Auch wenn mein letzter Museumsbesuch schon eine Weile her ist, wecken Museen in mir die ewige Neugier. Es wird wohl nie langweilig, sich in unterschiedlichen Ausstellungen die Objekte anzuschauen und der Geschichte auf den Grund zu gehen. Im Rahmen meines Praxissemesters bei der Wilhelmshaven Touristik & Freizeit GmbH in Wilhelmshaven hatte ich die Möglichkeit, bei der Entstehung einer Sonderausstellung im Küstenmuseum Wilhelmshaven dabei zu sein. Der Aufbau, das Geschehen hinter den Kulissen und die Ausstellung selber haben mich sehr beeindruckt. Wie viel Aufwand so eine Sonderausstellung mit sich bringt, weiß man erst, wenn man hautnah dabei war – so wie ich 🙂
Museumbesuche sind immer besonders
Das Küstenmuseum erzählt in seiner Dauerausstellung die Geschichte unserer schönen Stadt Wilhelmshaven sowie der Nordseeküste und führt mich durch die Spuren der Vergangenheit. Bei Museumsbesuchen kommen bei mir immer Kindheitserinnerungen hoch. Das Flair eines Museums hat immer etwas Besonderes, etwas Magisches, man erlebt quasi die Geschichte noch einmal hautnah mit und kann mit den Gedanken in eine andere Welt eintauchen.
Das Thema der neuen Sonderausstellung beschäftigt sich mit der Verbindung zweier Städte – Wilhelmshaven und die damalige Kolonie Tsingtau, heute Qingdao, welche an der Bucht von Kiautschou in China liegt.
Tsingtau und Wilhelmshaven waren durch einen Pachtvertrag von 1898 und einen darauffolgenden Freundschaftsvertrag von 1992 miteinander verbunden. Und ob man es glaubt oder nicht, die beiden Städte haben mehr gemeinsam, als es sich auf den ersten Blick erahnen lässt.
Der geschichtliche Hintergrund der neuen Sonderausstellung
Die Frage, die sich mir als erstes stellte, war, was hat Wilhelmshaven mit einer chinesischen Stadt zu tun? Kaum vorstellbar, dass es eine Verbindung über eine so große Distanz gibt. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Qingdao, wie die Stadt heute heißt, wurde nämlich 1898 zur deutschen Kolonie. Ohne Rücksicht auf die dort lebende Bevölkerung wurde die Hafenstadt damals eingenommen, um sie als deutschen Handels- und Marinehafen in China nutzen zu können. Tsingtau sollte für diesen Zeitraum zu einer neuen Art von „Musterkolonie“ der Deutschen werden. Die Hafenkolonie unterlag der zivilen und militärischen Verwaltung, weshalb sie stark nach deren Vorstellungen geprägt wurde. Spuren der deutschen Kolonialzeit sind bis heute im chinesischen Raum etabliert. Eine Tradition, die allseits auf große Beliebtheit stößt, ist die des Bierbrauens. So wurde auch in Tsingtau Bier gebraut, welches heute rund um die Welt bekannt ist – aber dazu später mehr 🙂
Gemeinsam richteten Tsingtau und Wilhelmshaven ihre Funktion als Hafen- und Handelsstädte aus. Auch das Schul- sowie Bildungswesen wurde damals nach deutschen Inhalten und fest vorgegebener Vermittlung von Wissen ausgerichtet.
Aber diese koloniale Herrschaft sollte nicht von langer Dauer sein. Denn am 5. September 1914 landeten die Japaner, nach einem unbeantworteten Ultimatum zur bedingungslosen Übergabe Tsingtaus, vor der Stadt, welche sie bis zur Kapitulation am 7. November 1914 belagerten. Durch den Versailles Vertrages musste Deutschland damals alle Rechte an der Kolonie ohne Entschädigung an Japan abtreten. Letztendlich gab Japan das Gebiet Kiautschou in Jahre 1922 an das Land China zurück.
Denkmal in Wilhelmshaven
Trotz der Vergangenheit dieser beiden Städte verbindet sie immer noch eine Freundschaft. Um dieser Verbindung zu gedenken wurde ein Denkmal in Wilhelmshaven errichtet. Die Skulptur aus Stein zeigt den preußischen Adler, wie er ein Steuerrad hält. Das Denkmal symbolisiert die bestehende Verbindung und Partnerschaft zwischen Wilhelmshaven und Tsingtau. Falls ihr das gute Stück auch mal live bestaunen wollt: Ihr findet das Denkmal zum Freundschaftsvertrag gegenüber der Nordseepassage zwischen der Innenstadt und dem Hafen. Die Gedenkstätte wurde übrigens im April 2012 eingeweiht.
