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Wenn das Licht im Klimahaus ausgeht

Nachts im Museum – das klingt geheimnisvoll, sogar verboten. Wohl niemand, der nicht davon träumt, nach Kassenschluss einfach im Haus zu bleiben, ganz allein und ungestört durch die Räume zu schlendern. Zum „Traumerfüller“ wird mehrmals im Jahr das Klimahaus Bremerhaven: „Übernachten im Klimahaus“ heißt die Aktion, bei der man sich abends in der weltweit einmaligen Wissens- und Erlebniswelt zum Thema Klima einschließen lassen kann. Zugegeben: Nicht allein. Mehrere Eltern nehmen mit ihren Kindern in der Regel an diesem Spaß mit Lerneffekt teil. Am 2. April sind es 14 Erwachsene – mit mir – und 15 Kinder, die mit Sack und Pack zurück bleiben, als die letzten Besucher das Haus verlassen.

Wirklich allein im Klimahaus! Nur die beiden Guides stehen der Übernachtungsgruppe bei. Foto: Dörte Behrmann

Erwartungsvoll und irgendwie aufgeregt…

…sitzen Groß und Klein um Punkt 19 Uhr auf der großen Freitreppe, herzlich begrüßt von den beiden Guides Jennifer Bannick und Tobias Tetau. Sie erklären uns die Rahmenbedingungen und den Ablauf. Ach herrje, vor dem Schlaf sollen wir noch eine Weltreise mit einer Rallye verbinden. Doch Jennifer, nach eigenem Bekunden „Typ Rampensau“, räumt Bedenken schnell aus. Aufgeteilt in drei Spielgruppen folgen wir den Guides in den nächsten vier Stunden bei unserer Weltreise auf dem achten Längengrad. Dieser Meridian, der auch durch Bremerhaven führt, prägt das Konzept des Hauses: Vorgestellt werden die klimatischen Bedingungen in der Schweiz, auf Sardinien, in Kamerun, im Niger, der Antarktis, auf Samoa, in Alaska und auf der Hallig Langeneß. Start- und Zielpunkt der „Reise“ ist Bremerhaven.

Doch vor dem Trip stärken wir uns erstmal und essen gemeinsam zu Abend. Erste Befindlichkeiten werden ausgetauscht – „Hoffentlich wird das nicht zu anstrengend“ – und Erfahrungen – „Wir waren schon zwei Mal hier, aber noch nie nachts“. Und dann geht‘s los. Das Übernachtungsgepäck bleibt derweil in Bremerhaven.

Vielleicht vertreibt gekonntes Alphornblasen böse Geister? Foto: Dörte Behrmann

In aller Seelenruhe

Schon auf der ersten Station, der Schweiz, profitieren wir von der ungewohnten Leere: Da, wo sich tagsüber Hunderte Menschen mit den Exponaten, Tafeln und Guckkästen beschäftigen, können wir in aller Seelenruhe den Raum erobern. Während Kollege Tobias uns die Herausforderungen erklärt, mit denen die Schweizer aufgrund des Klimawandels leben müssen, erklimmt Jennifer das Bergmassiv mit Gletscher, setzt gekonnt das Alphorn an und entlockt dem rund vier Meter langem Blasinstrument wohlklingende Töne! Ha, und dann waren wir dran. Wunderbarerweise haben die Kinder großen Spaß am Versuch, dem Ungetüm Geräusche zu entlocken, einige schaffen es zur Freude der jeweiligen Spielgruppe und zum Stolz der Eltern sogar. Die schon vorher bestens aufgelegte Stimmung hat ihren ersten frühen Gipfel erreicht.

So geht es weiter, denn im fühlbar wärmeren Sardinien finden die Kids mit viel Juhei versteckte (Gummi-)Insekten und im feuchten Regenwald Kameruns nahezu alle Spielzeug-Bananen.

Im Niger

Richtig spannend wird es für mich dann im Niger. Fasziniert von der Leere der Steinwüste, betört von den Klängen der arabischen Musik und eingehüllt in eine überraschend erträgliche, trockene Hitze überlasse ich mich erstmal, auf einer riesigen Matte liegend, ganz den Eindrücken dieses wunderschönen Raumes. Mit einem Ohr lausche ich Tobis Erklärungen über die einst grüne Region Nordafrikas und der Wasserknappheit, mit der die Tuaregs seit Jahrhunderten leben müssen.
Deren Sprache gilt es wenig später in einem weiteren Spiel zu entziffern, was gemeinsam nach einigem Hin und Her auch gelingt.

„Wasser ist Leben“ steht auf der Tafel. Wie wahr, nicht nur im Niger. Foto: Dörte Behrmann

Beim Stapelspiel in der nachgebauten Polarstation der Antarktis schlägt dann meine große Stunde: Für unser Team soll ich schneller als die anderen gestapelte Plastikbecher ab- und dann wieder aufbauen. Klingt einfach, ist es auch – wenn man nicht einen übergroßen, dick gefütterten Polarforscherhandschuh an der rechten Hand trägt und die linke nicht benutzen darf. Kurz: Dies ist nicht meine Stärke, macht aber mir und den Zuschauern viel Spaß.

Trotz unermüdlicher Anfeuerung hole ich für unsere Gruppe nur den zweiten Platz beim „Hütchenspiel“ in der Antarktis. Foto: N.N.

