Website-Icon about cities | Der Städteblog für Niedersachsen

Wolfsburger Geheimnisse

Kennt ihr das? Ihr schlendert durch eure Heimat und versäumt den Blick für die kleinen Dinge? Es ist Alltag geworden und der Weg zum Einkaufen oder zur Arbeit wird routiniert in Angriff genommen. Allerdings lauern fast hinter jeder Ecke spannende Geschichten, faszinierende Orte und attraktive Kleinode. Für Wolfsburg habe ich mir ein paar dieser Orte einmal angeschaut und mir die kleinen Geschichten dazu angehört. Begleitet mich gerne durch diesen Beitrag. Vielleicht bekommt ihr ein bisschen Inspiration selbst Geheimnisse zu entdecken.

Spukgeschichten am Schloss Wolfsburg

Unser erstes Ziel führt uns zum altehrwürdigen Schloss Wolfsburg. Was wäre ein Schloss ohne seine eigene Spukgeschichte? Im 16. Jahrhundert wohnte Hans von Bartensleben im Schloss Wolfsburg, der aufgrund seines Wohlstandes nach dem Handel mit Holz und Getreide, auch Hans der Reiche genannt wurde. Im Rahmen des Glaubenskrieges schickt Hans einen befreundeten Mönch zum Probst um über den einzig wahren Glauben zu diskutieren. Hans, selbst katholisch, trug dem Mönch auf, auch diesen Standpunkt zu vertreten. Der Probst hingegen vertrat die protestantische Religion. Sie diskutierten 3 volle Tage und am Ende konnte der Mönch nur einlenken, dass der Probst seine Religion besser hatte verteidigen können.

Er machte sich somit, voller Scham, auf den Weg zurück zum Schloss und wusste nicht, wie er es Hans dem Reichen beibringen sollte. Er ging durch das Tor und seine Angst wurde immer größer Er schlich über den Schlosshof um vom Fenster einen Strick an den Torbogen zu binden, legte das Seil um den Hals und sprang. Das Gesinde fand den armen Mönchen erst, als er schon tot war. Der Sage nach fand der Geist des Mönchen nie Frieden und noch heute spukt er durch die Gemäuer des Schlosses.

Jedes Schloss benötigt seine Spukgeschichte, denn die Menschen lieben solche Sagen. Genau wie ich diese Geschichten total spannend finde. Denn hinter jeder Sage steckt doch auch ein kleines Fünkchen Wahrheit. Welches Fünkchen der Geschichte nun wahr ist, das bleibt natürlich euch überlassen.

Der „Wolfsburger Fenstersturz“

Der Prager Fenstersturz ist vielen Leuten ein Begriff. Gesetz dem Motto „keep a long story short“, worum ging es beim Prager Fenstersturz? Verletzung der Religionsfreiheit, Aufbegehren der Protestanten, Auflösung der katholischen Ständeversammlung und Wurf aus dem Fenster der eingesetzten Stadthalter.

Was hat dieser Fenstersturz mit dem in Wolfsburg zu tun? Thematisch überhaupt nichts; außer, dass jemand aus dem Fenster gefallen ist. Aber nun zur gesamten Geschichte: Werner Graf von der Schulenburg und seine Schwester Ina saßen am Fenster im zweiten Stock des Schloss Wolfsburg und alberten herum. Da passierte es! Die Fenster waren nicht richtig geschlossen und der kleine Werner fiel aus dem zweiten Stock in die Tiefe. Am Abend zuvor hatten die Forstarbeiter das Holz vor dem Fenster entfernt und eine dicke Schicht Sägespäne hinterlassen. Somit wurde der Sturz abgefedert und Werner überlebte. Aus Dankbarkeit lies der Vater eine Gedenktafel an der Schlossmauer anbringen. Auf ihr steht geschrieben:

Er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuss nicht an einen Stein stossest.“ 25. Mai 1935, Psalm 91-11.

Eine Brücke ohne Fluss

Mitten in der Innenstadt befindet sich unsere kleine Oase Rothenfelde-Heßlingen. Sie gab es schon lange vor der eigentlichen Stadtgründung und die beiden Ortsteile sind durch eine kleine Brücke verbunden. Ich bin schon öfter über diese Brücke gegangen und habe mich gefragt, was der eigentliche Sinn dieser Brücke ist. Ein Fluss, Bach oder selbst ein kleiner Rinnsal ist nämlich nirgendwo zu sehen. Ist die Brücke ein Fall für das schwarze Buch der Steuerzahler? Nein, natürlich nicht. Denn früher verlief hier der Sandfeldgraben und bildete die Grenze zwischen Brandenburg und Hannover. Heßlingen gehörte zu Brandenburg und Rothenfelde zu Hannover. Heute erinnert nur das Flussbett an den ehemaligen Sandfeldgraben oder auch Schillerbach.

