestadt. Und siehe da: Schon hier stoße ich auf einen Fakt, den ich bislang noch nicht kannte.
1. Schon 1231 identifizierten sich die Braunschweiger mit ihrem Löwen.
Mir begegnen rund 150 Braunschweiger Petschafte. Auf Anhieb weiß ich nicht, was ich mir da anschaue, doch sie sehen aus wie historische Stempel. Das dazugehörige Infobuch verrät mir, dass ich damit nicht ganz falsch liege, aber auch nicht ganz richtig: Petschafte sind zwar Stempel, allerdings nicht – wie in meiner Vorstellung – zum Stempeln von Papier, sondern um Siegelwachs einzudrücken. Auf diese Weise wurden damals zum Beispiel Urkunden beglaubigt oder vertrauliche Briefe versiegelt. Zur Beglaubigung wurde auch das älteste Petschaft in der Sammlung des Städtischen Museums benutzt: Es ist von 1231 und zeigt den Braunschweiger Löwen mit der Umschrift SSIGILLVM BVRGENSIVM IN BRVNESVVIK“, was übersetzt „Siegel der Bürger in Braunschweig“ bedeutet.
2. Das genaue Alter der Stadt ist ungewiss.
Ist das älteste Stadtsiegel der Sammlung auch von 1231, ist die Stadt selbst doch viel älter. Wie viel älter genau, lässt sich allerdings nur schwer bestimmen. Da weder zeitgenössische Schriftquellen zur Stadtentstehung erhalten sind noch ein Gründungsdatum überliefert wurde, ist die sicherste Quelle für die historische Forschung die Ersterwähnung der Stadt in der Weiheurkunde der St. Magni-Kirche von 1031. In ihr wird berichtet, dass Bischof Branthago von Halberstadt die Kirche St. Magni in der villa brunesguik geweiht hat – das steht auf jeden Fall auf der Infotafel im Museum. Die Entstehung selbst ist lediglich überliefert und zwar in der Braunschweiger Reimchronik, die gegen Ende des 13. Jahrhunderts entstanden ist und die Gründung der Stadt sowie der Burg Dankwarderode unter Herzog Brun beschreibt.
Die Abteilung zur Stadtwerdung ist wirklich interessant und ich nehme mir viel Zeit, um zu erfahren, wie sich Braunschweig als Marktstandort entwickelt oder wie sich die Topografie der Löwenstadt über die Jahre verändert hat. Doch ein kurzer Seitenblick in die nächsten Abteilungen weckt meine Aufmerksamkeit – alte Rüstungen und Waffen zeugen von den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Bürgerschaft mit den Herzögen um die Rechteverhältnisse in der Stadt.
3. Braunschweig bestand im Mittelalter aus fünf Teilstädten.
Bevor die Löwenstadt eine Stadt wurde, bestand sie im Mittelalter aus fünf Weichbilden, also Teilstädten: Altstadt, Neustadt, Hagen, Altewiek und Sack. Im 13. Jahrhundert erhielt jedes Weichbild seinen eigenen Rat und die Räte der Altstadt, des Hagens und der Neustadt vereinigten sich bald darauf zum Gemeinen Rat, der sich um Belange der gesamten Stadt kümmerte. Mit ihrer Politik strebten die Braunschweiger Bürgerschaft des Status einer unabhängigen Reichsstadt an. Faktisch erhielten sie diesen nie, aber nach und nach erlangten sie immer mehr Rechte von den Herzögen, die diese aus Geldnot verkauften. 1671 aber verlor Braunschweig seine weitreichende Selbstständigkeit nach der Einnahme durch Herzog Rudolf August, der die Weichbildräte abschaffte und den Gemeinen Rat durch einen eigenen ersetzte. Wie die Stadt kurz vor der Übernahme ausgesehen hat, konnte ich mir bereits auf dem Weg zur Ausstellung ansehen: Im Foyer des Altstadtrathauses steht ein 16 Quadratmeter großes Modell, das die Braunschweiger Innenstadt mit ihren Weichbilden im Jahre 1671 zeigt.
Die vielen Informationen ermöglichen es mir, die bewegte Geschichte der Löwenstadt nachzuvollziehen. Und es ist wirklich eine Fülle an Informationen, denn die Dauerausstellung beleuchtet nicht nur politische Entwicklungen, sondern auch Braunschweigs Mitgliedschaft in der Hanse, das Leben der Bürgerschaft und die Entwicklung der Industrie. Aber ich glaube, dafür muss ich später noch einmal wiederkommen, da die Ausstellung schon bald schließt. Ich hatte nicht damit gerechnet, wie viel Zeit ich hier verbringen würde. Wie gut, dass die Ausstellung Dienstag bis Sonntag jeweils von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet und der Eintritt frei ist. Und nach dem verregneten Sommer kommt auch schon bald der Winter mit museumsreifen Tagen …