„Oh, ist das schön hier!“

Unser belustigtes, lautes Geschnatter wechselt sofort in andachtsvolle Stille, als wir dramaturgisch passend per Wendeltreppe die Station „Atmosphäre“ erreichen. Oh, ist das schön hier! Tausende kleiner Sterne funkeln, Sphärenklänge umschmeicheln das Ohr – und Jennifer beglückt mit einem kleinen Picknick erst das Auge und dann den Körper. Schon ein wenig ermattet lasse ich mich auf einer Bank nieder und die zauberhafte Stimmung auf mich wirken.

Verständlich, dass es bereits Eheschließungen in dieser romantischen Passage zwischen der Antarktis und der Südsee gegeben hat. Foto: Dörte Behrmann

Frisch gestärkt zieht die Gruppe dann nach Samoa weiter. Von dieser Station unserer Weltreise haben auf dem Weg schon Viele gesprochen, sie scheint große Sehnsüchte auszulösen. Klar, der Strand ist besonders fein, die Hütte am Strand sieht perfekt zum Schlafen aus und selbst in der kleinen Kirche sollte sich ein Plätzchen finden lassen. Aber diese Hitze! Diese Feuchtigkeit!

Fasziniert stehe ich jedoch wenige Minuten später in der kühleren Tiefsee von Samoa: Die Farbenpracht und Formenvielfalt der Fische in den riesigen Aquarien ist wirklich überwältigend. Hihi, selbst zu dieser späten Stunde –mittlerweile ist es 22 Uhr – sind die Kinder bei diesem Anblick völlig aus dem Häuschen.

Die Fische schlafen jedenfalls noch nicht in der Unterwasserwelt Samoas Foto: Dörte Behrmann

Spiele und Trampolin Hüpfer

Dabei liegen vor der Rückkehr nach Bremerhaven noch zwei Stationen mit einer Entfernung von Abertausenden Kilometern vor uns: Alaska und die Hallig Langeneß. In Alaska wird die Rallye mit einem Wurfspiel weitergeführt, bei dem drei hinter einer Wand verborgene Trampolin-Hüpfer ihren Mitspielern Bälle zuwerfen, die diese fangen müssen. Wenn ich Tobi richtig verstanden habe, geht man davon aus, dass das Trampolin auf der Insel St. Lawrence von den dort lebenden Yupik als Teil ihres Jagdgebarens erfunden wurde. Ehrlicherweise bin ich im Moment seiner Erklärungen abgelenkt, suche ich hier doch schon im Geiste ein Plätzchen zum Schlafen. Die Kühle des Raumes entspricht meiner favorisierten Schlafzimmertemperatur. Hier werde ich mein Nachtlager aufbauen!

Ebenso angenehm temperiert ist es dann einen Raum weiter, auf Langeneß. Dort sollen mit langen Angeln Kunststoff Entchen geangelt werden, was die Kinder trotz deutlich sichtbarer Müdigkeit auch mit Bravour schaffen. Um 23 Uhr hat uns Bremerhaven dann wieder.

Nicht nur die Kinder wollten nur noch eins: In den Schlafsack krabbeln. Foto: Dörte Behrmann

Jedem sein Schlafplatz

Von hier bis zum Schlaf muss aber noch die Verteilung der 29 Übernachtungsgäste bewältigt werden, was Jennifer routiniert gelingt. Jede Familie bekommt den Schlafplatz, auf den sie hoffte. Auch Alaska und ich finden zusammen. Mit Sack und Pack behangen – amüsant, was Kinder und Eltern zum Übernachten alles brauchen – marschieren die Grüppchen getrennt mit Tobias und Jennifer zum jeweiligen Nachtlager. Die beiden haben uns zudem noch mit Walkie-Talkies ausgestattet, Taschenlampen sollen schon im Teil des Übernachtungsgepäcks sein.

Die Yupik sind mir hold, denn ich bekomme sogar ein „Einzelzimmer“ in der Hörstation zum Thema „Robbenjagd“. So säuselt mir ein alter Mann ziemlich unverständliche Worte ins Ohr, während ich auf der Isomatte und im Schlafsack eine einigermaßen gemütliche Einschlafposition suche. Zehn Minuten später wird es richtig still, geht das Licht im gesamten Klimahaus vollständig aus.

Da ist er, der mystische Moment im Museum. Kann sein, dass die Geister der Menschen, die wir auf der Tour durch die Klimazonen auf dem achten Längengrad besuchten, lebendig wurden. Von uns Weltreisenden bekam das aber keiner mit, wie ich am nächsten Morgen beim gemeinsamen Frühstück erfahre. Denn wie auch ich fielen Klein und Groß sofort in einen tiefen Schlaf.

Das erklärte Ziel der Familien, gemeinsam viel Spaß zu haben, wurde bei dieser außergewöhnlichen Aktion mühelos erreicht. Mehr noch: Für die Kids ist die Nacht im Museum sicher unvergessen und viele begeisterte Erwachsene planen schon den nächsten Besuch auf dem achten Längsgrad. Ich aber freue mich auf eine schöne warme Dusche für meine leicht steifen Muskeln: Alaska ist bei Nacht doch kälter als erwartet.

Headerbild: Meyer / Klimahaus

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