„Leinen los“ und „Schiff Ahoi“ hieß es im April 2016 für mich. Zwar am Meer aufgewachsen, würde ich mich trotzdem nicht als Seemann bezeichnen. Doch nun stehe ich auf den schwankenden Bootsplanken des Großseglers „MIR“.
Das russische Segelschulschiff war zu Besuch in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven und nimmt uns rund 150 Neugierige für einen Tag mit auf See.
„Wow“, ich bin ziemlich beeindruckt als ich morgens am Bontekai ankomme, wo der Großsegler festgemacht hat. Mit 110 Metern Länge und einer Segelfläche von 2800 Quadratmetern zählt die „MIR“ zu den größten Segelschiffen der Welt. Daneben fühle ich mich auf einmal ganz klein. Jetzt wird mir doch ein bisschen mulmig, denn der Dreimaster gilt als schnellster Rahsegler der Welt. Unter guten Bedingungen schafft die „MIR“ 19,4 Knoten, das sind umgerechnet etwa 36 Stundenkilometer. Das mulmige Gefühl ist aber schnell vergessen als es um zehn Uhr heißt „Schiff Ahoi“.
Auf zu neuen Ufern: Vom Hafen in die Weiten der Nordsee
Schon der erste Anblick ist atemberaubend. Gleich nach dem Ablegen werden wir von zwei Schleppern durch die Kaiser-Wilhelm-Brücke, das Wahrzeichen der Stadt Wilhelmshaven, aus dem großen Hafen gezogen. Nachdem wir auch den Marinehafen mit den dort liegenden Fregatten durchquert haben, ging es für die „MIR“ erstmal in die Schleuse, um den Wasserunterschied zwischen Hafen und Nordsee auszugleichen.
Ein paar Meter hinter der Schleuse wird es auf einmal unruhig. Alle Passagiere strömen an die Vorderseite des Schiffes. Dort klettern einige Kadetten über dünne Netze nach vorne und beginnen die Segel zu lösen. „Das würde ich mich niemals trauen.“, höre ich nicht nur einmal und auch ich bin echt fasziniert.
Auf ein Kommando hin werden die Zwischensegel dann alle gleichzeitig hochgezogen.
Vorbei am JadeWeserPort, der uns mit den großen Containerbrücken empfängt, dem Hooksieler Strand bis nach Schillig sitze ich entspannt am Rand der „MIR“ und genieße die Ruhe und den Blick aufs Meer.
Ganz schön voll hier
Um die Mittagszeit wird es dann noch mal hektisch. Nach einer russischen Durchsage, stürmen fast alle 130 Kadetten auf das Deck der „MIR“. Verteilt auf die drei Masten des Großseglers beginnen die Kadetten unter lauten Rufen die Masten in den Wind zu drehen. Dabei wird’s ganz schön eng auf dem Segler. Während die Kadetten unter den Anweisungen der Offiziere die Masten ausrichten, drängen wir Mitsegler uns am Rand des Schiffes, um die Arbeit nicht zu behindern.
So langsam knurrte mir auch der Magen. Da kam das Mittagessen gerade richtig.
Auf einem russischen Großsegler wurde natürlich auch russisches Essen angeboten. Neben einer typisch russischen Suppe, gab es noch Würstchen und Piroggen, dazu einen Kaffee oder Tee. Ich hatte noch nie zuvor russisch gegessen und war dementsprechend gespannt auf den Geschmack.
Mein Fazit nach dem Mittagessen: Es schmeckt definitiv anders als deutsches Essen, aber es scheint allen geschmeckt zu haben.
Nach dem Mittagessen folgte mein persönliches Highlight. Nachdem der Segler gewendet hat, klettern einige Kadetten flink wie Affen an den Netzen nach oben. Völlig ungesichert bewegen sie sich in mehreren Metern Höhe. Beim Blick nach oben sehe ich, dass sich die Kadetten nun an den Quermasten entlang hangeln und die Segel lösen. Unter Höhenangst darf man da auf jeden Fall nicht leiden. Mir wird schon beim Zugucken schlecht.
Nun wurde es noch mal eng rund um den Hauptmast. Nachdem die Segel gelöst wurden, mussten diese noch richtig befestigt werden.
Mein Lieblingsplatz an Bord
Mein Lieblingsplatz an Bord war eindeutig der Bug der „MIR“. Hier spürt man die Freiheit des Meeres und den Wind um die Nase. Schon bald sehe ich die Schleuse wieder vor uns. Ein toller Tag auf dem Meer geht langsam zu Ende. Am Bontekai werden wir dann von einer ganzen Menschenmenge empfangen. Zum Abschluss gibt es noch ein weiteres Highlight. Für jeden gab es einen Luftballon, die auf ein Kommando losgelassen wurden.
Erschöpft aber total glücklich die Freiheit auf dem Meer genossen zu haben, stehe ich wieder mit beiden Füßen auf festem Boden. Ich bin total begeistert und werde bei nächster Gelegenheit die Chance erneut ergreifen mal einen Tag Seefahrer zu spielen. Du gehörst auch zu den Menschen, die sich schon seit Jahren wünschen mal einen Tag auf See zu verbringen und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen? Dann aufgepasst! In diesem Jahr gibt es noch mehrmals die Chance einen außergewöhnlichen Segeltörn live mitzuerleben.
Schiffe, Musik und gute Laune rund um den Hafen
Ende Juni folgt das nächste Highlight. Zum „Wochenende an der Jade“ legen wieder viele verschiedene Schiffe am Bontekai an. Diese können dann nicht nur von Land bewundert werden, denn die Schiffe laden die Besucher zum Open-Ship ein. Das ist nicht nur für leidenschaftliche Segelfreunde spannend, sondern auch für Landratten wie mich. Denn auch mit festem Boden unter den Füßen sind die Großsegler und unterschiedlichen Schiffe sehr beeindruckend.
Doch nicht nur die Schiffe rund um den Großen Hafen locken mit interessanten Angeboten. Auch bei keinem Interesse an Schiffen und dem Segelsport ist ein Besuch trotzdem empfehlenswert. Denn auch ein großes Musikprogramm auf mehreren Bühnen wird angeboten. Deswegen strömen auch jedes Jahr tausende Menschen aus ganz Deutschland nach Wilhelmshaven. Lass auch du dir die ganz besondere maritime Atmosphäre des großen Festes nicht entgehen.
Alljährliche Regatta
Wem das noch nicht genug ist, der sollte im Oktober unbedingt den Wilhelmshaven Sailing-CUP besuchen. Bei der alljährlichen Regatta kann man den Segelsport live miterleben. Da schlägt das Seglerherz höher. Bei der Regatta treten die Segler gegeneinander an.
Und das Beste: Du kannst Teil des Teams werden und mit um den Sieg deines Segelschiffs kämpfen. Die Teilnehmer der Regatta nehmen immer eine begrenzte Anzahl Mitsegler mit an Bord, die das besondere Segelerlebnis live miterleben können.
Aber auch für die, die nicht an der Regatta teilnehmen gibt es viel zu entdecken. Vor allem die Einlaufparade der Segler am späten Nachmittag gucke ich mir seit Jahren jedes Jahr an und bin immer wieder überwältigt von dem Anblick. Das muss man auf jeden Fall mal miterlebt haben!