„Wenigstens für 1 bis 2 Tage eine kurze Auszeit vom Arbeitsalltag nehmen. Aber nicht zu weit weg. Da nimmt die Fahrt ja sonst schon so viel Zeit in Anspruch und auf Stau hat auch niemand Lust!“ Das waren unsere Überlegungen als meine Freundin und ich relativ spontan beschlossen, nach der Arbeit am Freitagnachmittag in Celle aufzubrechen, um uns eine kleine Flucht innerhalb Niedersachsens zu gönnen. Die Wahl für unseren Städtetrip in eine der aboutcities fiel auf Wolfsburg. Dort waren wir beide noch nie länger als für ein paar Stunden Shoppen oder ein Bundesligaspiel. Die Neugier ist dann doch schon groß, was die noch relativ junge Stadt so zu bieten hat außer dem bereits Bekannten. Wo es genau hinging, was genau uns so richtig überrascht hat und wie wir das Ganze für unter 200€ geschafft haben, will ich euch in „Wolfsburg für 200 € entdecken“ berichten.
Entspannte, umweltfreundliche Anreise
Ein Arbeitstag mit E-Mails, Meetings und viel zu langen Anrufen kurz vor Feierabend lässt sich leichter durchstehen, wenn man sich auf etwas freuen kann. Die Sachen haben wir schon am Vorabend gepackt – mein Reiserucksack reicht. Das Niedersachsenticket haben wir uns schon Online geholt, so kann es ab zum Celler Bahnhof gehen. Einmal Umsteigen in Hannover und schon sind wir in etwas über einer Stunde an unserer Destination fürs Wochenende angekommen.
Vom Bahnhof aus laufen wir knapp 10 Minuten zu unserer Unterkunft mitten im Zentrum von Wolfsburg. Das „City Journal Hotel“ ist ein kleines inhabergeführtes Hotel mit anliegendem Restaurant. Wir wurden sehr freundlich empfangen. In unserem Zimmer konnten wir uns kurz auffrischen und machten uns dann auf den Weg zu unserem ersten Highlight.
Auf zum ersten Highlight
Da die Sonne an diesem bewölkten Herbsttag eher „in Strömen“ schien, ging es unter den großen Regenschirm und dann endlich los zu unserem ersten Boxenstopp – in die Autostadt. Auf den knapp 1,3 Kilometern entlang der Porschestraße vorbei an Einkaufsläden, Restaurants und Plätzen zum Verweilen, musste ich trotz Regen für ein paar Bilder am architektonisch beeindruckenden Science-Center Phaeno anhalten.
Tipp: Wer sich hier an den über 350 Experimentierstationen versuchen möchte, kann sich z.B. mit dem „Feierabendticket“ spielerisch von Naturwissenschaft und Technik beindrucken lassen und spart 50% auf den Eintrittspreis.
Für uns soll es heute aber in DIE Autostadt gehen. Über die Stadtbrücke, welche die Innenstadt über den Mittellandkanal mit der Autostadt verbindet, bekommen wir schon einmal einen beeindruckenden Blick auf die berühmten Türme des VW-Kraftwerks, sowie die futuristischen Bauten der Autostadt, die wir nun besuchen wollen. Hier kann man eindeutig die Trennung erkennen, die sich die Stadtplaner der noch jungen Stadt Wolfsburg damals erdacht haben: Die Südseite zum Wohnen und die Nordseite zum Arbeiten…bzw. in unserem Fall zum Entdecken, Staunen und Genießen.
Kostenpflichtige Aktivität: Autostadt satt
Angekommen in der großen gläsernen Piazza holen wir uns an der Kasse Eintrittskarten, eine Übersichtskarte, sowie das kostenfreie Magazin. Ein Tagesticket kostet hier 18 € pro Person. Alternativ gibt es aber auch hier ein Feierabendticket (von Montag bis Donnerstag für 5 €). Da es für uns das erste Mal hier ist und wir trotz Übersichtskarte nicht ganz planlos herumirren wollen, buchen wir eine „Autostadt Rundum“-Führung für 6 € dazu.
Tipp: Wer einen noch mehr beeindruckenden Blick über Autostadt und das umliegende Wolfsburg bekommen möchte, kann für einen Aufpreis von 9 € auf einen der beiden Autotürme fahren – Wahrzeichen der Autostadt und 48m hohe Garage für bis zu 800 Neuwagen.
