Ich hatte das große Glück mich mit dem Künstlerehepaar Sterz (http://www.kunstatelier-sterz.de/) in deren Atelier zu treffen.
Das Atelier von Familie Sterz liegt etwas versteckt in einem kleinen Waldstück mitten im Wolfsburger Ortsteil Ehmen. Frau Sterz begrüßte mich freundlich bei meiner Ankunft und zeigte mir erst einmal das Grundstück. Währenddessen erklärt sie mir, dass dieses kleine Waldstück zum Nordwald (https://de.wikipedia.org/wiki/Nordwald_(Niedersachsen)) gehört, der im Mittelalter große Teile Niedersachsens bedeckte und damals noch ein zusammenhängendes Waldgebiet war. Es ist unglaublich, dass so ein altes Waldstück noch vorhanden ist und das mitten in Wolfsburg. Mehr zu Thema Wald und Natur erfahrt ihr am 16. und 17. September in Wolfsburg beim „Langen Tag der StadtNatur“. Familie Sterz ist auch dabei und präsentiert ihre kleine Oase im Grünen.
Im Atelier selbst wusste ich nicht, was mich trotz Recherche erwartet. Ich bin ganz naiv von klassischer Kunst ausgegangen, also Bilder, die an Wänden hängen oder hübsche Skulpturen, wobei das ja relativ ist. Aber dem war nicht so. Tja, so leicht kann man sich täuschen.
Das Atelier ist unglaublich groß und hell. Es hat hohe Decken und durch die Glasschiebetür strömt sehr viel Tageslicht hinein. Man taucht automatisch in eine andere Welt, vor allem, weil man hier, dank der dicken Wände, von der Außenwelt nichts mitbekommt. Es ist wahrlich ein Raum, in dem jeder seiner Kreativität freien Lauf lassen kann. Und das ist auch so gewollt. Kaum zu glauben, dass das Gebäude während des Zweiten Weltkrieges ein Luftwaffentanklager war. Ich war sofort fasziniert von dem Atelier und hätte mich dort am liebsten selbst kreativ ausgetobt. Frau Sterz arbeitet mit Alltagsgegenständen, vor allem mit solchen aus der Vergangenheit. Drei große Kunstwerke empfangen einen in diesem Atelier, die durch weiße Tücher voneinander abgetrennt sind. Trotz Trennung wirkt alles sehr harmonisch und offen. Automatisch juckt es einem in den Fingern und man möchte basteln, spielen und etwas gestalten. Das macht übrigens auch die Kunst von Frau Sterz aus. Kunst ist gleich Spielen!
Zu all ihren Projekten schreibt Frau Sterz ein Konzept. Dieses teilt sie aber den Schulklassen, Kindergarten- und Erwachsenengruppen nicht mit. Sie sollen ganz unvoreingenommen an die Sache herangehen und dabei entstehen dann solche Kunstwerke wie das Erdbeerfeld. Ein Kunst Leistungskurs hat dieses Feld neu gestaltet und besonders beeindruckend ist, dass es dieses Erdbeerfeld wirklich in Wolfsburg gibt. Die schwarzen Gegenstände, die aus dem Sand hervorgucken, lassen vermuten, dass es sich hier um Holzrinde handelt, dies ist aber nicht der Fall. Hier handelt es sich um Granatensplitter aus dem Zweiten Weltkrieg, die auf dem heutigen Erdbeerfeld gefunden wurden. Dieses Kunstwerk strahlt, in meinen Augen, durch diese unglaublichen Gegensätze eine gewisse Schönheit und Kraft aus, die mich auf Anhieb gefesselt hat. Besonders spannend ist, dass sich die Werke von Frau Sterz immer wieder neugestalten und interpretieren lassen, aber dennoch nichts von dieser Ausdruckskraft verlieren.
In der Regel arbeitet Frau Sterz in dem Hohlraum ihrer Dreifelderwirtschaft. Die Dreifelderwirtschaft besteht aus dem eben genannten Erdbeerfeld, dem Hochsitz aus dem Elm, und dem Spargelacker zwischen Tiddische und Barwedel (Landkreis Gifhorn), welche durch weiße Tücher voneinander abgegrenzt sind. Als ich zu Besuch war, standen im Hohlraum kleine Werkbänke für Kinder. „So sieht es hier aus, wenn Kindergartengruppen oder Grundschulklassen zu Besuch sind“ erzählte mir Frau Sterz. Ich muss wirklich sagen, dass es sich in der von Frau Sterz geschaffenen Atmosphäre definitiv kreativ arbeiten lässt. Also falls ihr jetzt Lust verspürt mit einer Gruppe jeglichen Alters das Kunstatelier Sterz besuchen zu wollen, dann kann ich es euch nur ans Herz legen. Sowohl Frau Sterz als auch ihr Mann sind sehr freundlich und zuvorkommend und man lernt unglaublich viel über die Geschichte der Region in den einzelnen Kunstwerken. Herr Sterz unterstützt seine Frau, wenn Gruppen im Atelier zu Besuch sind. Besonders Kinder, die gerne sägen und bohren, lieben die gemeinsame Arbeit mit Herrn Sterz.
Herr Sterz ist aber genauso wie seine Frau geschichtlich sehr bewandert und auch Mitglied des Heimatvereins. Beide haben somit eine sehr enge Bindung zu Wolfsburg und der Region, was im Gespräch mit ihnen sehr deutlich wird und bewundernswert ist.
Übrigens hat Frau Sterz bisher jedes Jahr beim „Tag des offenen Denkmals“ mitgemacht und die Türen zu ihrem Atelier geöffnet. Kleiner Tipp: dieses Jahr findet der „Tag des offenen Denkmals“ mit dem Thema „Macht und Pracht“ am 10. September statt.
Auf meine Frage, wie Frau Sterz zu ihrer Kunst gekommen ist, erklärte sie mir, dass Kunst schon immer Teil ihres Lebens war. Ein Grund, warum sie auch Kunstlehrerin geworden ist, aber zu ihrer eigenen Kunst kam sie erst später. Durch das Spielen mit ihren Kindern hat sie sich an das Spielen in der eigenen Kindheit erinnert und dass sie sich da eine eigene Welt geschaffen und das Spielzeug selbst gebastelt hat. So ist sie irgendwann im Eigenstudium wieder auf Schillers „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ gestoßen und seine Erläuterung zur Ästhetik und dem ästhetischen Spiel. Hier jetzt zu erläutern, was genau Schiller damit gemeint hat, käme einer Abhandlung gleich, aber, die Germanisten unter uns mögen mir verzeihen, grob gesagt bedeutet es, dass nur durch das Spiel echte Kunst zu erkennen ist, da, laut Schiller, Vernunft und Sinnlichkeit im Gleichklang sind.
Je mehr sie sich also mit Schiller beschäftigte, desto eher kam sie zu dem Schluss von all den Kunsttheorien Abstand zu nehmen, denn „Kunst kann man nicht lernen“.
Dem kann ich zu guter Letzt nur zustimmen. Vor allem nach diesem wunderbaren Tag im Kunstatelier Sterz. Es ist ein wirklich besonderer Ort in Wolfsburg, der mich verzaubert hat und wo ich für ein paar Stunden in eine andere Welt eintauchen durfte.