Die Entstehung einer Ausstellung
So genug vom geschichtlichen Hintergrund – zurück zur Ausstellung. Zunächst wurde ich von Julia Heimlich, die wissenschaftliche Volontärin des Küstenmuseum, begrüßt und empfangen. Sie hat mich eingeladen hautnah beim Ausstellungsaufbau dabei zu sein und hat mich ebenfalls aufgeklärt, was zu tun ist, bevor eine Ausstellung in die Tat umgesetzt wird. In den nächsten Tagen wurden mir viele Eindrücke vermittelt, z.B. wie man einer Ausstellung Leben einhaucht und es schafft, dass diese die Geschichte spannend erzählen kann.
Neben dem geschichtlichen Aspekt dieser Ausstellung habe ich außerdem Einblicke in den Ablauf der Organisation erhalten und weiß nun, was alles zu einer erfolgreich geplanten Ausstellung dazugehört. Denn von den ersten Gedanken eines möglichen Themas zu einer Ausstellung und dem Ausstellungsstück in der Vitrine, ist es ein weiter Weg.
Neugier schaffen und Wissendurst fördern
Zu einer erfolgreichen Ausstellung gehören in erster Linie interessante Geschichten, denn eine Ausstellung kann das tollste Objekt haben, doch wenn es bloß irgendwo steht oder hängt und nichts dazu erzählt wird, kann der Betrachter wenig damit anfangen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, auch hinsichtlich der Museumspädagogik, bezieht sich auf einen roten Faden in der Ausstellung. Das bedeutet, dass der Eindruck einer zusammenhängenden
Geschichte vermittelt werden soll. Geschichte schafft Identifikation. Die Besucher sollten in der Lage sein, historische Eindrücke und biographische Ereignisse so zu erleben, dass möglichst viel von dem Besuch hängen bleibt. Egal welches Alter ein Mensch hat, aus welcher sozialen Schicht er kommt oder welches Bildungswissen ihn begleitet – jeder soll etwas für sich mitnehmen können. Deshalb ist es wichtig, Neugier zu schaffen und Wissendurst zu fördern.
Das Küstenmuseum lässt Geschichte lebendig werden
Der Aspekt der biographischen Geschichtserzählung, dient dem nahen Bezug, um Ereignisse aus dem Leben der Personen lebendig wirken zu lassen. Der Rundgang durch eine Ausstellung beinhaltet meist Geschichten von Personen, die bereits verstorben sind. Die Vergangenheit lebt oftmals in den hinterlassenen Gegenständen weiter und gibt uns die Gelegenheit, in die Historie und das Leben derer einzutauchen, die vor uns lebten.
So erzählen uns die Stickbilder der damals stationierten Soldaten in Qingdao beispielhaft, weitaus mehr als nur eine Fahrt über das Meer. Sie beschreiben die Auszeichnungen und Wege, die sie zurücklegten und symbolisieren die biographischen Bezüge zu prägenden Erlebnissen aus deren Zeiten. Die Bilder von Personen, die oftmals zu sehen sind, lassen unsere Gedanken kreisen. Porträts sollen das Gefühl wecken, sich angesprochen zu fühlen und lassen die Geschichte lebendig wirken. Durch den zeitgeschichtlichen roten Faden der Ausstellung, wird eine Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart geschaffen. Denn nur wenn wir unsere Geschichte verstehen, können wir aus der Vergangenheit lernen und dies ist eines der Ziele von Ausstellungsorten wie dem Küstenmuseum.
Besonders interessant finde ich, natürlich neben der Geschichte, die die Objekte erzählen, wo diese eigentlich herkommen bzw. welchen Weg sie zurücklegten, bis sie hier im Küstenmuseum angekommen sind. Viele der Objekte finden nämlich ihren Platz im Museum meistens durch Leihgaben. Hin und wieder kommt es allerdings auch vor, dass Ausstellungsobjekte geschenkt werden.
Besondere Exponate mit spannenden Geschichten
Bei der aktuellen Sonderausstellung im Küstenmuseum kommen die Exponate aus dem Bestand des Küstenmuseum und werden ergänzt durch Leihgaben aus dem Sielhafenmuseum Carolinensiel sowie von zahlreichen privaten Leihgebern. Neben zahlreichen Bildern aus vergangenen Zeiten werden Auszeichnungen, wie Medaillen und Stickereien sowie Biographien und Habseligkeiten der Soldaten und Seeleute ausgestellt. Aber auch Ausweise oder Nutzgegenstände, wie Bestecke und Geschirr haben einen Platz in der Ausstellung gefunden und erzählen von der Zeit der Menschen damals. Es warten also viele spannende Objekte auf euch 🙂
Den deutschen Heimkehrenden aus China wurden z.B. Gedenkmünzen und spezielle Abzeichen gewidmet.