In einer gemischten 6er Gruppe mit zwei niederländischen Herren, die am Folgetag ihren Neuwagen abholen wollen und einem Opa-Enkel-Gespann aus Hannover geht es zunächst raus und zurück auf die Stadtbrücke mit einer optischen und inhaltlichen Übersicht. Dann schlendern wir weiter durch den Porsche-Pavillon, dessen geschwungene Form an die Motorhaube des bekannten Sportwagens erinnern soll. Auch akustisch hat die Architektur viel zu bieten. So finden hier ganzjährig auch Konzerte aller Art statt. Nach der lehrreichen Tour erkunden wir auf eigene Faust noch die „Level Green“-Ausstellung zum Thema Nachhaltigkeit im KonzernForum. Sie begeistert mit knapp 26 interaktiven Exponaten. Mit der Visualisierung des eigenen ökologischen Fußabdruckes macht sie aber auch nachdenklich. Abschließend verbringen wir die letzte Stunde noch passenderweise im ZeitHaus und streifen durch Jahrzehnte Automobilgeschichte. Die Kombination aus auf Hochglanz polierten Oldtimern in moderner Innenarchitektur bietet außerdem tolle Motive für Autofans und Hobbyfotografen wie mich.
Das machen wir nochmal!
So gehen beeindruckende Stunden vorbei, die wirklich informativ und sehr unterhaltsam die Geschichte eines Automobilkonzerns gezeigt haben, aber auch immer die Verbindung zur Stadt Wolfsburg. An Tagen mit etwas besserem Wetter kann man sicherlich noch viel mehr auf dem riesigen Gelände entdecken. Auch im Dunkeln ist dank der bunten und futuristischen Beleuchtungen ein Spaziergang durch die Autostadt lohnenswert. Ab 18:00 Uhr, wenn die Pavillons schließen, ist der Eintritt auf das Gelände kostenfrei. Wir werden definitiv noch einmal zur Winterzeit kommen. Ab Anfang Dezember erstrahlt die Autostadt als „Winterwunderland“ und die Wasserbecken werden zu belebten Eisflächen.
Etwas geplättet vom ereignisreichen Tag geht es auf den Rückweg. Mit einem spontanen Stopp bei der Trattoria Incontri geht es mit einer super leckeren Steinofen-Pizza zurück ins Hotel und ab ins Bett. Ein bisschen Schönheitsschlaf muss sein, bevor es morgen für uns ins „Alte Wolfsburg“ geht.
Tipp: Die Trattoria Incontri wurde uns empfohlen, sah wirklich sehr gemütlich aus und die Pizza war klasse! Beim nächsten Besuch würden wir uns dort sicherlich auch einen Tisch reservieren!
Samstagsausflug mit Kaffee, Kunst und Klamotten
Nach einer ruhigen Nacht – überraschenderweise ohne Wolfsgeheule trotz fast vollem Mond – geht es für uns früh raus auf einen morgendlichen Spaziergang zu unserem Frühstücks-Spot. Nach knapp 1,7km, vorbei am Großen Schillerteich, landen wir nach ca. 24 Minuten im Amselweg beim „Amsel Kaffee“ (http://amsel-kaffee.de/ ) bzw. mussten wir diesen Tipp einer Freundin erst einmal finden. Etwas unscheinbar zwischen Wohngebiet und Grünflächen gelegen haben wir an der Außenfassade des ehemaligen Vereinsheims das Logo mit dem Schriftzug „Amsel Kaffee“ entdeckt.
Neugierig und sehr hungrig nach unserem kleinen Marsch schlichen wir ums Haus und konnten durch die Fenster schon die gemütliche Einrichtung und entspannte Atmosphäre erahnen. Durch die große grüne Eingangstür waren wir dann mitten drin im Amsel Kaffee. Holzboden, Zimmerpflanzen, Vintagemöbel und viele alte Rösterei-Utensilien verschaffen dem Amsel Kaffee eine ganz urige Gemütlichkeit und Wärme. Freundlich begrüßt haben wir uns an unseren kleinen Tisch am Fenster gesetzt und mit knurrendem Magen die Speisekarte studiert. Unser Tischnachbar sah nicht mehr allzu frisch aus, das lag aber nur daran, dass es ein Deko-Skelett war…Halloween war auch ins Amsel Kaffee eingezogen.
Da hier der Chef selber röstet, darf ein Kaffee zum Start natürlich nicht fehlen. Für das Frühstück haben wir uns für eine süße (Finca la hermosa) und eine herzhafte, vegane Frühstücksplatte (Fazenda primavera) entschieden. Auf einem Holzbrett fantastisch angerichtet waren wir wirklich beeindruckt von der Liebe zum Detail und der Auswahl an auch außergewöhnlichen Aufstrichen, dazu selbstgebackene Dinkelbrötchen. Das Amsel Kaffee war wirklich den Fußmarsch wert und ist auch neben dem Kaffee ganzjährig Veranstaltungsort für Konzerte, Lesungen und vieles mehr – für uns ein echtes Highlight unseres Städtetrips!
