Frische Luft und den Kopf frei kriegen
Zwei Dinge vereinen viele von uns in diesen Monaten: Die Sehnsucht nach längeren Tagen und die ewige Suche nach neuen, Corona-sicheren Winterspaziergängen fernab der publikumsreichen Naherholungsgebiete. Auch mich zieht es diese Tage oft raus; raus aus den eigenen vier Wänden und raus aus dem immer mal wieder einsetzenden Gedankenkarussel. Mitte Januar kündigte sich dann endlich auch bei uns der erste Schnee an! Der perfekte Anlass, um endlich mal die beiden historischen Friedhöfe Osnabrücks zu erkunden. Zwei Orte, die ich schon lange einmal besuchen wollte und deren verwunschene Atmosphäre insbesondere in dieser Jahreszeit besonders ausdrucksvoll zur Geltung kommt.
Hasefriedhof und Johannisfriedhof: Napoleonisches Erbe in Osnabrück
Gegründet wurden beide Friedhöfe vor über 200 Jahren; wenige Monate nachdem Osnabrück im Jahr 1807 dem französisch-regierten Königreich Westfalen zufiel. Neue Gesetze traten in Kraft, die Beisetzungen nur noch außerhalb der Stadtmauern erlaubten. Diese schufen die Grundlage für die Gründung von Osnabrücks ersten beiden Großfriedhöfen. Für die Bürgerinnen und Bürger der Altstadt wurde nördlich der Stadttore der Hasefriedhof angelegt. Im Süden wurde der Johannisfriedhof als Ruhestätte der Bürgerinnen und Bürger der Neustadt gegründet. Über die folgenden 187 Jahre dienten beide Anlagen als Begräbnisort vieler bedeutender Osnabrückerinnen und Osnabrücker, bis 1995 schließlich die letzte Beisetzung stattfand.
Historische Friedhöfe und ihre besondere Symbolsprache
Seit dem Ablauf der letzten Ruhefristen im Jahr 2015 werden beide Friedhöfe als Parkanlagen mit historischem Friedhofscharakter geführt und als offizielle Kulturdenkmäler der Stadt gepflegt. Beide sind reich an Symbolik verschiedener westlicher Kulturen. Gleich beim Betreten des Hasefriedhofs durch das Haupttor an der Bramscher Straße begegnet mir ein Bild aus der griechischen Mythologie. Das Tor ist geflankt von zwei Steinpfeilern auf denen die Götter Hypnos und Thanatos, jeweils Sinnbilder für Schlaf und den friedlichen Tod, abgebildet sind. Das Hochkreuz auf dem Johannisfriedhof vereint dahingegen verschiedene Symbole des christlichen Glaubens, wie den Anker und das Auge im Dreieck, welche Hoffnung und den dreieinigen Gott repräsentieren. Es lohnt sich also Zeit und Muße mitzubringen und den Blick in aller Ruhe schweifen zu lassen. Umso mehr erschließen sich die Geschichten und Geheimnisse, die sich hinter Stein, Marmor und Moos verbergen.
200 Jahre Stadtgeschichte erkunden
Neben der vielfältigen Symbolik und dem wunderschönen alten Baumbestand auf beiden Friedhöfen, sind es natürlich insbesondere die vielen eindrucksvollen Gräber, die knapp 200 Jahre Osnabrücker Stadtgeschichte dokumentieren. Bevor ich das Haus verlasse, lade ich mir noch schnell zwei Flyer von der Webseite der Friedhöfe auf mein Handy. Auf diesen sind die bedeutendsten Gräber sowie andere Sehenswürdigkeiten eingezeichnet. Wer Lust hat, sich gezielter führen zu lassen, für den steht eine App mit Audio-Guide zum Download bereit. Auch eine Auswahl an Gruppenführungen wird (außerhalb von Corona-Zeiten) regelmäßig angeboten.
Mir ist an diesem Tag danach, mich treiben zu lassen und die Stille um mich herum zu genießen. Ich versuche mein Bestes, um trotz Schnee und den teilweise schon deutlich verwitterten und überwucherten Inschriften, einige der eingezeichneten Grabstätten zu finden. Mithilfe der Flyer fallen mir recht schnell einige bekannte Namen ins Auge. Manche der genannten Personen sind mir geläufig: Fabrikanten wie Felix Schoeller (1855-1907) und Otto Kromschröder (1844-1916), ehemalige Bürgermeister und städtische Politiker oder bedeutende Künstler wie Friedrich Vordemberge-Gildewart (1899-1962). Andere Namen kenne ich wiederum nur von Straßenschildern. Gemeinsam bieten sie faszinierende Einblicke in die vielen verschiedenen Leben, die meine Heimatstadt in den vergangenen Jahrhunderten geprägt haben. Beide Friedhöfe beherbergen außerdem Ehrenfelder und Denkmäler für Opfer und Gefallene verschiedener Kriege, die mich innehalten lassen.
Neues Leben zwischen alten Gräbern
Als denkmalgeschützte Parkanlagen dokumentieren beide Friedhöfe aber nicht nur Osnabrücker Stadtgeschichte, sie leisten auch einen wichtigen Beitrag für die Lufthygiene und das Wohlbefinden der Osnabrücker in der Gegenwart. Wie eh und je sind sie Anlaufpunkte für jeden, der Besinnung und Trost sucht. Insbesondere das Steinlabyrinth auf dem Johannisfriedhof wird im Rahmen von kleinen Veranstaltungen regelmäßig als „Trauertreffpunkt“ genutzt und lädt zum Erinnern und Nachdenken ein.
Die vielen kleinen und großen Schneemänner, denen ich auf meinem Spaziergang begegne, lassen mich dann aber doch schmunzeln. Sie bezeugen auf charmante Weise, dass beide Anlagen vor allem lebende und lebhafte Orte für Groß und Klein sind. Sie sollen einen stimmungsvollen und gestaltbaren Raum für zwischenmenschliche Begegnungen und Kulturerlebnisse bieten. Ein umfangreiches Programm an Konzerten und Lesungen belebt Hase- und Johannisfriedhof daher zu nicht-Corona Zeiten. Spielhefte und das App-geführte „Adventure Hasefriedhof“ laden bereits die Kleinen und Kleinsten dazu ein, beide Anlagen spielerisch zu erkunden. Die extra ausgearbeitete Geo-Caching Tour „Von Grabstätten und Stolpersteinen“ nimmt ihren Anfang ebenfalls auf dem Hasefriedhof. Sie führt die Besucher auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Nationalsozialismus in der Region. Ziel aller dieser Angebote ist es, eine nachhaltige Nutzung der beiden Anlagen sicherzustellen und diese als vielfältige Lebensorte für Mensch und Tier zu bewahren.
Nach ein paar Stunden mache ich mich ein wenig fröstelnd, aber mit vielen neuen Eindrücken wieder auf den Weg nach Hause. Ich freue mich schon darauf, im Frühling wiederzukommen, wenn die Bäume knospen und die ersten Krokusse blühen.
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