Noch bevor ich Braunschweig erreicht hatte, fühlte ich mich mit der Stadt auf eine ungewöhnliche Art und Weise verbunden. Denn etwa 90 Prozent der Braunschweiger Innenstadt wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, ein ähnliches Schicksal hatte damals meine Heimatstadt getroffen. Ich rechnete also mit einem Stadtbild, das geprägt sein würde von einer sachlichen und praktischen Nachkriegs-Architektur, die keinen Platz lassen würde für romantische Gassen oder stolze, alte Häuser. Auch wenn das zu einem Teil durchaus der Fall ist, sieht man in anderen Vierteln kaum etwas davon. Und genau solch ein Viertel wollte ich mir ansehen.
Bedingt durch einige Baustellen und meinen miesen Orientierungssinn entwickelte sich meine Anfahrt zum Hotel zu einer kleinen Stadtrundfahrt, während der ich ganz nebenbei feststellen konnte, wie grün Braunschweig eigentlich ist und wie nah die Grünanlagen am Zentrum liegen.
Deutlich besser als mit dem Auto lässt sich die 250.000 Einwohner Stadt allerdings mit dem Fahrrad oder zu Fuß erkunden. Ich entschied mich für letzteres nachdem meine vollgestopfte Umhängetasche mich samt Drahtesel auf dem Kopfsteinpflaster beinahe zu Falle gebracht hatte. Zu Fuss lässt es sich doch deutlich unkomplizierter fotografieren. Mein Plan: das ‚alte‘ Braunschweig erkunden.
Es zog mich magisch ins Magniviertel, das zu den ältesten Vierteln der Stadt gehört. Hier stehen Fachwerkhäuser in direktem Kontrast zu einem modernen und knallbunten Hingucker der Stadt: dem ‚Happy Rizzi House‘, das 1999 vom New Yorker Künstler James Rizzi gestaltet wurde und heute als Bürohaus genutzt wird. Hineingehen somit leider nicht möglich.
Locker lässt sich im Magniviertel ein ganzer Tag vertrödeln zwischen Sightseeing, Shopping in hübschen Boutiquen oder dem kleinen Antiquitätenladen, der bis unters Dach und den Wintergarten vollgestopft ist mit Bildern, Möbeln und alten Kameras. Ich könnte Stunden hier verbringen, schliesslich bin ich immer auf der Suche nach dem ‚Irgendwas‘. Der Familien-Laden ‚Glückskinder‘ verkauft hier ausgesprochen hübsche Dinge für Kinder, von coolen Klamotten und ausgefallenen Krabbelschuhen bis hin zu Deko für das Kinderzimmer.
Vorbei geht es am Magnikirchplatz und der 1956 wiederaufgebauten Magnikirche. In den Gaststätten am Platz am Platz geniessen die Braunschweiger den lauen Samstagnachmittag und auch ich finde: Es ist Zeit für einen großen Kaffee und eine kurze Pause und zwar am besten in der Kaffeezeremonie! Hier wird die Kaffee-Zeit zelebriert und zwar von den Besitzern Ketema Wolde Georgis und seiner Frau Liya Taera aus Äthiopien, die abwechselnd die mächtige Kaffeemaschine bedienen und ihren Gästen zum Kaffee und Kuchen auch ein Stück Äthiopien mitten in Braunschweig bieten.
Wer dieses Gefühl am liebsten mit nach Hause nehmen möchte: die Kaffeezeremonie verkauft nicht nur echt äthiopischen Kaffee sondern röstet ihn gleich selbst. Ein leckeres Souvenir aus Braunschweig.