Digitales Kontrastprogramm im analogen Schloss – Das „Alte Wolfsburg“
Nach einem unglaublich guten Frühstück zu einem fairen Preis ging es dann für uns weiter zum Wolfsburg für 200 € entdecken. Also ab auf Entdeckungstour. Dieses Mal ein Kontrastprogramm zur Autostadt und modernen Architektur, wieder über die Stadtbrücke, der diagonalen Wegführung entlang durch die Autostadt zum Schloss – ins „Alte Wolfsburg“. Da das Schloss bzw. seine Bewohner, wie der Kunstverein Wolfsburg e.V. erst um 13:00 Uhr die Tore öffnen, beschließen wir uns bei dem mittlerweile schönen Herbstwetter den umliegenden Schlosspark zu erkunden. Es war wirklich wie eine Zeitreise. Eine alte Steinpflasterstraße, Fachwerkstallungen rund um das Schloss, welches als Wasserburg erstmals 1302 urkundlich erwähnt wurde. Bei unserem Spaziergang durch den Park begegnen uns immer wieder strahlende Kunstinstallationen und tolle Blicke über die grünen Freiflächen und entlang der herbstlich geschmückten Bäume auf das Schloss im Hintergrund.
Kostenfreie Attraktion: „Digital Dada“-Ausstellung im Schloss Wolfsburg
Nach ein paar Fotos geht es dann auch schon über den Schlossinnenhof, die Treppen hinauf zum Kunstverein Wolfsburg e.V. (https://kunstverein-wolfsburg.de/ ) und der dort stattfindenden Ausstellung „Digital Dada“. Wie der Name schon andeutet werden hier, wie im Dadaismus typisch, die Normen der Kunst völlig außer Acht gelassen, Strukturen aufgelöst und neu zusammengestellt – und das alles mit Hilfe von Augmented Reality und anderen digitalen Mitteln. Am Eingang werden wir von einer freundlichen Dame empfangen, die ehrenamtlich für den Kunstverein tätig ist.
Ausgestattet mit reichlich Infomaterial gehen wir selbstständig auf Entdeckungstour und sind wirklich positiv überrascht. Futuristische Bilder, die mit Hilfe eines Tablets ihre Form verlieren und Elemente die einem gefühlt entgegenfliegen. An anderer Stelle wird man selbst Teil eines 3D-Gemäldes, in dem man stehend in einem sich umgebenden Kunstwerk mithilfe einer Virtual Reality Brille sich dreidimensional im Gemälde umschauen kann. Der Besuch der Ausstellung und das Infomaterial sind komplett kostenfrei. Am Ausgang hat man aber die Gelegenheit eine Spende für den Kunstverein zu machen. Der Besuch des Kunstvereins in den altehrwürdigen Gemäuern des Schlossen waren ein wirklich tolles Kontrastprogramm zu unserem Vortag.
Tipp: Auch die Ausstellung „Junge Kunst“ im gegenüberliegenden Flügel des Schlosses sind kostenfrei! Für Kunstinteressierte gibt es im Schloss Wolfsburg auch noch die Städtische Galerie, das Institut Heidersberger, sowie das Stadtmuseum Wolfsburg zu entdecken. Für gerade einmal 5 € erhält man Eintritt zu allen Bereichen.
Shopping zum Abschluss
Nach diesem gefühlten Zeitsprung ins „Alte Wolfsburg“ geht es für uns wieder über den Mittellandkanal und zum Abschluss unseres Trips auf vielfachen Wunsch einer weiblichen Mitreisenden zu den Designer-Outlets. Direkt neben dem Bahnhof und Phaeno erstreckt sich das Sammelsurium an Geschäften und Restaurants. Das wird jetzt noch ein wenig (außerhalb des Budgets) erkundet. Nach ein paar Stunden Bummeln geht es für uns dann wieder zum nahegelegenen Bahnhof. Wir machen uns via Niedersachsenticket auf den Rückweg nach Celle. Kaputt, aber total positiv überrascht von unserem Städtetrip nach Wolfsburg, das durchaus viel mehr zu bieten hat als man denkt!
Fazit: Wolfsburg für 200 € entdecken
Zusammengefasst hat uns Wolfsburg sehr überrascht und gefallen. Wolfsburg für 200€ zu entdecken ist tatsächlich möglich. Wir sind mit unserem Budget gut ausgekommen. Sicherlich könnte man noch zusätzliche Sachen buchen und machen (die ich als Tipps hier beigefügt habe). Aber es war ein rundum gelungener Städtetrip und wir werden zur Adventszeit auf jeden Fall noch einmal wiederkommen – auf die Nordseite zum Glühweintrinken und die Südseite zum Frühstück im Amsel Kaffee.