Fotos: Tim und Barbara
Seidensticktuch mit goldenen Drachen
Ein interessantes Objekt, wie ich finde, wurde von einem privaten Leihgeber an das Küstenmuseum herangebracht und entstand um das Jahr 1900. Die Stickerei in Form einer Flagge gelangte wahrscheinlich über Tsingtau nach Deutschland, über den tatsächlichen Ursprung und die Herkunft wird bis heute gerätselt.
Viele der europäischen Soldaten wollten nach ihrem militärischen Dienst in China Erinnerungsstücke an diese Zeit mit in ihre Heimat nehmen. Fotos, auf denen die Armeeangehörigen im Einsatz zu sehen waren, gab es allerdings nur selten. Stattdessen gab es gestickte Bilder. Diese Stickereien bestanden aus einer meist dunkelblau eingefärbten Seidenunterlage, welche mit einem einzelnen Dekorelement bestickt wurde.
Auch Bier gibt es in der Sonderausstellung
Mein Lieblings-Ausstellungsobjekt ist übrigens definitiv das Tsingtao-Bier. Dem einen oder anderen ist es vielleicht sogar bekannt oder hat es schon einmal getrunken. Das Bier „Tsingtao“ findet seinen Ursprung im Jahr 1903 und wurde immer bekannter, seitdem deutsche Siedler die „Germania-Brauerei“ gründeten. Inzwischen ist sie eine der größten Brauereien Chinas. Die ehemals deutsche Brauerei ist mittlerweile ein weltweit agierendes Unternehmen, dessen Bier unter dem Namen „Tsingtao“ weltweit vertrieben wird. Tsingtau ist für sein bis heute in China produziertes Bier bekannt und wurde lange Zeit unter dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Mit der Zeit wurde der Geschmack allerdings auf die einheimischen Bedürfnisse angepasst. Fun Fact: Das Bier enthält übrigens Reis 🙂
Fast geschafft – Aufbau der Ausstellung im Küstenmuseum
Wir kennen sie alle! Die Beschilderungen im Museum, die uns die Geheimnisse der Objekte verraten und uns spannende Herkunftsgeschichten erzählen. Ich muss zugeben, ich habe eigentlich gedacht, dass man diese in Auftrag gibt und extern bestellt. Aber nein, ich sollte eines besseren belehrt werden, denn jedes Schild wird einzeln mit einer ruhigen Hand und viel Geduld selbst angefertigt.
Die unterschiedlich großen Schilder werden aus sogenannten Kapa-Platten hergestellt. Der Text, welcher das Ausstellungsobjekt beschreibt, muss unter größter Sorgfalt verfasst werden, denn diesem schenken die Besucher ihr Vertrauen. Darüber hinaus sollte er auch leicht verständlich und einfach lesbar sein. Nachdem dann die Beschreibung angebracht und der Rahmen gleichmäßig eingezeichnet wurde, begann das große Schnippeln. Endlich konnte ich auch tatkräftig unterstützen, denn bewaffnet mit dem Cuttermesser fertigte ich gemeinsam mit dem Praktikanten Hendrik die Beschilderungen an. Anschließend wurden die Glasvitrinen vorbereitet.
Die Glasvitrinen lassen sich mithilfe von sogenannten „Saugnapf-Glashebern“ problemlos bewegen. Aber vor dem Einräumen, muss das Glas gereinigt werden – eine vorbereitete und saubere Vitrine ist das A und O bei der Ausstellung der Objekte. Was ja auch logisch ist.
Das Team vor der Fotowand beim Aufbau der Sonderaustellung. Foto: Barbara
Das ganze musste dann tatsächlich für ca. 130 Ausstellungsobjekte gemacht werden. Das Vorbereiten der Vitrinen, das Fertigen der Schilder sowie das Einräumen der Vitrinen dauerte ca. 3 Wochen. Ein immenser Aufwand, aber für eine richtig gelungene Ausstellung, wie ich finde!
Ab ins Küstenmuseum!
Also, ich habe viel gelernt und nun einen ganz anderen Einblick in die Entstehung einer Sonderausstellung erhalten. Sonst betrachtet man nur die Vitrinen und liest die sicherlich informativen Texte… Ich empfehle euch auf jeden Fall eine Führung. So erfahrt ihr auch das eine oder andere „Geheimnis“ um die Ausstellungsstücke. Und nicht nur die Sonderausstellung, sondern auch die Dauerausstellung zur Entstehung der Stadt Wilhelmshaven und der Nordseeküste ist sehr informativ. Also dann viel Spaß!