Das eigentliche Geheimnis ist aber nicht, dass hier einmal ein Fluss war, sondern eher, was dort heute ist. Bei der Planung der Stadt Wolfsburg im Jahre 1938 war dieser Bach dem Straßen- und Häuserbau im Weg. Somit verschwand der Graben in Rohren im Untergrund. Erst im Jahr 1987, mit dem Bau des Amtsgerichts, setzten sich Bürger dafür ein, den dörflichen Charakter zu erhalten. Über dem Sandfeldgraben wurde ein künstliches Bachbett angelegt und neben dem Amtsgericht entstand ein großes Wasserbecken. Ist dieses Wasserbecken gefüllt, wird es automatisch in das Bachbett abgeführt, bis es in der Nähe des Studentenwohnheims, in den unterirdischen Sandfeldgraben abgeführt wird. Welche Stadt hat sonst wohl einen Bach mit zwei Etagen?

Stele – Erinnerungen an einen unerschrockenen Mann

Gehen wir nur ein paar Schritte weiter, sehen wir die nächste geschichtsträchtige Sehenswürdigkeit in Wolfsburg. Eine rostrote Steinstele erinnert an einen Bau, der vor vielen Jahren hier stand. Sie gilt als Mahnmal für den steinigen Weg eines jungen, katholischen Priesters in der Zeit des Nationalsozialismus. Dieser junge Priester war Antonius Holling. Auf Auftrag des Bischofs sollte Holling im Jahr 1940 in der damaligen „Stadt des KdF-Wagen“ als Pfarrer arbeiten. Diese Aufgabe gestaltete sich als schwierig, da es für katholische Christen kein Gotteshaus gab und Holling nicht einmal eine Wohnung in der Stadt bekam. Somit pendelte er jeden Tag von Gifhorn nach Wolfsburg.

Er versuchte Kontakt zu Katholiken der Stadt aufzunehmen und hielt private Gottesdienste in deren Wohnungen ab. Aufgrund der drohenden Repressalien, hatten diese Personen allerdings Angst und irgendwann empfing niemand mehr Antonius Holling in den privaten Räumen. Somit suchte er eine Möglichkeit, seinen Glauben auszuleben und weiterzutragen, welche er im Gasthaus Schulz fand. Dieser Saal wurde jedoch nach wenigen Wochen von der Gestapo geschlossen. Holling ließ sich nicht unterkriegen und bekam einen Saal in Heßlingen in der Gaststätte „Brandenburger Adler“. Diese Notkirche überdauerte den Nationalsozialismus und auch die Repressalien durch das Regime. Bis zum Jahr 1951. Dann endlich konnte Holling den Bau einer katholischen Kirche durchsetzen und nach einem letzten Gottesdienst gingen alle in einem feierlichen Zug zur neuen Kirche – die St. Christopherus Kirche! Holling wirkte insgesamt 46 Jahre als Pfarrer und Seelsorger in Wolfsburg und ist der Inbegriff von Durchhaltevermögen, Mut und Nächstenliebe.

Die Gaststätte „Brandenburger Adler“ gibt es heute nicht mehr. Nur noch die Stele erinnert an Holling und seinen Kampf für seine Überzeugung und gegen jede Unterdrückung.

Neugierde ist ein großes Gut!

Dies waren nur vier Orte in Wolfsburg, die auf den ersten Blick sehr unscheinbar, aber bei genauerem Hinsehen spannende Geschichten liefern und ihr Geheimnis preisgeben. Es gibt noch viel mehr solcher Orte, deren Vorstellung aber hier den Rahmen sprengen würde. Nur so viel: Vielleicht schaut ihr euch selbst einmal hier um und entdeckt Dinge, die beim bloßen Vorbeilaufen unscheinbar sind. Geht mit offenen Augen durchs Leben und genießt die Eindrücke, die euch die Stadt bietet. So wie ich es auch mache und jeden Tag lerne ich etwas Neues und Spannendes dazu.

Die mobile Version verlassen